Jeder ist sich selbst der Nächste,
ein ehrlicher und anständiger Nächster wohlverstanden
– gehts damit einigermaßen, so ist schon ein artiger
Teufel geraten. Und dann: nur nicht bange werden, am wenigsten vor
sich selbst. Kann der Teufel Angst vor Teufeln haben? Ihr, die ihr
mit keinem Teufel tauschen wollt, tut es nur darum nicht, weil ihr
ein Haufen Angst seid und nicht wißt, daß der Teufel was
Ganzes ist. Was ihr wollt, das könnt ihr nicht, was ihr
müßt, das wollt ihr nicht – halbe Leute sind keine
Teufel. (Streckt die Hand hin.) Fassen
Sie zu und geben mir Ihre Hälfte, dafür kriegen Sie von
mir einen höllischen Schuß ab. Ich meinerseits –
was ich mit so 'ner schäbigen Hälfte wie Ihre bei mir
mach? (Schnäuzt sich mit der Hand und
streckt sie wieder hin.) So – und weg ist es!
Boll: Hören Sie auf mit dem
verfluchten Hokuspokus – pfui Teufel!
Elias: Und das Schätzchen
– es sieht ganz so aus, als obs mit halben Leuten nichts zu
tun haben mag.
Boll: Pah – – und
schließlich, warum sollt ich auch den blauen Boll ablegen.
Jeder ist sich selbst der Nächste.
Elias: Grade, grade – weg mit
dem blauen Boll, das wär' am Ende das Beste für ihn.
(Lacht.)
Boll: Was lachen Sie so dumm?
Elias: Ich freu' mich, daß ich
nicht der blaue Boll bin, bin bloß Elias, der Teufel, aber was
Ganzes, Gott sei Dank. Was Elias tut, das muß er tun, und was
Elias muß, das will er auch – denken Sie von mir was Sie
67 wollen und
wenn Sie denken, ich hab' vorhin zugehört, was da das
Schätzchen zu säuseln hatte, so stimmts. Da stand was im
Dunkeln und klang was wie: Boll muß, bald so, bald so.
Boll: Kam das so heraus?
Elias (zu
Grete): Etwa anders?
Grete: Ja, so kams heraus und so
stimmts.
Elias (zu
Grete): In dir, armes Särglein, hat sich was Totes
verkrochen – da ist der Elias am Platze, der hilft ihm wieder
auf die Beine. Hier, liebes Frauchen, hab ich schon manchem
geholfen, hier ist man wohlverwahrt. Ein schönes Zimmer und
müde sind Sie auch – schlaf dich aus und schweig dich
aus, was du willst. Nein, sagst du? Weißt du, was du
ausschlägst? Merk dir das – erst sehen, dann sagen. Sieh
und dann sag, dann ist Zeit, nein zu sagen, wenn dir Bett und
Kammer mißfallen. Da gehst du hin und schließt die
Tür hinter dir zu und morgen ist auch ein Tag. (Faßt sie, obwohl sie widerstrebt und schiebt sie ins
Haus.) Sachte, sachte, daß meine liebe Frau nicht
munter wird, geh leise geradeaus. (Zu Boll, der
aufgesprungen ist:) Doch vielleicht was gefällig von
meinem Gift? Ist nun zu spät, wir machen zu und hier ist kein
Quartier für so noble Leute wie der blaue Boll. (Schließt die Tür hinter sich, Boll steht im
Dunkeln.)
Boll: Weg mit Boll – und darf
nicht einmal fragen, ob er will oder muß? Hab ich nicht den
Zaum im Gebiß? Was hilfts – muß warten, bis er
zuckt und zeigt, wohin die Reise geht.
68 Virgin, Herr,
Holtfreter,
letzterer in devoter Haltung hinter dem Herrn.
Holtfreter: Hier wird die
Straße krumm und der Schein vom Markt schabt sich dünn.
Steht da nicht jemand?
Boll: Niemand sonst.
Virgin: Wir suchen die Elias'sche
Wirtschaft hierherum, können Sie uns nicht helfen?
Boll (klopft): Elias, he, Elias – Gäste!
Elias (aus
einem oberen Fenster): Nichts da, Herr Boll, Gäste
können sich feste auf die Socken machen.
Virgin: Was hör' ich –
Herr Boll, und steht hier im Dunkeln? (Zu dem
Herrn.) Derselbe Herr Boll, von dem Sie wohl noch wissen.
Sehen Sie, Herr Boll, der Herr ist hier fremd und möchte
übernachten – warum grade hier, das sieht wohl reichlich
mysteriös aus, aber er legt es ganz einfach auf eine
Gelegenheit an, dem guten Elias ein bißchen in sein leidiges
Gemüt zu langen. Wir von der Gemeinde und Elias sind Nachbarn
und – na, mein Gott . . .
Herr: Ich begrüße Sie,
Herr Boll. Sie halten vermutlich auch nicht viel von der Aussicht
auf Unterkommen bei Elias?
Boll: Setzen Sie das Palaver nur
getrost in Betrieb – Elias ist möglicherweise auch ein
Mensch.
Herr redet mit Elias.
Holtfreter (zu
Boll): Herr Boll – ach, Herr Boll, es geschehen Dinge
– Dinge, Herr Boll! Dieser Herr da, der unbekannte Herr
– wer, glauben Sie, mag das sein?
69
Boll: Na, wer schon?
Holtfreter: Kurz heraus: der
Herrgott selbst, einfach als pilgernder Mensch. Alle uns umfassend
in Teilhaftigkeit in – in – kurz: der Herr selbst. Ich
habs zuerst erkannt und tu mir was drauf zugute.
Boll: Wollen Sie, daß ich mich
darüber wundere? So was liegt massenweise in der Luft, die
Luft holts her, die Luft gibts heraus – – wenns
kein anderer ist, muß es wohl der Herrgott sein!
Virgin: Wissen Sie, Herr Boll, was
ich für Angst um Sie ausgestanden habe!
Boll: Viel Ehre, Herr Virgin, danke
ergebenst für so viel – na, für so viel
Teilhaftigkeit.
Virgin: Denken Sie, da wart ich
Stunde um Stunde auf den Kirchturmschlüssel – warte und
denke: ach, Gott, Herr Boll klettert im Turm herum und da
fällt er womöglich.
Boll: Oder stürzt?
Virgin: Oder stürzt –
ja, oder stürzt.
Boll: Sich herab . . . . .
Virgin: Niemand kann wissen, was
geschieht – Sie bewegten sich heute morgen so unüblich
in Rede und Gehaben, Herr Boll – wie halten Sie es mit dem
Schlüssel?
Boll: Der Schlüssel, ganz
recht! Aber sehen Sie, im Dunkeln weiß ich in meiner eigenen
Tasche nicht Bescheid, warten Sie bis morgen. (Für sich.) Einer sagt: weg mit Boll, der andre
denkt, er stürzt wie Donnerwetter und 70 Hagelschlag bums von der Turmspitze
– bin neugierig, wie Bolls Werden ausfällt.
Herr: Also finden wir uns hinein
– Elias ist offenbar ungeneigt, mir Gastfreundschaft zu
gewähren. (Zu Virgin:) Wohin
nun?
Boll: In die Kugel mit dem Herrn,
in die goldene Kugel, dahin wo ich selbst auf dem Wege bin. Sie
sind mein Gast, Herr, auch als Anonymus – ich danke der
Gelegenheit, den Herrn zum Behelf mit meinen Diensten einzuladen.
Darf ich mich glücklich schätzen, indem Sie
einwilligen?
Herr: Ja, Herr Boll, damit Ihre
Freundlichkeit nicht zuschanden wird, bin ich gerne
einverstanden.
Boll (für
sich): Grete hat den Teufel als Schlafkameraden, ich geh mit
dem Herrgott heim – man kann auf seltsame Gedanken
kommen.
71
Fünftes Bild
73 Gastzimmer im Hotel zur goldenen Kugel.
Otto Prunkhorst hinter Flaschen im
Sofa, ihm gegenüber Frau
Boll.
Frau Boll: Ja, Otto, wenn du mir
das so sagst, siehst du . . .
Otto: Überhaupt,
und . . . also mit einem Wort: überhaupt.
Frau Boll: Ich frage aber, was
sollen wir Frauen denn tun, wenn die Männer sich so was
herausnehmen – dabei meinst du noch zu, daß sie es ganz
arglos und in aller Unschuld tun.
Otto: Arglos, ganz richtig, es
stimmt nämlich. Männer sind immer argloser als Frauen
– sprechen wir eigentlich von speziellen Männern?
Frau Boll: Aber, Otto, wie du mit
Vergeßlichkeit kokettierst, kannst du denn noch immer dagegen
an bei so viel Wein, nicht?
Otto: So lange ich vernehmlich
bestellen kann, wird nicht aufgehört. Ja, was denkst du denn,
Martha, wie wir in Goldensee zusitzen? Bertha geht zu Bett, das tut
sie nun mal, das hat sie schon vor der Hochzeit so gemacht –
und so – was bleibt mir anderes übrig und wie kann ich
mich davon drücken, da muß ich das Aufsitzen selbst
besorgen und mit dem Rotspohn allein fertig werden.
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