Der Glöckner von Nôtre Dame - Hugo, V: Glöckner von Nôtre Dame

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Über das Buch

Paris 1482: Die schöne Zigeunerin Esmeralda wird von vielen Männern geliebt, allen voran vom Erzdiakon Claude Frollo. Dieser scheint von ihr regelrecht besessen zu sein. Als Esmeralda ihn zurückweist, klagt er sie als Hexe an. Kann Quasimodo, der missgestaltete und taube Glöckner von Notre-Dame, Esmeralda vor dem Scheiterhaufen retten?
Ein Meisterwerk der französischen Romantik und eine Liebeserklärung an Paris.

Über den Autor

Der französische Schriftsteller Victor- Marie Hugo wurde am 26. Februar 1802 in Frankreich geboren. Schon als Jugendlicher begann Hugo zu schreiben. 1823 wurde Hugos erster Roman veröffentlicht, worauf er eine jährliche königliche »Pension« erhielt, mit der er seine kleine Familie ernähren konnte. Hugos politische Gesinnung war durch bedeutende Wandlungen gekennzeichnet: Zunächst überzeugter Royalist, wanderte er später zur äußersten Linken. 1851 musste Hugo nach einem Staatsstreich flüchten und ging ins Exil. Im Mai 1885 starb er und fand im Pantheon in Paris seine letzte Ruhestätte. Sein Werk »Der Glöckner von Notre-Dame« erschien 1831 und gilt noch heute als einer der größten historischen Romane der Romantik.

Victor Hugo

Der Glöckner
von Notre-Dame

Roman

Victor Hugo, Der Glöckner von Notre-Dame

© für diese Ausgabe 2011 Nicolaische Verlagsbuchhandlung GmbH, Berlin

eBook-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck
ISBN 978-3-89479-697-6

Vorwort des Verfassers

Vor einigen Jahren, als der Verfasser dieses Buches die Kirche Notre-Dame besuchte oder vielmehr genau durchforschte, sah er in einem dunkeln Winkel eines Turmes das Wort ‘ANAGKH* in die Mauer gegraben. Diese griechischen und vor Alter geschwärzten Buchstaben waren tief in den Stein geschnitten. Ihr eigentümlich gotischer Charakter und ihre Stellung ließen erkennen, daß die Inschrift im Mittelalter entstanden war. Dies alles, besonders aber der düstere, verhängnisvolle Sinn des Wortes machte auf den Verfasser tiefen Eindruck.

* Griechisch: Verhängnis, Schicksal

Er suchte zu erraten, welche schmerzgebeugte Seele nicht von der Erde scheiden wollte, bevor sie dieser alten, ehrwürdigen Kirche solch Brandmal eines Verbrechens oder Unglücks aufgedrückt hatte.

Seitdem ist die Mauer neu übertüncht worden und die Inschrift ist verschwunden. Seit zweihundert Jahren verfährt man ja auf diese Weise mit den wunderbaren Kirchen des Mittelalters. Verstümmelungen dringen von innen und außen auf sie ein, der Priester läßt sie anstreichen, der Architekt sie abkratzen; endlich stürzt das Volk herbei und reißt sie nieder.

Außer dem vergänglichen Denkmal, das der Verfasser dieses Buches dem geheimnisvollen Wort im düstern Turm von Notre-Dame hier weiht, ist gegenwärtig jegliche Spur des unbekannten Schicksals verschwunden, das jenes Wort so schwermütig andeutete. Die Person, die dies Wort auf die Mauer zeichnete, erlosch schon seit Jahrhunderten aus den Menschengeschlechtern, das Wort erlosch an der Mauer der Kirche, vielleicht wird auch die Kirche einst von der Erde verschwinden.

Dies Wort ward die Veranlassung zu diesem Buche.

Im März 1831.

1. Der große Saal

Am Morgen des 6. Januar 1482 erwachten die Pariser beim Lärm aller Glocken, die im dreifachen Bereiche der Altstadt, der Universität und der Südstadt sämtlich und laut erklangen. Übrigens ist dies kein Tag, dessen die Geschichte einer Erwähnung würdigte. In dem Ereignis, das seit der Morgenröte Bürger und Glocken von Paris in Bewegung setzte, lag eben nichts Außerordentliches, das der Aufzeichnung wert war. Es galt weder einen Sturm der Picardier oder Burgunder, noch einen Einzug unseres sehr gefürchteten Herrn, des Königs, noch endlich ein Hängen von Dieben oder Diebinnen von seiten der Gerichtsbarkeit zu Paris. Es war nicht einmal der einer Gesandtschaft, mit Stickerei und Federbüschen geschmückt. Erst vor zwei Tagen hatten die flamländischen Gesandten, welche die Ehe des Dauphins und der Margarete von Flandern schließen sollten, zum großen Verdruß des Kardinals von Bourbon ihren Einzug in Paris gehalten; denn dieser mußte dem König zu Gefallen den bäurischen Schwarm flamländischer Bürgermeister mit heiterem Antlitz empfangen und sie in seinem Hotel von Bourbon mit einem sehr schönen Moralitäts-, Lust- und Possenspiel bewirten, während ein Platzregen seine prächtigen Wandteppiche vor seiner Tür überschwemmte.

Am 6. Januar war das ganze Volk von Paris, wie Jehan von Troyes erzählt, durch eine doppelte, seit undenklichen Zeiten vereinigte Feier in Bewegung gesetzt, durch den Tag der heiligen drei Könige und das Narrenfest. An dem Tage brannte ein Freudenfeuer auf dem Grèveplatz; ein Maibaum war an der Kapelle von Braque aufgepflanzt, und ein Mysterium wurde im Justizpalast gegeben. Am Tage vorher war dies auf den Kreuzwegen von den Leuten des Herrn Prévot, in schönen Röcken von veilchenblauem Kamelott mit weißen Kreuzen auf der Brust, öffentlich ausgerufen worden. Häuser und Buden waren geschlossen und das Gedränge der Bürger und Bürgerinnen wogte schon seit dem Morgen von allen Seiten auf einen der bezeichneten Orte zu. Jeglicher hatte sich seinen Platz schon gewählt, der eine das Freudenfeuer, der andere den Maibaum, ein anderer das Mysterium. Zum Ruhme des alten gesunden Menschenverstandes der Pariser Maulaffen müssen wir hier berichten, daß der größere Teil des Gedränges zum Freudenfeuer, das für die Jahreszeit durchaus sich geeignete, oder zum Mysterium hinwogte, das im wohlverschlossenen und bedeckten Hauptsaale des Palais gegeben werden sollte.