Theke, Regale und Fußboden waren gefegt und der Boden mit frischem Blausand bestreut worden. Auch die braune Waage war offensichtlich in strenge Zucht genommen worden beim erfolglosen Versuch, den Rost abzubürsten, der sie leider ganz und gar zerfressen hatte. Der kleine alte Laden war auch nicht mehr leer an käuflichen Gütern. Ein neugieriger Beobachter mit dem Vorrecht, Inventar zu machen und einen Blick hinter den Ladentisch zu werfen, hätte ein Fass – nein, zwei oder drei und ein halbes dazu – entdeckt, eines mit Mehl, das zweite mit Äpfeln und das dritte vielleicht mit Maismehl. Da war auch eine rechteckige Kiste aus Tannenholz voller Seifenstücke und eine zweite, ebenso große, gefüllt mit Talgkerzen, zehn auf das Pfund. Ein kleiner Vorrat brauner Zucker, weiße Bohnen, Suppenerbsen und ein paar weitere billige, ständig gefragte Artikel vervollständigten den gewichtigeren Teil des Sortiments. Man hätte es für eine gespenstische Auferstehung oder ein Trugbild der schäbigen Ladenausstattung des alten Krämers Pyncheon halten mögen, wären nicht einige Artikel so beschaffen und geformt gewesen, wie man es damals kaum gekannt haben konnte. Zum Beispiel stand da ein Einmachglas mit Stücken des Gibraltarfelsens – nein, keine echten Splitter des Felsfundaments der berühmten Festung, sondern sorgsam in weißes Papier gewickelte süße Köstlichkeiten. Jim Crow als Pfefferkuchenmännchen vollführte seinen weltbekannten Tanz.3 Zinndragoner mit moderner Ausrüstung und Uniform preschten über ein Gestell, und es gab auch Zuckerpüppchen, die zwar den Menschen aus keinerlei Zeiten wirklich ähnlich sahen, den heutigen aber noch eher als denen vor hundert Jahren. Brandaktuell war dafür ein Paket Streichhölzer, deren sofortigen Flammenzauber man früher gewiss für reinstes Teufelszeug gehalten hätte.

Kurzum, der Schluss drängte sich auf, dass jemand den Laden samt Zubehör des längst nicht mehr Handel treibenden und vergessenen Mr. Pyncheon übernommen hatte und das Geschäft des ehrenwerten Verstorbenen mit neuer Kundschaft weiterführen wollte. Wer konnte so verwegen sein? Und warum hatte dieser Mensch ausgerechnet das Haus mit den sieben Giebeln als Schauplatz seines unternehmerischen Wagemuts gewählt?

Kehren wir zu der ältlichen Jungfer zurück. Sie löste schließlich den Blick von der finsteren Miene des Obersten auf dem Porträt, stöhnte – eine einzige Seufzergrotte war ihre Brust heute Morgen – und ging auf Zehenspitzen durch den Raum, wie es Frauen ihres Alters häufig tun. Durch einen Flur kam sie zu einer Tür, die zu dem eben so ausführlich beschriebenen Laden führte, und öffnete sie. Wegen des vorspringenden zweiten Stocks – und im dunklen Schatten der Pyncheon-Ulme, die dicht an der Fassade stand – war die Dämmerung hier noch kaum von der Nacht zu unterscheiden. Miss Hepzibah seufzte noch einmal tief! Sie zögerte kurz auf der Schwelle, blinzelte böse zum Fenster, als müsste sie einen erbitterten Feind einschüchtern, und warf sich ins Ladeninnere. Es war verblüffend, wie plötzlich und gleichsam elektrisiert sie dies tat.

Nervös – fast panisch möchten wir sagen – begann sie an Kinderspielsachen und anderem Krimskrams auf den Regalen und in der Auslage herumzufingern. In dieser dunkel gekleideten, damenhaft blassen, ältlichen Erscheinung lag eine tiefe Tragik, die in scharfem Gegensatz zu der lächerlichen Banalität ihres Tuns stand. Es schien absurd, dass eine so hagere, jammervolle Gestalt nach einem Spielzeug griff, ohne dass es sich ihren Händen entzog, und die Vorstellung war völlig grotesk, dass ihr eingerostetes, verdüstertes Hirn sich mit der Frage abmühte, wie sie wohl kleine Jungs in ihren Laden locken könnte! Doch ebendies tat sie. Jetzt stellt sie einen Pfefferkuchenelefanten in die Auslage, aber so zittrig, dass er auf den Boden purzelt, dabei drei Beine samt Rüssel einbüßt und kein Elefant mehr ist, sondern nur noch ein zerbröckelter, staubiger Keks. Und jetzt stößt sie auch noch ein Glas Murmeln um, die in alle Richtungen davonkullern und sich mit teuflischer Präzision die unzugänglichsten dunklen Winkel aussuchen. Der Himmel sei unserer armen alten Hepzibah gnädig und möge uns vergeben, dass wir uns über ihre Lage lustig machen! Und als die klapprige, steife Gestalt die entwischenden Kugeln auf allen vieren verfolgt, stehen uns die Tränen des Mitleids um so näher, als wir uns auch abwenden und über sie lachen müssen. Denn hier – und sollten wir es dem Leser nicht nahebringen können, liegt es an uns und nicht am Gegenstand – bot sich ein Schauspiel, so wahrhaftig und ergreifend, wie es ein gewöhnliches Leben nur bereithalten kann. Was sich einst angestammter Adel nannte, lag in den letzten Zuckungen. Eine Dame, die von Kind auf blasse Erinnerungen an altes Aristokratentum und die heilige Überzeugung nährte, ein schnöder Broterwerb besudle für immer ihre Hand – diese geborene Dame ist nach sechzig Jahren stetig schwindender Möglichkeiten gezwungen, vom Sockel ihres eingebildeten Rangs herunterzusteigen. Die Armut, die ihr ein Leben lang auf den Fersen war, hat sie schließlich eingeholt. Sie muss sich ihr Auskommen verdienen oder verhungern! Und wir haben Miss Hepzibah Pyncheon allzu respektlos in eben dem Augenblick belauert, wo die vornehme Dame sich in eine gewöhnliche Frau verwandelt.

In diesem republikanischen Land, wo das gesellschaftliche Leben auf und ab wogt, ist immer jemand am Ertrinken. Die Tragödie wiederholt sich so unaufhörlich wie die Aufführungen eines beliebten Theaterstücks an einem Feiertag, und doch geht sie wohl so nahe wie der Niedergang eines Angehörigen des Erbadels. Wenn nicht noch näher; denn bei uns verdankt sich gesellschaftlicher Rang dem Reichtum und einer glänzenden Position und überdauert diese nicht, sondern erlischt hoffnungslos mit ihnen. Darum bitten wir, wenn wir fatalerweise unsere Heldin schon in einer so unheilvollen Krise eingeführt haben, die Zeugen ihres Geschicks auch um den gebührenden Ernst.