Sie verschafft mir den Grad von Bewegung und Arbeit, den ich nötig habe, um so gesund zu bleiben als du mich siehest; und die frische Luft, mit den reinsten Düften der Blumen und Blüten bebalsamt, trägt vermutlich auch das Ihrige dazu bei.‹ Der Emir hatte nichts hierauf zu antworten: aber das Paar große Augen, die er an seinen Wirt machte, hätt ich sehen mögen! Der Alte pflegte gewöhnlich frisches Wasser, und nach der Mahlzeit drei kleine Gläser Wein zu trinken: ›Das erste‹, sagte er lächelnd, ›hilft meinem alten Magen verdauen, das andere ermuntert meine Lebensgeister, und das dritte schläfert sie wieder ein.‹ Der Emir (welcher kein Wasser trinken konnte, und wenn es aus der Quelle der Jugend gewesen wäre) machte dem Weine seines Wirtes Ehre. Er ließ sich so oft von einem Glase zum andern verleiten, bis er das Vermögen verlor, zu unterscheiden ob er fühle oder sich nur einbilde, daß er so munter sei als der Alte selbst.
Nach der Tafel schlich sich der Mann mit den silbernen Locken unbemerkt hinweg, und eine Weile darauf sagte einer von seinen Söhnen: ›Es ist eine Gewohnheit in unserm Hause, alle Abende vor Schlafengehen eine halbe Stunde in dem Schlafzimmer unsers Vaters zuzubringen. Ein Gast wird bei uns nie als ein Fremder gehalten; willst du uns begleiten?‹ – Der Emir ließ es sich gefallen, und, um artig zu sein, bat er sich die Ehre aus, der ältesten unter den Frauen des Hauses seinen schwachen Arm zu leihen.
Ein Zimmer öffnete sich, welches dem Tempel des wollüstigen Schlafs ähnlich sah. Verschiedene Blumentöpfe von zierlichen Formen düfteten die lieblichsten Gerüche aus, und einige Wachslichter, von grünen und rosenfarben Schirmen verborgen, machten eine Art von Dämmerung, welche die Augen zum sanften Entschlummern einlud. Gemalte Tapeten, von der Hand eines Meisters, stellten griechische Bilder des Schlafes vor: hier den schönen Endymion, vom Silberglanz der zärtlich auf ihn herab schauenden Luna beleuchtet; dort, von einem einsamen Rosengebüsche verborgen, die Göttin der Liebe, um deren sanft glühende Wangen und Lippen ein entzückender Traum zu schweben schien; oder Amorn auf dem Schoß einer Grazie schlummernd. Der Alte lag bereits auf seinem Ruhebette, und drei angenehme Frauenzimmer schienen beschäftigt, seinen Schlummer zu befördern. Eine, welche dem schönsten Herbsttage glich, den man sehen kann, saß zu seinen Häupten, und fächelte ihm mit einem Strauß von Rosen und Myrten Kühlung zu; die andern beiden saßen weiter unten zu beiden Seiten des Ruhebettes, diese mit einer Laute, jene mit einem andern Instrumente, welches bloß die Singstimme zu begleiten diente. Beide spielten und sangen, mit sanft gedämpftem Tone, bald wechselsweise, bald zusammen, Lieder, aus denen Zufriedenheit und ruhiges Vergnügen atmete; und die Lippen und Stimmen der Sängerinnen waren solcher Lieder würdig. Das Erstaunen des Emirs stieg auf den höchsten Grad. Unvermerkt entschlummerte der glückliche Alte am Busen der herbstlichen Schönen, und die übrige Gesellschaft, nachdem sie eine von seinen sanft herab gesenkten Händen geküßt hatte, schlich sich in ehrerbietiger Stille davon.
›Was für Leute das sind‹, hörte der Emir nicht auf zu sich selbst zu sagen.
Beim Eintritt in das Schlafzimmer, welches ihm selbst angewiesen wurde, fand er die beiden Knaben wieder, die ihn im Bade bedient hatten. Ihr Anblick erinnerte ihn an die schöne Dirne, die ihn auf eine so reizende Art willkommen gesungen hatte, und er konnte nicht mit sich selbst einig werden, ob er sich über ihre Abwesenheit betrüben oder erfreuen sollte. Er wurde ausgekleidet, und auf eine so weiche, so elastische, so wollüstige Ottomanne gebracht, als jemals von einem Emir gedrückt worden sein mag. Aber kaum hatten sich die Knaben weggeschlichen, so trat die schöne Sängerin mit ihrer Theorbe im Arm herein, einen Kranz von Rosenzweigen um ihre los gebundenen Haare, die bis zur Erde herab flossen, und einen Strauß von Rosen vor einem Busen, dessen Weiße die Augen des Emirs blendete. Mit stillschweigendem Lächeln neigte sie sich tief vor ihm, nahm von einem Armsessel neben seinem Ruhebette Besitz, stimmte ihre Theorbe, und sang ihm mit der angenehmsten Stimme von der Welt so zauberische Lieder vor, daß der gute Emir, von ihrer Gestalt, von ihrer Stimme und von dem achtzigjährigen Wein seines Alten berauscht, alles vergaß, was ihn billig hätte erinnern sollen weise zu sein. Die schöne Sängerin hatte vermutlich keinen Auftrag, in einem Hause, worin alles glücklich war, einen Unglücklichen zu machen. Aber ach!« –
Ein Blick des Sultans, der vielleicht eine ganz andere Bedeutung hatte als Danischmend sich einbildete, machte ihn stutzen. »Sire«, fuhr er nach einer kleinen Pause fort, »um nicht in den Fehler des Vesirs Moslem zu fallen, begnüge ich mich zu sagen, daß der Emir Ursache fand, sich von allen Zauberern und Feen der Welt verfolgt zu glauben. ›Beruhige dich‹, sagte die schöne Sklavin mit einem Lächeln, in welches mehr Mitleiden als Verachtung oder Unwillen gemischt war, ›ich will dir ein Adagio vorspielen, auf welches du so gut schlafen sollst, als der glücklichste aller Schäfer.‹ Aber ihr Adagio tat das versprochene Wunder nicht. Der Emir konnte nicht aufhören sich selbst zu betrügen, bis endlich die Sklavin, welche seinen Eigensinn wirklich unbillig fand, für besser hielt sich zurück zu ziehen, indem sie ihm so wohl zu schlafen wünschte als er könnte.«
»Danischmend, ich bin mit deiner Erzählung zufrieden«, sagte der Sultan: »morgen wollen wir die Fortsetzung davon hören, und mein Schatzmeister soll Befehl erhalten, dir dreihundert Bahamd'or auszuzahlen.« Der Philosoph und der junge Mirza zogen sich hierauf zurück, und die Pforte des geheiligten Schlafgemachs wurde hinter ihnen zugeschlossen.
4.
Den folgenden Abend setzte Danischmend auf Befehl des Sultans seine Erzählung also fort.
»Die Geschichte des Emirs und der schönen Sklavin blieb nicht lange geheim, und dieser Prinz hatte die Ehre, der erste Mann von seiner Art zu sein, den man jemals in diesen Gegenden gesehen hatte. Die Einwohner des Hauses, männliche und weibliche, konnten gar nicht von ihrem Erstaunen über ihn zurück kommen. Sie hatten gar keinen Begriff davon, wie man das sein könne was er war. ›Das arme Geschöpf!‹ riefen sie alle mit einem Ton des Mitleidens, welcher nicht sehr geschickt gewesen wäre sein Leid zu ergetzen. Wirklich war der unglückliche Mann in seinem ganzen Leben nie so übel mit sich selbst zufrieden gewesen als in dieser nämlichen Nacht. Die Vergleichung, die er zwischen sich selbst, einem Greise von zweiunddreißig, und diesem silberlockigen Jüngling von achtzig anstellte, – begleitet von den Vorstellungen, welche ihm die schöne Sklavin zurück gelassen hatte, war mehr als genugsam ihn zur Verzweiflung zu bringen. Er biß die Lippen zusammen, schlug sich vor den Kopf, und verfluchte in der Bitterkeit seines Herzens seinen Harem, seinen Leibarzt, seine Köche, und die jungen Toren, die ihn durch Beispiel und Grundsätze aufgemuntert hatten, sein Leben so eilfertig zu verschwenden. Erschöpft von ohnmächtiger Wut, und betäubt von einem Schwall quälender Gedanken, die ihm das Gefühl seines Daseins zur Marter machten, schlummert‹ er endlich ein; und da er nach einigen Stunden wieder erwachte, fehlte wenig, daß er nicht alles, was ihm seit seinem letzten Schlafe begegnet war, für einen bloßen Traum gehalten hätte. Wenigstens wandte er alle seine Kräfte an, die Erinnerung an den unangenehmsten Teil seiner Begegnisse zu unterdrücken; und in der Hoffnung, daß neue Eindrücke ihm dazu am beförderlichsten sein würden, öffnete er ein Fenster, aus welchem er die Gärten vor sich liegen sah, die sich von der Morgenseite um das Haus herum zogen. Eine reine, mit tausend erquickenden Düften erfrischte Luft zerstreute die düstern Wolken, die noch um sein Gehirn hingen; er fühlte sich gestärkt; dieses Gefühl fachte wieder einen Funken von Hoffnung in seinem Busen an, und mit der Hoffnung kehrt die Liebe zum Leben zurück. Indem er diese Gärten betrachtete, und, seinem verwöhnten Geschmack am Prächtigen und Erkünstelten zu Trotz, sich nicht erwehren konnte, sie bei aller ihrer nützlichen Einfalt und anscheinenden Wildheit schön zu finden, ward er den Alten gewahr, der, halb von Gesträuchen bedeckt, sich mit kleinen Gärtnerarbeiten beschäftigte, welche der Emir nie gewürdiget hatte, sich einen Begriff davon zu erwerben. Die Begierde, alles Befremdende und Wunderbare, das er in diesem Hause gesehen, sich erklären zu lassen, bewog ihn, in die Gärten hinab zu steigen, um sich mit dem Alten in ein Gespräch einzulassen.
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