Geben Sie mir telegraphisch Nachricht, welchen Zug nach Birlstone Sie heute vormittag nehmen können; ich hole Sie dann ab – oder lasse Sie abholen, falls ich zu beschäftigt sein sollte. Der Fall ist ein Knaller. Verlieren Sie keinen Augenblick, und machen Sie sich auf den Weg. Wenn Sie können, bringen Sie bitte Mr. Holmes mit, er wird hier nämlich was finden, das ganz nach seinem Geschmack ist. Man könnte meinen, das Ganze sei eine effektvoll gestellte Szene fürs Theater, wenn es da nicht mittendrin einen Toten gäbe. Ich sag’s Ihnen, wirklich ein Knaller!«

»Ihr Freund scheint kein Dummkopf zu sein«, bemerkte Holmes.

»Nein, Sir; White Mason ist sehr auf Draht, wenn ich nicht ganz danebenliege.«

»Schön, haben Sie noch etwas?«

»Nur, daß er uns alle Einzelheiten am Treffpunkt mitteilen wird.«

»Wie haben Sie dann von Mr. Douglas erfahren und der Tatsache, daß er auf schreckliche Weise ermordet worden ist?«

»Das steht im beigefügten offiziellen Bericht. Natürlich ohne den Zusatz ›auf schreckliche Weise‹. Das ist kein amtlich gültiger Ausdruck. Der Bericht gibt den Namen John Douglas an. Er meldet, daß sein Schädel Verletzungen aufweist, die vom Schuß einer Schrotflinte stammen. Ferner gibt er den Zeitpunkt an, zu dem Alarm geschlagen wurde: kurz vor Mitternacht. Und er fügt noch hinzu, daß es sich zweifellos um einen Mordfall handelt, daß aber bisher noch keine Festnahme erfolgt ist und daß dieser Fall einige sehr verwirrende und außergewöhnliche Merkmale aufweist. Das ist absolut alles, was wir momentan haben, Mr. Holmes.«

»Dann wollen wir es, mit Ihrer Erlaubnis, dabei belassen, Mr. Mac. Die Versuchung, aufgrund unzulänglicher Daten vorschnelle Theorien aufzustellen, ist der Fluch unseres Berufes. Vorläufig sehe ich nur zweierlei mit Gewißheit: ein großes Gehirn in London und einen toten Mann in Sussex. Die Verbindung dazwischen, die werden wir aufspüren.«

3. Die Tragödie von Birlstone

Und nun bitte ich um die Erlaubnis, meine unbedeutende Person einen Augenblick lang auszuklammern und die Ereignisse, die sich vor unserer Ankunft am Schauplatz abgespielt haben, im Licht unserer späteren Erkenntnisse zu schildern. Denn nur so kann ich dem Leser zu einer richtigen Vorstellung von den beteiligten Personen sowie der bizarren Kulisse, vor der ihr Schicksal seinen Lauf nahm, verhelfen.

Das Dorf Birlstone besteht aus einer kleinen Gruppe sehr alter Fachwerkhäuser an der Nordgrenze der Grafschaft Sussex. Jahrhundertelang war es unverändert geblieben, aber während der letzten paar Jahre haben sein pittoreskes Erscheinungsbild und seine Lage eine Anzahl wohlhabender Leute angelockt, die sich hier niederließen und deren Villen aus den umliegenden Wäldern hervorlugen. Geographisch darf man diese Wälder noch zum äußersten Zipfel des großen Weald-Forstes13 zählen, der sich gegen die Kreidehügel der North Downs14 hin immer mehr lichtet. Mehrere kleine Läden wurden eröffnet, um den Bedürfnissen der angewachsenen Bevölkerung entgegenzukommen, so daß Birlstone offenbar einige Aussicht hat, sich schnell von einem alten Dorf zu einer modernen Stadt zu entwickeln. Es bildet das Zentrum eines ansehnlichen Gebiets in diesem Landstrich, da die nächstgelegene Ortschaft von Bedeutung, Tunbridge Wells, zehn bis zwölf Meilen weiter im Osten und bereits jenseits der Grenze von Kent liegt.

Ungefähr eine halbe Meile vom Ort entfernt steht in einem alten Park, der für seine riesigen Buchen berühmt ist, das bejahrte Birlstone Manor House. Ein Teil dieses ehrwürdigen Gebäudes stammt noch aus der Zeit des ersten Kreuzzuges15, als Hugo de Capus16 im Zentrum des Landgutes, das ihm König Wilhelm der Rote übertragen hatte, eine kleine Feste errichtete. Diese wurde im Jahre 1543 durch Feuer zerstört, und als dann später, zur Zeit König James’ des Ersten17, auf den Ruinen des feudalen Schlosses ein Landhaus aus Ziegelsteinen errichtet wurde, verwendete man einige der rauchgeschwärzten Eckpfeiler mit. Das Manor House mit seinen vielen Giebeln und den Butzenscheiben18 sah fast noch genau so aus, wie es sein Erbauer im frühen siebzehnten Jahrhundert zurückgelassen hatte. Den äußeren der beiden Gräben, die das weiland wehrhafte Gebäude geschützt, hatte man austrocknen lassen; er erfüllte nun die bescheidene Funktion eines Gemüsegartens.