Das Kapital - Kritik der politischen Ökonomie

 

 

 

 

 

 

Karl Marx — DAS KAPITAL

Kritik der politischen Ökonomie

Kurzfassung von Otto Rühle

mit einer Einleitung von Leo Trotzki

Impressum

Herausgegeben von der Sozialistische Alternative – SAV im August 2011

V.i.S.d.P., Satz und Umschlaggestaltung: Holger Dröge

Druck: Eigendruck im Selbstverlag

 

Sozialistische Alternative – SAV, Littenstraße 106/107, 10179 Berlin

Telefon: (030) 24 72 38 02, Email: [email protected]

Vorwort von Leo Trotzki: Marxismus in unserer Zeit

Dieses Buch von Otto Rühle bringt eine sehr gedrängte Darstellung der grundlegenden Lehren von Karl Marx. Im Grunde genommen hat noch niemand die Werttheorie besser dargelegt, als Karl Marx selbst.

Die Kurzfassung des Ersten Bandes des Kapitals – der Grundlage des Marx'schen ökonomischen Systems – wurde von Otto Rühle mit großer Sorgfalt und grundlegendem Verständnis der Materie erstellt. Er nahm veraltete Beispiele heraus, entfernte weiterhin Zitate, die heute nur noch von historischem Interesse sind, Polemiken gegen Schreiber, die längst vergessen sind und zuletzt zahlreiche Dokumente (Gesetze, Berichte von Fabrikinspektoren usw.). All dies hat einen Wert eine bestimmte historische Epoche zu verstehen, aber in einer Zusammenstellung, die eher theoretische als historische Absichten verfolgt, nicht notwendig sind.

Gleichzeitig bewahrte Rühle die Entwicklung der wissenschaftlichen Analyse und die einheitliche Darstellung. Logische Schlüsse und dialektische Übergänge wurden unserer Ansicht nach an keiner Stelle verletzt. Es mag aber wohl sein, dass dieser Text Aufmerksamkeit und Konzentration erfordert. Zur Unterstützung des Lesers hat Otto Rühle den Text daher mit prägnanten Zwischenüberschriften versehen.

Bestimmte Argumente von Marx, insbesondere die schwierigen des ersten Kapitels können dem uneingeweihten Leser als spitzfindig, überflüssig oder „metaphysisch“ erscheinen. In Wahrheit ist dieser Eindruck die Konsequenz der Tatsache, dass man nicht die Gewohnheit hat, die vertrautesten Erscheinungen wissenschaftlich zu betrachten. Die Ware ist ein so allgemein verbreitetes Element geworden, derart unserem täglichen Leben vertraut, dass wir uns nicht einmal zu fragen versuchen, warum sich die Menschen von Gegenständen höchster Wichtigkeit, notwendig für den Lebensunterhalt, trennen, um sie gegen kleine Scheiben aus Gold oder Silber ohne Nützlichkeit auszutauschen. Die Ware ist nicht das einzige Beispiel.

Alle Kategorien der Warenwirtschaft scheinen ohne Analyse erkannt zu sein, als wie sich von selbst verstehend, als ob sie die natürliche Basis der Beziehungen zwischen den Menschen bildeten. Indessen sind die Faktoren des ökonomischen Prozesses menschliche Arbeit, Rohstoffe, Werkzeuge, die Arbeitsteilung, die Notwendigkeit der Verteilung der Produkte unter alle jene, die am Produktionsprozess teilnehmen usw., die Kategorien selbst aber, wie Ware, Geld, Löhne, Kapital, Profit, Steuer etc., nur halb mystische Reflexe der Menschen, verschiedene Aspekte des einen ökonomischen Prozesses, den die Menschen nicht verstehen, und der sich ihrer Kontrolle entzieht. Um sie zu entziffern ist eine wissenschaftliche Analyse unerlässlich.

In den Vereinigten Staaten, wo ein Mensch, der eine Million besitzt, betrachtet wird wie der Wert einer Million, sind die ökonomischen Vorstellungen tiefer gesunken als irgendwo anders. Noch vor kurzem schenkten die Amerikaner der Natur der ökonomischen Beziehungen sehr wenig Aufmerksamkeit. Im Lande des mächtigsten ökonomischen Systems blieb die wissenschaftliche Ökonomie extrem arm. Es war die heutige tiefe Krise der amerikanischen Wirtschaft nötig, um der öffentlichen Meinung mit aller Schärfe die fundamentalen Probleme der kapitalistischen Gesellschaft vor Augen zu führen. Wer nicht davon lassen kann, passiv, ohne kritischen Geist die ideologischen Reflexe des ökonomischen Prozesses hinzunehmen, der wird niemals Marx folgend, die wesentliche Natur der Ware als fundamentale Zelle des kapitalistischen Systems zu durchschauen vermögen und wird daher unfähig sein, die wichtigsten Erscheinungen unserer Epoche wissenschaftlich zu erfassen.

Die Methode von Marx

Der Wissenschaft die Aufgabe des Erforschens der objektiven Erscheinungen der Natur stellend, bemüht sich der Mensch hartnäckig und eigensinnig sich selbst der Wissenschaft zu entziehen und sich besondere Vorrechte zu sichern, sei es in der Form des Anspruches auf Beziehungen zu übernatürlichen Kräften (Religion) oder auf ewige moralische Gesetze (Idealismus). Marx hat dem Menschen endgültig diese widerwärtigen Vorrechte genommen, indem er ihn als natürliches Glied im Entwicklungsprozess der materiellen Natur erkannte, die menschliche Gesellschaft ansieht als Organisation der Produktion und Verteilung, den Kapitalismus als ein Stadium der Entwicklung der menschlichen Gesellschaft.

Es lag nicht in Marx’s Absicht, die „ewigen Gesetze“ der Ökonomie zu entdecken. Solche gibt es nicht. Die Geschichte der menschlichen Gesellschaft ist die Geschichte der Aufeinanderfolge der verschiedenen ökonomischen Systeme, deren jedes seine eigenen Gesetze aufweist. Der Übergang von einem System zum anderen war immer bestimmt vom Wachstum der Produktivkräfte, dass heißt der Technik und der Organisation der Arbeit. Bis zu einem bestimmten Grade haben die sozialen Veränderungen einen quantitativen Charakter, führen sie zu keinem grundlegenden Wandel im gesellschaftlichen Fundament, das heißt den herrschenden Eigentumsformen. Aber es kommt ein Zeitpunkt, wo die gesteigerten Produktivkräfte nicht mehr in den alten Eigentumsformen eingeschlossen bleiben können. Dann erfolgt in der sozialen Ordnung eine von Erschütterungen begleitete Veränderung. Dem Urkommunismus folgte, oder fügte sich hinzu, die Sklaverei; die Sklaverei wurde abgelöst von der Leibeigenschaft mit ihrem feudalem Überbau. Im 16. Jahrhundert führte die Entwicklung des Handels der europäischen Städte zum Aufkommen des kapitalistischen Systems, das in der Folge mehrere Stadien durchlief. Im Kapital erforscht Marx nicht die Ökonomie im allgemeinen, sondern die kapitalistische Ökonomie mit ihren eigenartigen Gesetzen.