Es war ein Halbkreis von Lumpen, Flittergold, Gabeln, Bellen, mit Wein befeuchteten Beinen, dicken und nackten Armen, schmutzigen und abgestumpften Gestalten. Mitten in dieser Tafelrunde der Bettelschaft herrschte Clopin Trouillefou wie der Doge im Senat, wie ein König unter Pairs, wie ein Papst im Konklave, zuerst von der Höhe seiner Tonne, dann auch durch wilden, furchtbaren und stolzen Ausdruck des Antlitzes, in dem die Augen funkelten, wodurch der tierische Typus der Gesichtszüge des Landstreichergeschlechts gemildert ward.
„Höre“, sprach er zu Gringoire, indem er mit schwieliger Hand sein mißgestaltetes Kinn liebkoste, „ich sehe nicht ein, warum du nicht hängen solltest. Allerdings sieht man dir den Widerwillen an; ihr Bürger seid nicht daran gewöhnt. Ihr denkt euch die Sache als etwas Furchtbares. Übrigens haben wir nichts Böses gegen dich im Sinn. Es gibt ein Mittel, dich mit heiler Haut aus dem Handel zu ziehen; willst du zu uns gehören?“
Man denke sich die Wirkung dieses Vorschlags auf Gringoire, der schon sah, wie das Leben ihm entschlüpfte, und schon anfing, es aufzugeben. Er klammerte sich mit aller Kraft wieder an sein Leben.
„Gewiß! Wahrhaftig“, sagte er. – „Du willst dich in dem Orden der kleinen Schwertlilie einschreiben lassen?“ – „Ja, ja, der kleinen Schwertlilie; eben dies.“ – „Du erkennst dich an als Mitglied der Freibürgerschaft?“ – „Der Freibürgerschaft.“ – „Als Untertan des Königreichs Kauderwelsch?“ – „Des Königreichs Kauderwelsch.“ – „Als Landstreicher?“ – „Als Landstreicher.“ – „Von ganzer Seele?“ – „Von ganzer Seele.“ – „Ich muß dich darauf aufmerksam machen, daß du dennoch wirst gehängt werden.“ –
„Teufel!“ sprach der Dichter. – „Du wirst“, fuhr Clopin unerschütterlich fort, „nur in späterer Zeit, mit mehr Zeremonien gehängt werden, und zwar auf Kosten der guten Stadt Paris, von ehrlichen Leuten, und erhältst einen schönen, steinernen Galgen. Du siehst, das ist ein Trost.“
„Wie Ihr sagt“, erwiderte Gringoire. – „Du hast auch noch andere Vorteile; brauchst als Freibürger für den Kot, die Armen und Laternen nichts zu zahlen, wofür die Pariser Bürger den Beutel ziehen müssen.“ – „So sei es“, begann der Dichter. „Ich willige ein und bin Landstreicher, Kauderwelscher, Freibürger, alles, was ihr wollt. Herr König, ich war das alles auch schon im voraus; denn ich bin Philosoph, et omnia in philosophia, omnes in philosopho continentur, wie Ihr wißt.“
Der König runzelte die Brauen. „Wofür hältst du mich, Freund? Welch Kauderwelsch der ungarischen Juden singst du mir da? Ich kann kein Hebräisch. Man ist als Spitzbube noch kein Jude. Ich stehle nicht einmal mehr. Darüber bin ich hinaus, ich morde; bin Kehlabschneider, kein Beutelschneider.“
Gringoire suchte eine Entschuldigung in diese kurzen Worte einzuschieben, die der Zorn immer mehr und mehr beschleunigte. – „Ich bitte Euch um Verzeihung, gnädiger Herr, es ist kein Hebräisch, es ist Latein.“
„Ich sage dir“, erwiderte Clopin leidenschaftlich, „wenn du nicht schweigst, so lasse ich dich hängen, beim Bauch der Synagoge!“
Endlich beruhigte sich der gnädige König. „Schelm“, sagte er zu dem Dichter, „du willst also Landstreicher werden?“ – „Gewiß“, erwiderte dieser. – „Der gute Wille macht aber die Suppe noch nicht fett und hilft dir nur, wenn du ins Paradies willst. Paradies und Kauderwelsch sind zwei ganz verschiedene Dinge. Willst du in Kauderwelsch aufgenommen werden, mußt du beweisen, daß du zu etwas taugst und dieser Gliederpuppe die Taschen durchsuchen.“
„Ich will alles, was Ihr wollt, durchsuchen.“
Clopin gab ein Zeichen. Einige Kauderwelsche traten aus dem Kreise heraus und kehrten sogleich wieder zurück. Sie trugen einen recht hübschen, tragbaren Galgen herbei, an dem nichts fehlte, nicht einmal der Strick, der zierlich über dem Querbalken schwankte.
„Was soll das heißen?“ dachte Gringoire mit nicht geringer Besorgnis. Allein das Klingen und Schellen, das er sogleich vernahm, machte seiner Angst ein Ende; die Gauner hängten an den Strick eine rotgekleidete Gliederpuppe, eine Art Vogelscheuche, die mit Schellen überladen war. Diese tausend Glöckchen tönten einige Zeit lang bei den Schwingungen des Stricks, dann erloschen sie allmählich und schwiegen.
Darauf zeigte Clopin unserm Dichter einen alten wankenden Fußschemel, der unter der Gliederpuppe stand, und sprach: „Steig hinauf.“
„Tod des Teufels“, wandte Gringoire ein, „ich breche mir den Hals. Euer Schemel hinkt wie ein Distichon Martials; er hat einen Hexamter und einen Pentameter zum Fuße.“
„Steige hinauf“, wiederholte Clopin.
Gringoire stellte sich auf den Schemel und es gelang ihm, nach einigen Schwankungen der Arme und Beine seinen Schwerpunkt wiederzufinden. – „Jetzt“, fuhr der König fort, „schlage den rechten Fuß um das linke Bein, und stelle dich auf die Zehen des linken Fußes.“
„Gnädiger Herr“, sagte Gringoire, „Ihr wollt also durchaus, daß ich mir ein Glied zerbreche?“
Clopin erhob das Haupt. „Freund, du sprichst viel zu viel. Jetzt höre in zwei Worten die ganze Sache.
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