Gott hatte ihn verlassen. Und nun lag er hier wie ein Wrack vom Sturm auf die Riffe geworfen.
Gott war fort. Vielleicht war Gott gestorben und war irgendwo im Himmel beerdigt. Auf seinem Stuhl saßen jetzt vielleicht ganz andere Götter.
Nur einen letzten Versuch wollte er noch machen, denn er wollte keine Geliebte, die sich heute dem und morgen dem anhängt. Wenn sie ihre Falschheit lassen wollte, wenn sie aufhören wollte zu lachen, gut, er wollte sich um diesen Preis auf der Stelle dem Teufel verschreiben, und eine Ewigkeit der Hölle immer zu ihren Füßen sitzen wie ein kleiner Dämon oder wie ein kleiner geflügelter Schmetterling ewig über den riesigen Gärten ihres Halses.
Der Mond kam ganz in die Stube.
Alle Gegenstände rückten zurück und schrumpften ein in seinem blauen Licht.
Aber das Gesicht der Monna Lisa wurde weit wie ein See.
Er ging auf sie zu und sagte: »Ich will dir verzeihen, ich will dich lieben, aber du mußt nicht mehr lachen.« Und um ihr Zeit zu lassen, ihr Gesicht zu verändern, drehte er sich um.
Auf einem Stuhle sah er seine Bibel. Er warf sie heraus aus dem Fenster und er hörte, wie sie unten aufklatschte. Dann ging er ans Fenster und streckte gegen Gott seine Zunge heraus.
Als er sich wieder zu ihr kehrte, war es noch um kein Haar besser. Er beschloß, stärkere Mittel anzuwenden, denn vor dem Eigensinn einer Frau durfte er sich nicht schwach zeigen.
Und auf einmal erkannte er, auf dem Munde eines Mannes war dieses Lachen eine Blasphemie, eine Unmöglichkeit.
Ach er verachtete sie, aber er liebte sie. Und er verachtete sich selber, daß er sie liebte, diese Hure, die es verstanden hatte, ihn, den Heiligen Gottes, in den Schlamm herunterzuziehen.
Aber nun war alles ganz egal, er liebte sie eben, und dagegen war nichts mehr zu machen.
Aber das Lachen mußte weg, dieses verfluchte Gelächter, das war ja schon nicht mehr zum Aushalten. Und er begann seine Beschwörung.
Wie ein Satan sprang er gegen das Bild vor, drei Sätze vor und drei Sätze zurück, seine Arme ruderten in der Luft, seine gekrümmten Hände standen wie ein paar Schnäbel über seinem Kopfe, und seine langen und verwüsteten Haare tanzten auf seinen dünnen Schultern. Bei jedem Sprunge knickte er etwas mit seinen Knien zusammen, und sein großer schwarzer Schatten tanzte neben ihm her an der Wand, immer drei Sätze vor und drei Sätze zurück, wie ein riesiges Känguruh.
Aber es half nichts.
»So«, dachte er endlich »du willst nicht, na, ich werde dir schon auf die Beine helfen. Du denkst wohl, ich bin dein Idiot. Na, ich werde dir die Sache schon beibringen.«
Er zündete das Licht vor ihr an und hielt es ihr unter die Nase, um sie ein bißchen zu kitzeln. Vielleicht würde sie nun endlich einmal schreien. Und sie schien auch ihr Gesicht etwas zu verziehen, aber nur als wenn sie ihre Lippen zu einem doppelten Grinsen auseinanderzöge, das seine vergebliche Anstrengung nur noch mehr verhöhnte.
Auf einmal warf er das Licht wieder fort. »Was habe ich getan«, dachte er, und er fiel vor ihr auf die Knie, er weinte vor ihr, und das Schluchzen schüttelte seine Schultern hin und her.
Und da auf einmal hörte er sie ganz laut lachen.
Und das verträgt kein Mann.
Seine ganze Liebe war weg. Er war plötzlich wie ein Stein. Er stand auf, suchte sich das Licht wieder hervor, und die kleine Flamme mit der Hand schützend, stieg er die Treppe herunter. Der Widerschein lief über sein Gesicht, es war rot und starr.
In der Küche unten suchte er sich ein großes Messer, lang und breit, so ein richtiges zum Fleischschneiden. Und dann ging er wieder herauf. Als er in die Tür der Bodenkammer trat, hielt er die Kerze hoch in der Hand und ließ den Schein über ihr Gesicht hinlaufen.
Mit Bedacht suchte er sich eine Stelle, wo er ansetzen konnte. Die Augen waren das Böseste, sicher. Man konnte ja auch das Herz nehmen, sie gleich töten, aber das war nicht genug Rache.
Er trat an sie heran und setzte die Spitze des Messers auf den inneren Winkel des rechten Auges, stach das Messer etwas herein und begann das Auge herauszuschneiden. Er hatte dabei zu tun, denn die alte Leinwand war hart und steif. Schließlich hing es nur noch an einem Faden. Er riß es heraus und trat es mit dem Fuße aus, als es noch zitterte.
Mit dem linken Auge tat er ebenso, aber es war noch fester, es wollte nicht mit, als er es herausriß. Und als er es endlich losbekam, hing noch ein großer Fetzen der Stirn daran.
Damit war es aber noch nicht ganz getan. Jetzt kam der Mund an die Reihe. Er konnte es sich nicht versagen, ihn noch einmal zu streicheln, einmal noch leise mit dem Zeigefinger über diese Lippen zu fahren.
Dann, da wo das Lachen am bösesten saß, an dem rechten Mundwinkel, stach er herein.
Er schnitt den Mund oben und unten bis zur Mitte fort und hob den Fetzen heraus. Und dann ging er ein paar Schritte zurück und betrachtete sein Werk wie ein Künstler.
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