Eigentlich war es für den 14. verabredet, da aber die Deutschen in diesen Tagen immer mehr Juden aufriefen und allgemein große Unruhe herrschte, sind sie lieber einen Tag früher gegangen als zu spät. Morgens um ½10 - wir waren noch beim Frühstück - kam Peter v. Daan, ein ziemlich langweiliger und verlegener Bursche von 16 Jahren, von dessen Gesellschaft ich mir nicht viel verspreche. Eine halbe Stunde später erschien dann das Ehepaar v. Daan, sie zu unser aller Vergnügen mit ihrem Nachttopf in der Hutschachtel. »Ohne Nachttopf kann ich nicht leben«, erklärte sie, und das gute Stück wurde gleich unterm Bett placiert. Er brachte keinen Nachttopf, aber einen zusammenklappbaren Teetisch unter dem Arm mit. Wir saßen dann am ersten Tag gemütlich beisammen, und nach drei Tagen hatten wir das Gefühl, als wären wir immer eine große Familie gewesen. Selbstverständlich hatten v. Daans in der Woche, die sie noch unter den Menschen verbracht hatten, viel erlebt und erzählten uns alles. Uns interessierte besonders, was aus unserer Wohnung und mit Herrn Goudsmit geworden war.
Und v. Daan erzählte: »Montag früh um 9 Uhr rief Goudsmit an und bat mich herüberzukommen. Er zeigte mir den Zettel, den Sie zurückgelassen hatten (daß er die Katze wegbringen sollte). Er hatte große Angst vor einer Haussuchung, und darum deckten wir den Tisch ab und räumten ein bißchen auf. Plötzlich entdeckte ich eine Notiz auf dem Kalender von Frau Franks Schreibtisch mit einer Adresse in Maastricht. Ich wußte natürlich, daß diese ›Nachlässigkeit‹ Absicht gewesen war, tat aber sehr erstaunt und erschreckt und bat Herrn Goudsmit dringend, dieses unglückselige Papier zu verbrennen. Die ganze Zeit blieb ich dabei, daß ich keine Ahnung gehabt hatte von Ihrer Absicht zu verschwinden. Plötzlich dämmerte es bei mir. ›Herr Goudsmit‹, sagte ich, ›nun fällt mir plötzlich ein, worauf diese Adresse sich beziehen kann. Vor ungefähr einem halben Jahr war bei uns im Büro ein hoher deutscher Offizier, der ein Jugendfreund von Herrn Frank gewesen ist. Er versprach, ihm zu helfen, wenn es hier für ihn gefährlich werden sollte. Dieser Mann war in Maastricht stationiert. Ich nehme an, er hat Wort gehalten und wird Franks nun nach Belgien und von dort aus zu ihren Verwandten in die Schweiz bringen. Den guten Bekannten von Franks, die nach ihnen fragen, können Sie das auch ruhig sagen, aber erwähnen Sie bitte nur nicht Maastricht.‹ Dann ging ich. Die meisten wissen es nun auch schon, und mir ist es schon verschiedentlich in dieser Version wiedererzählt worden.«
Wir fanden die Geschichte köstlich und lachten herzlich über die Einbildungskraft der Menschen. So will eine Familie uns gesehen haben, als wir alle zusammen frühmorgens per Rad losfuhren. Eine andere Dame wußte bestimmt, daß wir mitten in der Nacht von einem Militärauto abgeholt worden waren.
Freitag, 21. August 1942
Liebe Kitty!
Unser Schlupfwinkel ist nun ein richtiges Versteck geworden. Herr Kraler hatte die gute Idee, die Eingangstür zu unserem Hinterhaus zu verbauen, weil so viele Haussuchungen nach Fahrrädern gehalten werden.
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