Oder vielleicht fand es der Oberst zweckmäßig, oder er wurde von einer edleren Regung dazu veranlasst, öffentlich jegliche Feindseligkeit gegenüber der Familie seines gestrauchelten Widersachers einzustellen. Es war auch keineswegs unvereinbar mit dem allgemein unzimperlichen, nüchternen Zeitgeist, dass der Sohn gewillt war, ein ehrliches Scherflein – oder besser eine stattliche Summe – aus dem Geldbeutel des väterlichen Todfeinds zu beziehen. Jedenfalls wurde Thomas Maule zum Baumeister des Hauses mit den sieben Giebeln und tat seine Pflicht so getreulich, dass das von ihm zusammengefügte Gebälk immer noch hält.

So wurde das große Haus gebaut. Und vertraut, wie es in der Erinnerung des Autors dasteht – denn es hat ihn seit Kindheitstagen angezogen, sowohl als Beispiel der besten, stattlichsten Architektur einer längst vergangenen Epoche wie als Schauplatz von Ereignissen, die uns Menschen vielleicht mehr bewegen als das Geschehen auf einem grauen Adelssitz –, so vertraut, wie die Erscheinung des verlotterten alten Hauses ist, fällt es um so schwerer, sich die glanzvolle Frische vorzustellen, in der es einst das erste Sonnenlicht empfing. Und der Eindruck seines gegenwärtigen Zustands, hundertsechzig Jahre danach, verdüstert unweigerlich das Bild, das wir von seiner Erscheinung entwerfen möchten an dem Morgen, als der puritanische Herr die ganze Stadt bat, bei ihm zu Gast zu sein. Eine sowohl festliche wie religiöse Hausweihe stand kurz bevor. Gebet und Predigt des Pastors Higginson und das Erschallen eines vielstimmigen Psalms sollten den gröberen Geschmäckern erträglich gemacht werden durch Ströme von Bier, Apfelwein, Wein und Branntwein und, nach einigen Gewährsleuten, durch einen ganzen Ochsen am Spieß oder mindestens dessen Gewicht und Masse in handlicheren Braten- und Lendenstücken. Ein ausgeweidetes Reh, das man keine zwanzig Meilen entfernt geschossen hatte, füllte eine riesengroße Pastete. Und ein in der Bucht gefangener sechzigpfündiger Kabeljau hatte sich in einer reichhaltigen Fischsuppe aufgelöst. Kurzum, der Kamin des neuen Hauses rülpste seinen Küchendampf aus und schwängerte die ganze Luft mit dem Duft nach Fleisch, Geflügel und Fisch, würzig zubereitet mit wohlriechenden Kräutern und reichlich Zwiebeln. Dieses Fest allein schon zu riechen, wie es jedem die Nase kitzelte, war zugleich eine Einladung und eine Verlockung.

In Maule’s Lane oder Pyncheon Street, wie man jetzt passender sagen sollte, drängte sich zur vereinbarten Stunde das Volk wie eine Gemeinde auf dem Kirchgang. Und alle blickten beim Näherkommen zu dem eindrücklichen Gebäude auf, das nun unter den Menschenwohnungen den ihm gebührenden Platz einnehmen sollte. Da erhob es sich, etwas von der Straße zurückgesetzt, aber aus Stolz, nicht aus Bescheidenheit. Das ganze sichtbare Äußere war mit wunderlichen Figuren in überspannt neugotischem Stil geschmückt, die man in den glitzernden Verputz aus Kalk, Kieseln und Glassplittern über den Holzwänden geritzt oder geprägt hatte. Auf allen Seiten stachen die sieben Giebel in den Himmel, wie Schwesterbauten, die alle durch die Röhren eines einzigen großen Kamins atmeten. Die vielen Gitterfenster mit den diamantförmigen Scheibchen ließen die Sonne in Vorhalle und Zimmer ein; dagegen warf der weit vorspringende zweite Stock, der sich seinerseits hinter den dritten zurückzog, einen Schatten und trübsinnigen Dämmer in die darunterliegenden Räume. Unter den vorspringenden Stockwerken waren geschnitzte Holzkugeln befestigt, und kleine gedrehte Eisenstäbe verschönerten jeden der sieben Giebel. Auf dem Dreieck des Giebels an der Straßenseite hatte man erst an diesem Morgen eine Sonnenuhr angebracht, und noch zeigte die Sonne die erste helle Stunde einer Geschichte an, die nicht durchwegs so hell sein sollte. Überall lagen Hobelspäne, Holzschnitzel, Schindeln und zerbrochene Backsteinhälften herum, was alles nebst der umgepflügten Erde, auf der noch kein Gras wuchs, zum Eindruck des Ungewohnten und Neuen eines Hauses beitrug, das sich seinen Platz im Alltag der Menschen erst noch erobern musste.

Der Haupteingang, fast so breit wie ein Kirchentor, befand sich zwischen den beiden Vordergiebeln, überdacht von einem offenen Vorbau, in dessen Schutz Bänke standen. Durch diesen Torbogen, die Füße an der noch nicht abgenutzten Schwelle abstreifend, schritten nun die Geistlichen, Presbyter, Richter, Diakone und was sonst in Stadt und Land Rang und Namen besaß. Auch das gewöhnliche Volk strömte herbei, so selbstverständlich wie seine Oberen und zahlreicher. Gleich hinter dem Eingang standen jedoch zwei Bedienstete, wiesen die einen Gäste zur Küche und baten die anderen in die vornehmeren Räume – gastfreundlich waren sie zu allen, erkannten aber mit prüfendem Blick die hohe oder niedrige Stellung eines jeden. Düstere, aber prunkvolle Samtanzüge, gestärkte Rüschen und Halsbinden, gestickte Handschuhe, ehrwürdige Bärte, gestrenge Haltung und Auftreten machten es damals leicht, den geistlichen Herrn vom schwerfälligen Kaufmann zu unterscheiden oder vom Arbeiter im Lederwams, der sich ehrfürchtig in das Haus stahl, das er vielleicht selbst zu bauen geholfen hatte.

Es gab nur einen unglücklichen Umstand, der bei manchen steiferen Gästen ein kaum verborgenes Mißfallen auslöste. Der Gründer dieses Herrschaftssitzes – ein Gentleman, der für seine leutselige, umständliche Höflichkeit bekannt war – hätte gewiss in seiner Halle stehen und die so zahlreichen bedeutenden Persönlichkeiten als Erster begrüßen müssen, die sich zu diesem festlichen Anlass die Ehre gaben. Doch er ließ sich noch nicht blicken, auch die erlauchtesten Gäste hatten ihn nirgends gesehen. Noch unerklärlicher wurde Oberst Pyncheons Saumseligkeit, als der zweithöchste Würdenträger der Provinz erschien und auch nicht feierlicher empfangen wurde. Der Besuch des Vizegouverneurs gehörte zwar zu den erhofften Höhepunkten des Tages, doch als er von seinem Pferd gestiegen, seiner Gattin vom Damensattel geholfen und die Schwelle zum Haus des Obersten überschritten hatte, wurde auch er nur vom ersten Hausdiener begrüßt.

Dieser grauhaarige, ruhige und ausgesucht ehrerbietige Mann sah sich zur Erklärung genötigt, sein Herr befinde sich immer noch in seinen privaten Räumen, in seinem Studierzimmer, das er vor einer Stunde betreten habe, mit der Bitte, unter keinen Umständen gestört zu werden.

«Seht Ihr nicht, Kerl», sagte der Bezirkssheriff und nahm den Diener beiseite, «dass dieser Mann kein Geringerer als der Vizegouverneur ist? Ruft Oberst Pyncheon auf der Stelle! Ich weiß, dass er heute Morgen Post aus England bekam, und vielleicht ist bei der gedankenvollen Lektüre der Briefe eine Stunde unbemerkt verstrichen. Aber er wird bestimmt ungehalten sein, wenn Ihr zulasst, dass er es versäumt, einem der Ersten unseres Landes, von dem man sagen kann, dass er in Abwesenheit des Gouverneurs den König William selbst vertritt, seine Reverenz zu erweisen. Ruft Euren Herrn jetzt sofort!»

«Gestatten Euer Gnaden», antwortete der Diener in großer Not, aber mit einem Widerstreben, das beredtes Zeugnis für das harte und unerbittliche Regiment des Hausherrn ablegte, «doch die Befehle meines Herrn waren sehr bestimmt, und wie Euer Gnaden wissen, duldet er nicht den leisesten Ungehorsam bei denen, die ihm zum Dienst verpflichtet sind. Mag jene Tür öffnen wer will; ich wage es nicht, und sollte der Gouverneur selber mich heißen!»

«Pah, Herr Bezirkssheriff!», rief der Vizegouverneur, der diesen Disput gehört hatte und sich erhaben genug fühlte, um mit seiner Würde etwas zu kokettieren.