Wenn Fischer, Hirten, Holzsammlerinnen aus dem nahen Saillet-Wäldchen, vom Gewitter überrascht, in Massabielle Zuflucht suchen, so pflegen sie ein Kreuz zu schlagen.

François Soubirous ist kein altes Weib, sondern ein vom Leben geprüfter Mann, den Schauergeschichten nicht besonders schrecken. Auf der Landzunge zwischen Gave und Savy-Bach hat er sein Gefährt angehalten. Er klettert vom Bock und überlegt, wo und wie er seinen Auftrag am schnellsten erfüllen könne. Vielleicht wäre es gut, die Fuhre durch den seichten Bach zu lenken und den Spitalsunrat in der Grotte zu verbrennen, wo das Zeug schneller Feuer fängt als draußen in der Luft. Soubirous zögert. Der alte, morsche Wagen könnte durch die spitzen Steine im Bach Schaden nehmen.

François ist kein Mann der raschen Entscheidungen. Er kratzt sich den Kopf, als sein Ohr auf ein dumpfes Gegrunze aufmerksam wird, in das sich rauhe Laute mischen. Dort, das ist Leyrisse, der Schweinehirt. Er kommt ans Ufer gerannt, während sich seine schwarzen Säue in dem kleinen Morast zwischen Massabielle und dem Gemeindeforst wälzen. Auch Leyrisse ist ein von Gott geschlagener Mann. Soubirous verachtet ihn nicht wenig. Denn erstens ist Leyrisse ein Kretin, zweitens hat er einen Wolfsrachen, bellt und heult daher, wenn er redet, und drittens hütet er die Schweine der ganzen Gegend, was der gelernte Müller Soubirous für ungefähr die niedrigste Profession auf Erden hält. Leyrisse ist ein kleiner, stämmiger Bursche mit einem allzugroßen Rotkopf auf dem Blähhals. Seine Gestalt ist von Kopf zu Fuß in Felle gewickelt. Er gleicht einem fest verschnürten Paket. (Schuldirektor Clarens meint, der Urmensch der Pyrenäen müsse ausgesehen haben wie Leyrisse.) Erregte Zeichen macht er zu Soubirous hin. Der Sauhirt ist immer erregt, wie all jene Unglücklichen, die sich durch eine Sprachstörung nur schwer verständlich machen können. Der Müller winkt ihn zu sich. Leyrisse durchwatet den Bach mit großen Schritten, als sei kein Wasser darin. Sein zottiger Hund folgt ihm, nicht minder erregt als der Herr.

»He, Leyrisse!« ruft Soubirous dem Hirten zu. »Willst du mir helfen?«

Leyrisse ist ein gutmütiges Wesen, dessen größter Ehrgeiz darin besteht, wo es nur kann, seine Brauchbarkeit und Lebenstüchtigkeit zu beweisen. Mit starken Armen hebt er die Kisten vom Wagen und trägt sie, wie Soubirous befiehlt, zur äußersten Spitze der Landzunge, wo er ihren Inhalt auf den Boden stürzt. Es erhebt sich eine übelriechende Pyramide aus blutiger Watte, eitrigen Verbandwickeln, schmutzigen Leinwandfetzen. Der Müller, an die reinlichste Arbeit gewöhnt und leicht von Ekel heimgesucht, zündet sich eine Pfeife an, um ein besseres Arom in die Nase zu bekommen. Er bildet sich ein, unter dem Unrat unaussprechliche Dinge erkannt zu haben, einen abgeschnittenen menschlichen Finger zum Beispiel. Rasch wirft er Leyrisse sein Päckchen mit den Schwefelhölzern zu, damit er den Haufen in Brand setze. Es ist schrecklich kalt geworden. Windstille herrscht. Der leicht entzündliche Graus lodert sofort auf. Hirt und Hund freuen sich, umtanzen das seltsame Opfer, dessen Qualm, vom Himmel günstig angenommen, kerzengerade emporsteigt.

Soubirous hat sich auf einen Stein niedergelassen, schweigt, sieht zu. Nach einer Weile setzt sich der gute Sauhirt an seine Seite. Er zieht ein Schwarzbrot aus dem Proviantbeutel und ein Stück Speck. Er schneidet von beiden zwei gleiche Portionen ab. Mit belfernder Liebenswürdigkeit bietet er Soubirous seinen Teil an. Dieser greift mit Heißhunger nach der würzigen Speise, der ersten dieses Tags. Schnell aber beherrscht er sich und beginnt langsam nachdenklich zu kauen, wie es sich für einen ehrsamen Mühlenbesitzer ziemt, der so hoch über dem Schweinehüter und Dorfkretin steht.