Halbert seinerseits war vorsichtig genug, einen Gegner nicht zu drängen, dessen Gewandtheit ihn mehr denn einmal in den Sand gestreckt hätte, wäre er nicht so außerordentlich auf seiner Hut gewesen. Nach ein paar weitern Gängen trat eine Pause ein, und beide Kämpfer senkten, wie wenn sie es verabredet hätten, gleichzeitig die Spitzen ihrer Schwerter, um einander, ohne daß einer ein Wort gesprochen hätte, mit den Blicken zu messen. Endlich nahm Halbert, der wegen seiner Angehörigen wohl allmählich von stärkerer Unruhe befallen werden mochte, nachdem er Gelegenheit gehabt hatte, die Stärke und Gewandtheit seines Gegners zu erproben, das Wort zu der Frage:

»Ist denn, Herr Ritter, der Gegenstand unsers Zwistes wirklich so ernster Natur, daß einer von unsern Leibern dieses Grab unbedingt füllen muß? sollten wir nicht besser tun, als Freunde heimzukehren, nachdem wir die Stärke unsrer Waffen beiderseits gemessen haben?«

»Mein tapfrer Junker,« antwortete Sir Piercie, »keinem Erdensohne hättet Ihr solche Ehrenfrage schicklicher vorlegen können, der die gleiche Fähigkeit besessen hätte wie ich, sie zu beantworten. Laßt uns um einen Stoß pausieren, damit ich Euch sagen kann, wie meine Meinung über den Streit ist, in welchem wir beide liegen. Denn soviel ist gewiß, daß sich tapfre Männer nicht in den Tod stürzen wie wilde Bestien, sondern einander mit Raisen, unter Wahrung von Anstand und Schicklichkeit, umbringen sollen. Treten wir also mit Kälte und Ruhe an diese Untersuchung unsers Zwistes heran, so wird sich leichter ermessen lassen, ob einer von uns, und welcher, durch die drei Schwestern verurteilt worden ist, den Zwist mit seinem Blute zu büßen. Verstehst Du den Sinn meiner Rede?«

»Ich habe den Pater Eustachius von den drei Furien sprechen hören,« antwortete Halbert nach kurzem Besinnen, »die mit Faden und Schere arbeiten.«

»Genug, genug!« fiel ihm Sir Piercie grimmig ins Wort, »Dein Lebensfaden ist gesponnen.«

Mit diesen Worten warf er sich mit äußerstem Ungestüm auf den Jüngling, dem kaum Zeit genug blieb, sich in Verteidigungsstand zu setzen. Aber wie so häufig bemerkt wird und bemerkt worden ist, infolge der unbesonnenen Wut des angreifenden Teiles kam der angegriffene in unvermuteten Vorteil, denn gerade als der Ritter einen verzweifelten Stoß führte, beugte Halbert sich vor und versetzte, ehe der Ritter sich seiner Waffe wieder bedienen konnte, ihm eine, um in seiner Blumensprache zu reden, Stoccata par excellence, die ihm mitten durch den Leib fuhr, so daß er wie eine Planke zu Boden schlug.

Fünftes Kapitel.

Halbert wurde, als er den Ritter auf den Rasen hingestreckt sah, aus dessen Leib das dunkelrote Blut hervorquellte, wie wenn ein Pumpwerk darin arbeitete, von so wildem Schreck gepackt, daß er sein Schwert auf den Boden und sich auf die Knie warf, um dem Verwundeten beizustehen und die Wunde zu verstopfen, die allem Anschein nach mehr äußerlich als innerlich ihren Sitz zu haben schien.

In den Zwischenräumen der Ohnmacht, die den Ritter befiel, sprach derselbe in der ihm eignen affektierten Weise, die jetzt mehr als sonst auf seine eitle, wenn vielleicht auch nicht unedle Seele schließen ließ:

»Du bäurischer Knabe, Deine glückliche Hand hat über ritterliche Kunst obgesiegt, Kühnheit hat Herablassung überwunden. Es kommt ja vor auch im Leben der Natur, daß der gemeine Habicht den Edelfalken überfällt und zerreißt. Fliehe, Knabe, und rette Dich! Nimm aus der untern Tasche meines Beinkleids meine Börse und bring Dich in Sicherheit! Was Du an Geld darin findest, ist für einen Bauern nicht zu verachten. Aber eines vergiß nicht! meine Koffer sollen mit meinen Kleidern ins Liebfrauenkloster geschafft werden.«

Hier wurde seine Stimme schwächer, und es schien, wie wenn Gedächtnis und Besinnung von ihm schwänden.

»Seid guten Muts, Herr Ritter,« sagte Halbert, der außer sich war vor Gewissensbissen; »ich glaube bestimmt, es wird noch alles gut gehen ... ach! wäre doch nur ein Wundarzt zur Stelle!«

»Und wären zwei Dutzend Aerzte zur Stelle, so wäre ich doch nicht mehr zu kurieren, denn sieh, mein Leben entflieht ja in Strömen. Grüße die ländliche Nymphe noch bestens von mir, die ich meine Protektion nannte ... o, Du wahrhaftige Kaiserin dieses nunmehr im Ernste blutenden Herzens! Aber Du, bäurischer Sieger, lege mich lang auf den Boden! wer hätte es Dir wohl an der Wiege fingen sollen, daß es Dir beschieden sein sollte, den Stolz alles flammenden Lichts am Hofe Felicias auszulöschen! ... o, ihr Heiligen und Engel! ihr Ritter und Edeldamen! Masken und Schaubühnen! witzige Sinnsprüche! Kettenwerk und Stickerei! Liebe, Ehre und Schönheit!«

Dieweil der ritterliche Sir Piercie Shafton diese letzten Worte lispelte, die ihm ohne allen Zweifel unwillkürlich entschlüpften, als er der Herrlichkeit des englischen Hofes gedachte, streckte er die Glieder aus, stöhnte tief auf, schloß die Augen und lag regungslos da.

Der Sieger raufte sich das Haar vor Schmerz, als er das bleiche Antlitz seines Schlachtopfers erblickte. Wenn auch das Leben noch nicht ganz aus dem Körper gewichen war, so sah er sich doch ohne andre Hilfe außer stande, es zu erhalten. Er verwünschte sich und die blutige Tat; er fluchte dem unheilkündenden Platze, den er, trotzdem er wußte, daß er einer Hexe oder dem Teufel selbst als Aufenthalt diente, als Stätte für die Austragung des Zweikampfes erwählt hatte; an jedem andern Orte, mußte er sich sagen, hätte er Hilfe herbeischaffen können, entweder durch die Schnelligkeit seiner Füße oder durch die Macht seiner Stimme; aber hätte er hier gerufen, wen anders hätte er erreichen können als den bösen Geist, der ihm dieses Unheil angeraten? ... Und nun rief er und schrie den dem Leser bekannten Zauberspruch ... aber nichts ließ sich hören oder sehen, weder eine Erscheinung noch ein Laut oder Zeichen. »Hexe! Zauberin! böser Feind!« erklang es aus seinem Munde; »bist Du taub? und doch warst Du so bereit, meinem Worte zu gehorchen und auf den Ruf nach Rache zu antworten? ... Nun, auf und rede! rede, wenn Du es nicht erleben willst, daß ich Deine Quelle verstopfe, Deinen Dornbusch ausreiße und Deine Behausung zur Wüstenei wandle!«

Da! was erklang dort aus der Ferne? vom Eingange der Schlucht her? Ein Ruf war es, der sich ähnlich anhörte, wie ein Halloh!

»Heilige Jungfrau, sei gepriesen!« rief der Jüngling, »ich höre die Stimme eines lebendigen Menschen, der mir in dieser furchtbaren Not raten und helfen kann.«

Und der Stimme von Zeit zu Zeit durch ein Halloh antwortend, stürzte er, wie ein gehetztes Reh, den rauhen Pfad hinunter, und in einer Frist, unglaublich kurz für jeden andern, als einen Bewohner schottischer Berge, erreichte der Jüngling den von einem kleinen Bache durchströmten Eingang zur Schlucht Corrinan-Shinan.

Hier blieb er stehen und ließ den Blick nach allen Richtungen hin durch das Tal schweifen, war aber außer stande, ein menschliches Wesen zu entdecken. Schon verlor er den Mut, aber im andern Augenblicke sagte er sich, daß ja die Krümmungen, die das Tal bildete, den Blick hemmten, und daß der Mensch, dessen Stimme er gehört habe, noch gar nicht bis zu ihm gelangt, geschweige schon sichtbar für ihn sein könne. Dicht neben ihm reckte eine Eiche ihren kräftigen Stamm empor. Mit einem Sprunge hatte der Jüngling den niedrigsten Ast erfaßt und kletterte, wie ein Eichkätzchen so flink, an dem Baum empor. Und von dieser hohen Warte aus konnte er ganz deutlich eine menschliche Gestalt sehen, die das Tal herab geschritten kam. Sie sah weder aus wie ein Schäfer noch wie ein Jäger, und doch pflegte sonst niemand durch diese Oedenei zu wandern, besonders nicht auf dem Pfade von Norden her, denn der Bach entsprang aus einem in dieser Richtung gelegnen weiten und höchst gefahrvollen Moraste.

Halbert Glendinning hielt sich nicht auf mit Erwägungen, wer der Wanderer sein könne und was ihn in diese unwegsamen Ländereien führe. Ihm war es genug, zu wissen, daß ein Mensch, der ihm vielleicht helfen könne, in der Nähe sei. Im Nu war er wieder unten auf dem Erdboden und wieder in einem Nu war er um die Biegung herum gerannt, die das Tal hier bildete; und als er nun am Ende desselben stand und von neuem den Blick hinausschweifen ließ, und wiederum nichts erblickte, da war es ihm zu Mute, als sei er vom Schicksal genarrt worden, als sei die Gestalt, die er gesehen zu haben meinte, ein leeres Luftgebilde gewesen, oder die Ausgeburt seiner überhitzten Phantasie.

Aber als er sich jetzt um den Fuß eines gewaltigen Felsblocks herum wand, da sah er zu seiner ganz unsäglichen Freude auf dem schmalen Pfade, der kaum einem Wanderer Raum bot, plötzlich vor sich einen Mann stehen, dessen Tracht auf einen Pilgrim zu deuten schien.

Es war ein Greis, schon ziemlich hoch an Jahren, mit langem Bart, mit breitem Hut mit niedergeschlagner Krempe auf dem Haupte, in einem Kittel aus schwarzer Sersche, mit einem die Arme verdeckenden Oberteil, das im übrigen ganz ohne Falten auf den Leib herniederfiel. An der Seite trug er eine kleine Flasche und eine Tasche, in der Hand hielt er einen derben Stock. Er ging langsamen Schrittes, wie jemand, der bereits eine lange Wanderung hinter sich hat.

»Grüß Gott, Vater!« sprach der Jüngling, »Gott und die heilige Jungfrau haben Euch hergesandt, mir zu Beistand und Hilfe.«

»Und wie könnte solch schwaches Geschöpf wie ich Euch eine Hilfe sein?« erwiderte der Greis, der nicht minder überrascht war, einen so rüstigen Jüngling vor sich zu sehen, dessen Züge von Angst erfüllt und dessen Hände mit Blut besudelt waren.

»Es verblutet sich ein Mensch hier unten im Tale!« sagte Halbert.