Er soll sich baden, und morgen soll er steigen. Verstehst Du? ... Oho, Christie! so geschwind zurück?«

Christie erstattete Bericht von seiner Mission, wie ein Polizeibeamter einem Vorgesetzten gegenüber, nämlich durch Zeichen und Gebärden sowohl als durch Worte.

»Edelster Gebieter,« hub der würdige Trabant an, »der Laird von ...« er nannte den Ort nicht, sondern wies mit der Hand gen West ... »kann auf den festgesetzten Tag Euch sich nicht entschließen, weil der Lord-Landrichter gedroht hat, ihn ...« Er sprach nicht weiter, machte aber mit der Hand ein deutliches Zeichen nach seinem Halse, das seinen Zweifel über die Drohung des Landrichters bestehen ließ.

»Der gemeine Feigling!« zischte Julian zwischen den Zähnen, »beim Himmel! die ganze Welt hat sich gedreht. Sie verdients nicht mehr, daß ein braver Mann darauf lebt. Tag und Nacht kann man reiten, ohne daß man einen Federbusch wallen sieht oder ein Roß schnauben hört. ... Der Geist unsrer Väter ist von uns gewichen, die wilden Tiere sogar entarten, unsre Falken sind Sperlinge, unsre Hunde Schwänzler, unsre Männer sind Weiber, und unsre Weiber sind ...«

Da sah er zum ersten Male die schöne Frau an, und da hielt er mitten in seiner Rede inne, wiewohl in seinen Blicken eine solche Geringschätzung zum Ausdruck kam, daß sich das, was er verschluckte, ohne Mühe dahin ergänzen ließ: »Unsre Weiber sind so, wie die da.«

Und doch verschwieg er das Wort, und die schöne Frau, von dem Wunsche erfüllt, seine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen, möge auch vorgehen, was wolle, erhob sich und trat mit einer Miene erheuchelter Lustigkeit, hinter der sich aber ihre Schüchternheit recht unvorteilhaft versteckte, auf ihn zu und stellte ihm die Frage:

»Unsre Weiber, Julian? Nun, was lag Dir denn auf der Zunge, Julian, von den Weibern?«

»Was denn sonst, als daß sie gutmütige Dinger und barmherzige Schwestern sind wie Du, Käthe?«

Tief errötend kehrte sie auf ihren Sitz zurück.

Darauf wandte der Baron sich mit der Frage an Christie:

»Na, und was bringst Du denn für ein Paar fremde Kerle mit?«

»Der lange ist einer mit Namen Halbert Glendinning, und ist der ältere von den beiden Söhnen der Witwe von Glendearg.«

»So? was führt ihn zu uns?« fragte der Baron, »etwa eine Botschaft von Mary Avenel?«

»Soviel ich weiß, nicht,« erwiderte der Gefragte, »der junge Kerl schweift herum im Lande und war wohl immer ein wilder Sprößling, denn ich hab ihn ja schon gekannt, wie er erst kaum bis an sein Schwert heraufreichte.«

»Was kann er leisten?« fragte der Baron.

»Wohl alles, was man ihm auferlegt,« erwiderte der getreue Knappe, »er schießt einen Rehbock aufs Blatt, spürt das Wild auf, läßt den Falken steigen, hetzt den Hund, schießt mit Bogen und Armbrust wie ein Freischütz, schwingt Lanze und Schwert kaum schlechter als ich und tummelt den wildesten Gaul ... kurz, ich wüßte nicht, was er nicht verstünde, um ein wackrer Gesell zu werden.«

»Und der alte Bärbeiß neben ihm? wer ist das?«

»So etwas, wie ein Priesterknecht wohl, der Empfehlungsschreiben an Euch zu besitzen angibt,« antwortete Christie.

»Laß die beiden Kerle herantreten,« befahl der Baron; aber kaum waren sie der Aufforderung gefolgt, als er, verwundert über die stattliche Gestalt des jungen Glendinning, denselben also anredete: »Ich höre, mein Junge, daß Du Dich in der Welt herumtreibst, ohne festes Ziel, auf der Suche nach dem Glück? Nun, wenn Du bei Julian Avenel in Dienst treten willst, dann brauchst Du weder nach Ziel noch nach Glück länger zu suchen.«

»Mit Verlaub,« erwiderte Halbert, »es ist mir etwas passiert, das es mir geratner erscheinen läßt, das Land überhaupt zu meiden und mich nach Edinburg zu begeben.«

»Was Du sagst!« rief lachend der Baron, »hast wohl königliches Wild weggeknallt? oder Dir von den Klosterwiesen ein paar Rinder gefangen? ... oder etwa gar eine Streife über die Grenze unternommen?«

»Keineswegs, Baron. Mein Fall liegt durchaus anders,« erwiderte der junge Glendinning.

»Dann möcht ich wetten, daß Du einen Bauernjungen um einer Dirne willen um die Ecke gebracht hast,« rief der Baron weiter; »Du siehst mir ganz aus nach so etwas, Junge!«

Verdrießlich über die Art und Weise, wie der Baron ihn behandelte, schwieg Halbert, dachte jedoch bei sich, was wohl der Ritter sagen möchte, wenn er erführe, daß der Zwist, den er mit solch leichtfertiger Rede abzutun suchte, um seine eigne Bruderstochter entstanden war!

»Gleichviel, was Dich zur Flucht getrieben hat,« sagte Julian Avenel wieder, »bis auf dies Eiland her verfolgt Dich kein Gesetz und kein Vollstrecker eines solchen! Dazu ist der See zu tief und das Gebäude zu stark und der Damm zu lang, der Land und Eiland verbindet! Da, sieh meine Mannen an, als ob sie aussehen, als litten sie, daß einem Kameraden ein Leid geschehe! sieh mich an und sage mir, ob ich der Mann sein könne, der einen Knappen im Stich ließe, im Guten wie im Bösen! Ich sage Dir, Jüngling, ewiger Friede wird zwischen Dir und dem Gesetz bestehen, vom selben Augenblicke an, da Du Dich entschließest, meine Farben an Deinen Hut zu stecken. Dem Lord-Landrichter kannst Du an der Nase vorbeireiten, und kein Hund von seiner Meute wird Dich anzubellen wagen.«

»Für Euer Anerbieten, edler Herr, danke ich Euch,« antwortete Halbert, »ich muß Euch jedoch kurz darauf erwidern, daß es sich nicht für mich schickt, denn mein Schicksal ruft mich anders wohin.«

»Du bist ein eigensinniger Narr, der seinen Vorteil nicht kennt,« erwiderte Julian, indem er ihm den Rücken wandte und Christie zu sich heranwinkte.

»Der Bursche hat in seinem Blicke etwas, das außerordentlich anspricht. Wir brauchen Leute von kräftigen Gliedern und zähen Sehnen. Was Du mir letztmals gebracht hast, gehört zum Abschaum der Menschheit, es sind durchweg Schufte, die keinen Pfeilschuß wert sind. Der Jüngling ist ja gebaut, wie ein Sankt Georg! Setz ihm recht zu mit Wein, verstehst Du? und laß auch ein paar Dirnen auf ihn los, daß sie ihn fangen! wie Spinnen die Fliege im Netz ... verstehst Du?«

Christie nickte verständnisvoll und zog sich hierauf in ehrerbietige Ferne zurück.

Der Baron wandte sich jetzt an den Greis.

»Na, und Du, Alter,« fragte er, »treibst Du Dich auch in der Welt herum? Bist Du auch auf der Suche nach dem Glück? Siehst aber nicht so aus, als ob das Glück Dich suchte!«

»Mit Verlaub,« versetzte Heinrich Warden; »wer weiß, ob ich nicht tiefer zu beklagen wäre, wenn mir das Glück zu teil geworden wäre, das ich, wie so viele Altersgenossen von mir, in der Jugend eifrig gesucht habe!«

»Versteh mich recht, Mann!« sagte der Baron, »läßt Du Dir genügen an Deinem steifleinenen Kittel und Deinem langen Stabe, solls mir auch recht sein, daß Du so arm und verächtlich bleibst, wie es sich für Dein leibliches und seelisches Heil schicken mag. Jetzt aber will ich nichts weiter von Dir wissen, als was Dich auf meine Burg führt, denn für Krähen von Deinem Kaliber soll es sich hier nicht gerade gut horsten. Bist wohl ein verjagter Mönch aus einem aufgehobnen Kloster, der nun im Alter den üppigen Müßiggang seiner jungen Jahre büßen muß? oder ein Pilger mit einer Tasche voller Lügen? oder ein Ablaßkrämer mit Reliquiensack aus Rom, der alle Sünden vergibt, das Dutzend für einen Pfennig und darüber? Aha, was der Junge in Deiner Gesellschaft macht, darüber geht mir jetzt ein Licht auf: er soll Dir Deinen Quersack tragen, daß Du Deine faulen Schultern schonst? aber, das merk Dir! aus diesem Plane von Dir wird nichts! Bei Mond und Sonne schwöre ich Dir, daß ich nicht dulde, daß solch schmucker Junge mit solchem alten Gauner im Lande herumstrolcht. Hinweg mit Dir!« schrie er, vor Wut auffahrend und so schnell sprechend, daß man die Absicht merkte, den ältern Gast an jeder Antwort zu verhindern und statt dessen zu schleuniger Flucht zu bestimmen, »fort mit Dir und mit Deinem Kittel, Deiner Tasche und Muschel ... oder so wahr ich ein Avenel bin, ich laß meine Hunde auf Dich hetzen!«

Warden wartete mit größter Geduld, bis Julian, verwundert darüber, daß seine heftigen Worte und Drohungen gar keinen Eindruck auf seinen Gegner machten, verstummte.

»Was soll das heißen, zum Teufel, daß Ihr keine Antwort gebt?« fragte Avenel in einem weniger herrischen Tone nach einer Weile.

»Wenn Ihr fertig seid mit Eurer Rede,« erwiderte Warden, in dem ruhigen Tone, der bisher seine Worte ausgezeichnet hatte, »dann ist es ja Zeit genug für mich, Euch zu antworten.«

»Dann rede, Mönch, ins Teufels Namen! aber nimm Dich in acht, daß Du nicht bettelst, sei es auch bloß um einen Bissen, den kein Hund von mir möchte!« »Ich bin kein Bettler und auch kein Mönch,« erwiderte Warden, »und wär Euch um keines Wortes willen wider Mönche gram, wenn Ihr reden möchtet um christlicher Liebe willen.«

»Nun, was bist Du anders?« rief Avenel, »und was hast Du hier in unserm Grenzlande zu suchen, wenn Du es weder als Mönch noch als Soldat und Bettler betrittst?«

»Ich bin ein Prediger des heiligen Wortes, und dieses Schreiben hier von einem sehr vornehmen Herrn wird Euch über den Grund meiner Anwesenheit unterrichten.«

Mit diesen Worten übergab er dem Baron einen Brief, und dieser betrachtete nicht ohne Ueberraschung das Siegel und las mit immer wachsenderer Verwunderung den Inhalt. Dann heftete er einen grimmigen Blick auf den Greis und rief in warnendem Tone:

»Du nimmst Dir hoffentlich nicht heraus, mich zu täuschen oder gar zu hintergehen?«

»Ich bin der Mensch nicht, der solches im stande wäre,« versetzte kurz der Prediger.

Julian trat ans Fenster und las den Brief noch einmal oder stellte sich wenigstens so, denn sein Blick schweifte verstohlen von dem Brief auf den Fremden, wie wenn er den Inhalt mit dem Gesicht desselben vergleichen wolle. Endlich rief er der schönen Frau zu:

»Käthe, hol mir doch einmal geschwind den Brief, den Du in dem Kästchen aufheben solltest, weil es mir an einem geeigneten Orte, ihn aufzuheben, fehlte.«

Katharina stand schnell auf, und nun wurde jener veränderte Zustand, der einen weiteren Rock und Gürtel forderte, in welchem die Frau eine erhöhte Sorgfalt und Liebe vom Manne zu erwarten hat, noch sichtbarer als bisher. Sie war zwar schnell mit dem geforderten Papiere wieder zur Stelle, aber der ganze Dank, den sie dafür erhielt, bestand in den Worten:

»Ich danke Dir, Weib; Du bist ein gewissenhafter Sekretär.«

Auch dieses zweite Papier las er mehr denn einmal durch und warf auch während dieser Lektüre von Zeit zu Zeit einen vergleichenden Blick auf den Prediger, der aber trotz aller Gefahr seiner Lage die Ruhe wahrte, wie bisher, und vor dem Geierblick des Barons unentwegt standhielt. Zuletzt faltete der Baron die Papiere zusammen und schob sie in die Rocktasche. Dann sagte er mit einem fröhlichen Anstrich zu seiner Gefährtin:

»Käthe! ich habe den guten Mann verkannt; ich habe ihn für einen von den römischen Faulpelzen gehalten, aber er ist ein Prediger von ... von der neuen Lehre der Kongregation.«

»Von der Lehre der heiligen Schrift,« erwiderte der Prediger, »die geläutert worden ist durch menschliche Erfindungen.«

»Ja, so ist wohl die Bezeichnung,« antwortete Julian von Avenel, »meinetwegen nenne es, wie es Dir beliebt! mir ists recht, weil wir dadurch die albernen Träumereien von Heiligen, Engeln oder Teufeln los kriegen, und die mönchischen Tagediebe überflüssig werden, die uns mit ihren Leichenmessen und Opfern und Zehnten das Geld aus der Tasche und mit ihren zehn Geboten und Psalmen den Mut aus dem Herzen holen! Die neue Lehre räumt ja auf mit all dem Kram von Taufen und Bußen und Beichten und Ehen, und was es an sogenannten Sakramenten sonst noch gibt!«

»Mit Verlaub,« sagte Warden, »nicht gegen die Grundlehren der Kirche kämpfen wir, sondern gegen die Verderbnis der Kirche; nicht abschaffen wollen wir die Grundlehren, sondern vielmehr festigen.«

»Ruhig, Pfaffe!« rief der Baron, »uns Laien ists ganz gleichgültig, was Ihr macht und wie Ihrs macht. Unser Beruf ists, die Welt von oben nach unten zu kehren, denn wenn alles drunter und drüber geht, dann leben wir am lustigsten.«

Warden wäre ihm die Antwort hierauf wohl kaum schuldig geblieben, aber der Baron ließ ihm keine Zeit dazu, sondern schlug mit dem Dolch auf den Tisch und rief:

»Heda, ihr langsamen Schufte! tragt das Essen auf! Seht Ihr denn nicht, daß der fromme Mann ganz ausgehungert ist? Habt Ihr je von einem Pfaffen gehört, der nicht fünfmal am Tage gefuttert hätte?«

Die Diener brachten mehrere dampfende Schüsseln herein, in denen große Stücke Rindfleisch, teils gebraten, teils gekocht, lagen, aber ohne alle Zutat, ohne Gemüse sowohl als Brot, bloß ein paar Haferkuchen wurden in einem Korbe auf die Tafel gesetzt. Der Ritter hielt es für angemessen, sich bei Heinrich Warden deshalb zu entschuldigen.

»Ihr seid von jemand, den wir außerordentlich achten und schätzen, unsrer Fürsorge empfohlen, Herr Prediger, da dies nun doch einmal Euer Titel ist,« sagte Julian von Avenel.

»Ich bin der Zuversicht, daß der edle Lord ...« sagte Warden.

»Pst, pst!« fiel ihm der Ritter in die Rede, »was brauchen Namen genannt zu werden? Wir verstehen einander ja doch! Ich wollte bloß erwähnen, daß er Euch unsrer Hut empfiehlt. Nun, was diesen Punkt anbetrifft, so braucht Ihr ja bloß auf unsre Mauern und auf den See um unsre Burg herum zu blicken; aber der Lord legt uns auch ans Herz, für Eure Bequemlichkeit zu sorgen. Und da muß ich Euch denn sagen, daß wir selbst kein Korn bauen, und daß sich Mehlsäcke aus dem Süden nicht so leicht wegschaffen lassen wie Rindvieh, denn Rindvieh hat Beine und läßt sich treiben, und Mehlsäcke wollen geschleppt sein.