Du allein bist die Veranlassung dazu gewesen, Du mußt also Aufklärung geben können über den Fall. Ich befehle Dir, mir auf der Stelle zu sagen, wie Du unsern Freund in solcher Weise aufzuregen vermochtest. Wir dulden nicht, daß unsre Gäste in unsrer Gegenwart durch unsre Vasallen in solche an Wahnsinn streifende Aufregung versetzt werden, während wir selbst nicht einmal die Mittel kennen, wodurch solches bewerkstelligt wurde.«

»Bei meinem Leben, heiliger Vater,« rief Halbert Glendinning, »ich habe dem Ritter weiter nichts gezeigt, als dieses Ding hier,« erwiderte Halbert, indem er die Nadel dem Abte übergab, der sie mit aufmerksamen Blicken betrachtete und dann mit Kopfschütteln, ohne jedoch ein Wort hinzuzusetzen, dem Unterprior einhändigte.

Pater Eustachius betrachtete das geheimnisvolle Ding ebenfalls auf das aufmerksamste, dann sprach er ernst und gemessen zu Halbert:

»Junger Mann, sofern Du in dieser Sache nicht eines merkwürdigen Betruges verdächtig bleiben willst, so laß uns unverzüglich wissen, auf welche Weise Du in den Besitz dieses Gegenstandes gelangt bist, und wie es kommt, daß es auf den Ritter von solch merkwürdigem Einfluß ist?«

Es wäre bei dem zur damaligen Zeit herrschenden Aberglauben eine sehr schlimme Sache für Halbert gewesen, wenn er auf solche verfängliche Frage die Antwort hätte verweigern, noch schlimmer aber, wenn er die Wahrheit hätte sagen wollen. Wäre er zu unsrer Zeit mit dem schlimmen Rufe eines gemeingefährlichen Lügners weggekommen, so wäre ihm damals der Brandpfahl im Falle, daß er die Wahrheit gesagt hätte, unbedingt sicher gewesen, während er sich, wollte er die Auskunft weigern, der peinlichen Befragung hätte versehen können. Zum Glück erlöste ihn die Rückkehr des Ritters aus dieser höchst gefahrvollen Lage. Derselbe hatte die Worte des Priors bei seinem Eintritt noch vernommen, und ohne abzuwarten, ob und was Halbert noch etwa antworten werde, flüsterte er diesem im Vorbeigehen zu: »Schweig! Die gewünschte Genugtuung soll Dir nicht vorenthalten bleiben.«

Hierauf setzte er sich wieder auf seinen Platz, und wenngleich die Spuren seiner Verwirrung noch immer auf seiner Stirn zu lesen standen, so hatte er sich allem Anschein nach wieder gefaßt und beruhigt und entschuldigte sich, nachdem er sich umgesehen hatte, wegen des unmanierlichen Verhaltens, dessen er sich schuldig gemacht hatte, das er aber einem plötzlichen Unwohlsein heftiger Art, von dem er öfter einmal befallen werde, zuschrieb. Alle schwiegen und sahen einander voll Verwunderung an. Der Abt hieß nun alle bis auf den Ritter und den Unterprior das Gemach verlassen.

»Habt acht auf den eigenwilligen Jüngling,« schärfte er den Klosterbrüdern ein, »daß er uns nicht entrinne, denn sofern er durch Zauberwerk oder auf irgend welche andre, wider kirchliches Recht verstoßende Weise der Gesundheit unseres vornehmen Gastes zu nahe getreten sein sollte, so schwöre ich bei dem Chorhemd und der Inful, die ich trage, daß er maßlose Strafe erleiden soll.«

»Gnädiger Herr und hochwürdiger Vater,« sagte Halbert, indem er sich tief verneigte, »fürchtet nicht, daß ich gesonnen sei, mich dem Gericht zu entziehen, wenn es sein Urteil sprechen sollte über mein Tun und Lassen, hoffentlich wird Euer Gast selbst angeben können, was ihn in solche Unruhe versetzt hat, wie auch mir Zeugnis ausstellen darüber, wie gering meine Schuld bei dem ganzen Vorfall ist.«

»Sei ohne Sorge,« erwiderte, ohne jedoch aufzublicken, der Ritter. »Ich werde dem Lord-Abt Erklärungen zufriedenstellender Art geben.«

Nach diesen Worten zog sich die Familie Glendearg mit Halbert und den Klosterbrüdern zurück. Der erste, welcher das Wort ergriff, als der Abt allein war mit dem Ritter und dem Unterprior, war der letztere.

»Klärt uns darüber auf, edler Herr,« begann er, »auf welche Weise dieses gebrechliche Ding im stande hat sein können, Euer Gemüt so aufzuregen und Eure Geduld so zu erschöpfen, was uns um so mehr befremden muß, als Ihr Euch doch gegen jede Herausforderung des eigentümlichen Jünglings so gänzlich unnahbar erwieset?«

Der Ritter nahm die silberne Nadel aus der Hand des frommen Paters, beaugenscheinigte sie mit großer Ruhe und gab sie hierauf dem Prior mit den Worten wieder:

»Ich muß mich wirklich wundern, ehrwürdiger Vater, daß die mit Eurem Silberhaar verbundne Weisheit auf falscher Fährte, entschuldiget bitte diesen Vergleich, anschlagen kann wie ein kläffender Hund. Ich müßte ja leichter in Bewegung zu versetzen sein wie Espenlaub im Windeshauch, wenn solche Lappalie mich aus der Fassung bringen sollte. Ich schere mich, das dürft Ihr mir glauben, hochwürdige Herren, nicht mehr darum, als wenn dieselbe Menge Silber zu Groschen geschlagen würde. Die ganze Sache liegt bloß an einer schweren Krankheit, der ich von Kindheit an unterworfen bin und die mich eben wieder vor Euren Augen befallen hat. Aber so qualvoll das Leiden auch ist, es geht glücklicherweise, wie Ihr ja selbst seht, schnell vorüber.«

»Alles, was Ihr uns da sagt, Herr Ritter, kann den Jüngling nicht entschuldigen, der Euch dieses silberne Spielzeug in der Absicht, Euch an etwas, und wie wir annehmen müssen, etwas recht Unangenehmes, zu erinnern, vor Augen hielt,« bemerkte der Unterprior, sich niedersetzend.

»Euer Ehrwürden mögen meinen, was Euch beliebt,« versetzte der Ritter. »Ich kann doch deshalb nicht Euch zu Liebe sagen, daß Ihr mit Eurem Urteil Euch auf der richtigen Fährte befändet, wenn es doch die falsche ist. Es liegt mir doch wohl nicht die Verpflichtung ob, Rechenschaft über das Beginnen eines naseweisen jungen Menschen zu geben?«

»Keinesfalls wollen wir eine Untersuchung weiter ausdehnen,« erwiderte der Unterprior, »die unserm Gaste mißfällt. Immerhin kann aus diesem Vorfall,« fuhr er fort, sich an den Abt wendend, »für Eure Herrlichkeit sich die Notwendigkeit ergeben, für unsern ehrenwerten Gast einen andern interimistischen Aufenthalt ins Auge zu fassen, als diesen Turm, wenn es vielleicht auch seine Schwierigkeit haben wird, die beiden Bedingungen Verborgenheit und Sicherheit, die bei den zurzeit in England herrschenden Verhältnissen als Hauptsachen in Betracht kommen, ebenso gut zu erfüllen wie hier.«

»Der Zweifel, den Ihr da aussprecht, lieber Amtsbruder,« erwiderte der Abt, »ist freilich am Platze; ich wünschte nur, er wäre ebenso rasch beseitigt wie aufgeworfen. Ich meinesteils kenne im ganzen Klostersprengel keinen Zufluchtsort, der so günstig gelegen wäre wie Glendearg, und doch möchte ich ihn unserm werten Gaste nicht weiter empfehlen, eben um des Betragens willen, das dieser eigenwillige Bursche an den Tag legt.«

»Genug dieser Worte, Ihr hochwürdigen Herren,« nahm jetzt der Ritter das Wort; »wenn mir die Wahl freisteht, so bleibe ich hier in diesem Turme, das erkläre ich bei meiner Ehre. Mir ist der junge Mensch wirklich nicht deshalb zu wider, weil er einige Funken von Geist gezeigt hat, und weil sich diese Funken auf meinem Haupt entzündet haben. Im Gegenteil zolle ich dem Burschen deshalb einen gewissen Grad von Achtung. Deshalb spreche ich den Wunsch aus, hier zu bleiben und den jungen Menschen bei mir zu behalten. Er mag mir auf der Jagd behilflich sein. Da er solch guter Schütze ist, meine ich, werden wir uns bald zusammen befreunden. Mir wird es dann bald möglich sein, dem gnädigen Herrn Abt einen recht feisten Hirsch für seine Küche zu schicken, so kunstgerecht geschossen, daß selbst Euer Pater Küchenmeister kein Untätchen daran findet.«

Dies alles wurde von dem Ritter mit solchem Anschein von Ruhe und guter Laune gesprochen, daß der Abt über den Vorfall nichts weiter mehr äußerte, sondern seinen Gast von all den Dingen, wie Teppichen, Decken, Gerätschaften ec., die er ihm zur Erhöhung seiner Bequemlichkeit nach dem Turme schicken wolle, vorplauderte, und zwar so lange, bis er geruhte, Befehl zum Satteln der Pferde für die Heimkehr zu erteilen. Dann befahl er dem Ritter noch alle Vorsicht, da ja die englischen Grenzreiter leicht bei der Hand sein könnten, Jagd auf ihn zu machen. Dann erfüllte er noch all die Pflichten der Höflichkeit, die ihm oblagen, dann setzte er sich mühsam, unter mancherlei Seufzern, die stark an Stöhnen erinnerten, auf seinen Zelter, dessen purpurne Decke bis auf den Erdboden reichte, und begann in mäßigem Trabe den Heimritt. Der Unterprior warf noch, ehe er dem Abte folgte, auf Halbert, der halb versteckt hinter der äußern Hofwand lehnte, ein paar strenge, warnende Blicke, dann hob er, ihm Lebewohl bedeutend, den Finger gegen ihn auf und ritt mit den andern Klosterbrüdern hinter seinem Obern her in das Tal hinunter.

Drittes Kapitel.

Halbert Glendinning ging der warnende Blick des Unterpriors tief zu Herzen, denn wenn ihm auch aus dem Unterricht des wackern Klosterherrn geringerer Nutzen erwachsen war als seinem Bruder Edward, so war doch sein Gemüt von der lautersten Ehrfurcht vor ihm erfüllt, und wenn ihm auch nur wenig Zeit geblieben war, die Lage, in die er durch die gegen den Ritter ausgestoßene Beleidigung geraten war, zu überdenken, so war ihm doch wenigstens das eine klar geworden, daß er den Ritter tödlich beleidigt hatte, und daß er alle Folgen dieser Handlung über sich ergehen lassen müsse.

Um nun diese Folgen nicht durch unzeitige Erneuerung des Zwistes schneller über sich zu bringen, als es die Umstände notwendig machten, hielt er es für geraten, sich auf die Zeit von einer Stunde zu entfernen, und mit sich darüber zu Rate zu gehen, wie er sich diesem hochmütigen Gaste gegenüber hinfort am besten verhalte; und bei Ausführung dieser Absicht kam ihm der Umstand vorteilhaft zu statten, daß alle Glieder des kleinen Haushalts sich, sobald sich der Abt entfernt hatte, wieder an ihre Hausarbeit begaben, so daß es nicht den Anschein weckte, als ob er dem Fremden mit Vorsatz aus dem Wege ginge. Er machte sich also auf den Weg in die enge Ebene hinunter, die sich zwischen dem Hügel, auf dem der Turm stand, und der ersten Windung, die das Bett des Baches machte, hinzog. Hier meinte er, sich in einem kleinen Birken-und Eichendickicht vor beobachtenden Blicken eine Zeitlang schützen zu können. Aber er war kaum zu dieser Stelle gelangt, als er einen leichten Schlag fühlte, und, wie er sich umsah, den Ritter vor sich stehen sah.

Es kann uns, wenn es mit unserm Mute, gleichviel ob aus Mangel an Vertrauen in unsre Körperkraft oder in die Gerechtigkeit der Sache, die wir vertreten, nicht sonderlich beschaffen ist, nichts in stärkerm Grade aus der Fassung bringen, als wenn wir unsern Gegner mit recht vergnügter Miene auf uns zutreten sehen.