Quasimodo begnügte sich damit, ihm beim Gürtel zu fassen und zehn Schritte weit von sich ins Gedränge zu schleudern, ohne jedoch ein Wort zu sagen. Meister Coppenole nahte sich ihm erstaunt: „Gottes Kreuz! Heiliger Vater! Du hast die schönste Häßlichkeit, die ich mein Leben lang sah. Du verdientest die Papstwürde zu Rom, wie zu Paris!“ Mit den Worten legte er ihm munter die Hand auf die Schulter; Quasimodo rührte sich nicht. Coppenole fuhr fort: „Du bist ein Schelm, mit dem es mich zu schmausen juckt, und sollte es mich auch ein neues Dutzend von zwölf Livres Tournois kosten. Was meinst du?“ Quasimodo erwiderte nichts. „Gottes Kreuz!“ sagte der Strumpfwirker, „bist du taub?“ Er war es wirklich. Quasimodo fing an, sich über Coppenoles Benehmen zu ärgern und wandte sich plötzlich zu ihm mit so furchtbarem Zähneknirschen, daß der flamländische Riese, wie ein Bullenbeißer vor einer Katze, zurückfuhr.

Hierauf bildete sich rings um die sonderbare Gestalt ein Kreis des Schreckens und der Achtung, der wenigstens fünfzehn Fuß vor ihr frei ließ. Ein altes Weib machte dem Meister Coppenole bemerklich, Quasimodo sei taub.

„Taub!“ sagte der Strumpfmacher mit grobem flamländischem Lachen; „Gottes Kreuz! Er ist ein ganz vollkommener Papst!“ – „Ja, ich kenne ihn“, rief Jehan, der endlich von seinem Säulenkapitäl hinabgestiegen war, um Quasimodo mehr in der Nähe sich zu besehen; „er ist der Glöckner meines Bruders, des Archidiakonus. – Guten Tag, Quasimodo.“ – „Ein Teufel von Menschen“, sagte Robin Poussepain, gequetscht durch seinen Fall. „Er erscheint und ist verwachsen; er geht und ist krummbeinig; er sieht und ist einäugig; Ihr sprecht mit ihm, und er ist taub. Wozu gebraucht der Polyphem da seine Zunge?“ – „Wenn er will, so spricht er“, sagte die Alte, „stumm ist er nicht; er ward nur taub vom Glockenläuten.“ – „Das fehlt ihm noch“, bemerkte Jehan. – „Er hat ein Auge zu viel“, fügte Robin Poussepain hinzu. – „Nein“, erwiderte scharfsinnig Jehan, „ein Einäugiger ist unvollständiger als ein Blinder; er weiß, was ihm fehlt.“

Unterdes hatten alle Bettler, Lakaien, Beutelschneider, mit Studenten vereint, die pappene Tiara und den Talar des Narrenpapstes aus dem Schranke der Gerichtsschreiber in Prozession geholt. Quasimodo ließ sich ohne die Stirn zu runzeln, mit stolzer Gelehrigkeit dieses Gewand anlegen; dann setzte man ihn auf eine bunte Bahre. Zwölf Offiziere aus der Narrenbrüderschaft hoben ihn auf ihre Schultern; und eine Art bitterer, verächtlicher Freude verbreitete sich über das düstere Antlitz des Zyklopen, als er unter seinen häßlichen Füßen alle die schönen, stattlichen und wohlgestalteten Männer erblickte. Dann setzte sich die zerlumpte und heulende Prozession in Gang, um nach alter Sitte die inneren Gänge des Palastes zu durchwandeln, bevor sie die Straßen und die Kreuzwege durchzöge.

6. Die Esmeralda

Wir berichten unsern Lesern mit Vergnügen, daß Gringoire und sein Stück sich währenddessen wacker hielten. Die von ihm angespornten Schauspieler hörten nicht auf, seine Komödie zu deklamieren, und er hörte auch nicht auf, auf seine Verse zu horchen. Er hatte jetzt den Entschluß gefaßt, die Aufführung bis zum Schluß durchzusetzen; denn er zweifelte noch nicht an der Wiederkehr der Aufmerksamkeit des Publikums. Dieser Funke von Hoffnung ward wieder belebt, als er Quasimodo erblickte und als Coppenole mit seinem lärmenden Gefolge des Narrenpapstes unter großem Geräusch den Saal verließ. Gottlob, dachte er, jetzt gehen die Unruhstifter davon; aber ach, die Unruhstifter waren das ganze Publikum; der ganze Saal war in einem Augenblick geleert.

Die Wahrheit zu sagen, einige Zuschauer blieben, zerstreut oder in Gruppen um die Pfeiler, noch zurück: Greise, Weiber und Kinder, die mit dem vergangenen Lärm sich begnügten. Einige Studenten saßen noch auf den Fenstersimsen und blickten auf den Platz.

Nun, dachte Gringoire, hier sind noch genug, um das Ende meines Mysteriums anzuhören. Es sind ihrer wenige, aber ein gebildetes, ein auserlesenes Publikum. Aber plötzlich blieb eine Symphonie aus, die beim Auftreten der heiligen Jungfrau den größten Eindruck machen sollte. Gringoire bemerkte, daß seine Musik mit der Prozession des Narrenpapstes abgegangen war. „Fahrt fort“, sagte er mit stoischem Gleichmut.

„Kameraden“, rief plötzlich einer der jungen Schelme auf den Fenstersimsen, „die Esmeralda, die Esmeralda!“

Dieses Wort hatte eine magische Wirkung. Alle, die noch im Saal geblieben waren, stürzten an die Fenster, kletterten die Mauern herauf, um zu sehen, und riefen: „Die Esmeralda! Die Esmeralda!“

Zugleich hörte man draußen einen großen Lärm des Beifalls.

„Was soll das? Die Esmeralda?“ sagte Gringoire, verzweifelnd die Hände faltend.

„Oh mein Gott! Es scheint, jetzt ist die Reihe an den Fenstern.“ Er wandte sich zu der Marmortafel und sah, daß die Vorstellung unterbrochen war. Dies war gerade der Augenblick, wo Jupiter mit seinem Blitze erscheinen sollte. Nun aber stand Jupiter unbeweglich unten am Theater.

„Michel Gibourne“, rief der gereizte Dichter, „steige hinauf! Was machst du da? Ist das deine Rolle?“ – „Ach“, sagte Jupiter, „ein Student hat die Leiter fortgenommen.“ Gringoire blickte hin; die Sache war nur zu wahr. Alle Verbindung zwischen dem Knoten und seiner Entwicklung war abgeschnitten.