›Welch eine Gegend‹, rief Alabanda mit einer Art von Entzücken aus, ›um einen Gedanken darin auszuführen, der die Regierung meines Sultans auf ewig glänzend und unnachahmlich machen würde! Welch eine Gegend, um sie zu einem Sitze der Liebesgötter, zu einem Inbegriff aller Bezauberungen der Sinne und der Einbildung umzuschaffen!‹ – Azor sah die Zaubrerin Alabanda mit Erstaunen an: aber er war selbst zu sehr ein Freund des Wunderbaren; und wenn er es auch weniger gewesen wäre, so liebte er die schöne Alabanda viel zu zärtlich, um ihre angenehmen Gedanken durch Einwürfe zu unterbrechen. Er überließ ihr also die Ausführung eines Einfalls, der an Ausschweifung vielleicht niemals seines gleichen gehabt hat. In wenigen Tagen war sie mit ihrem Entwurfe fertig, und itzt wurden Millionen Hände aufgeboten ihn auszuführen. Seit den Zeiten der stolzen Könige von Ninive und Memphis hatte man kein ähnliches Werk unternehmen gesehen. Doch was waren die ägyptischen Pyramiden, oder die Mauern des alten Babylon gegen die Schöpfung der Göttin Alabanda? Gebirge wurden geebnet; unersteigliche Felsen hier gesprengt, dort zu Palästen, kleinen Tempeln, Grotten und reizenden Einsiedeleien, oder zu großen stufenweise sich erhebenden Terrassen ausgehauen, und in Gärten, Alleen, Blumenstücke und Lustwäldchen verwandelt. Entlegene Flüsse wurden in diese aus dem Nichts hervorgehende Zauberwelt geleitet, und durch erstaunliche Wasserkünste gezwungen, die Gärten und Haine, welche Alabanda in die Luft gepflanzt hatte, mit springenden Brunnen und Wasserfällen, unter tausendfachen Gestalten und Verwandlungen, zu beleben. Mitten unter allen diesen mannigfaltigen Schöpfungen erhob sich ein wahrer Feenpalast; Marmor, Jaspis und Porphyr waren die geringsten Materien, woraus er zusammen gesetzt war; und alle Manufakturen von Indien, Sina und Japan wurden zu seiner Ausschmückung erschöpft. Die Gärten, die ihn umgaben, prangten mit den schönsten Gewächsen des ganzen Erdbodens, welche mit so guter Ordnung ausgeteilt waren, daß man mit jeder höhern Terrasse, die man bestieg, sich in ein anderes Klima versetzt glaubte. Die schönsten und seltensten Vögel aller Weltteile bewohnten diesen wundervollen Ort, den sie mit ihren mannigfaltigen Stimmen und mit natürlichen oder gelernten Gesängen belebten. Und in der Mitte einer unzähligen Menge kleiner Lustwälder, über welche dieses Zauberschloß herrschte, beherbergte ein künstlicher Ozean alle Arten von Wassergeschöpfen; ein großer See, dessen über Marmor rollende Wellen man oft mit einer Flotte von kleinen vergoldeten Schiffen bedeckt sah, welche an Zierlichkeit und schimmernder Ausschmückung dasjenige zurück ließen, worin Kleopatra den Herrn der einen Hälfte der Welt zum ersten Male bezauberte. Die Beschreibung, welche Alabanda von den Wundern dieses nach ihrem Namen genannten Ortes verfertigen ließ, machte etliche große Bände aus, und die billigste Berechnung alles dessen, was diese Wunder gekostet hatten, überstieg zweimal die jährlichen Einkünfte des ganzen scheschianischen Reiches; welches in der Tat eine ungeheure Summe war. Unzählige Fremde wurden durch die Neugier herbei gezogen, sie zu sehen; aber der Vorteil, den das Land von ihnen zog, war nur ein geringer Ersatz des vielfältigen Schadens, den es durch die Ausschweifungen der schönen Alabanda erlitten hatte. Eine unendliche Menge von Landleuten war dem Feldbau entrissen worden, um als Tagelöhner an der Beschleunigung eines Werkes zu arbeiten, welches ihr ungeduldiger Stolz unter ihren Blicken wachsen sehen wollte. Etliche Provinzen befanden sich dadurch in Unordnung und Mangel versetzt; der Preis der Lebensmittel stieg übermäßig; der öffentliche Schatz war erschöpft, die Einnahme des folgenden Jahres beträchtlich vermindert, und das Reich mit einer ungeheuern Schuld beladen, wovon der größte Teil fremde Länder bereicherte; weil der ekle Geschmack der launenhaften Alabanda nichts Einheimisches schön genug fand, ungeachtet alle Künste in Scheschian blüheten.

Zum Unglück für die Nation war diese Favoritin kaum mit Ausführung eines solchen Werkes fertig, als ihre unerschöpfliche Einbildungskraft schon über der Idee eines andern brütete, welches, durch die grenzenlose Gefälligkeit ihres Liebhabers, eben so schnell und mit eben so wenig Rücksicht auf die Umstände des Staats zur Wirklichkeit gebracht wurde. Schon im zweiten Sommer, den sie mit dem Könige zu Alabanda zubrachte, bemerkte sie, daß die Gebäude zu weitläufig, die Gärten zu verworren und überladen, und mit Einem Worte das Ganze eine Art von Karikatur sei, wo die Natur von der Kunst verschlungen werde, und das ermüdete Auge in einer unübersehbaren Mannigfaltigkeit sich verliere. Dieser weisen Beobachtung zu Folge wurde in einer der anmutigsten Gegenden des ganzen Reichs ein andrer Lustsitz angelegt, in dessen kleinerem Umfange die schöne Alabanda, mit Hülfe einiger poetischen Köpfe des Hofes, bemüht war, die Natur über alle mühsamen Bestrebungen der Kunst triumphieren zu lassen. Die Natur zeigte sich da mit allen ihren eigentümlichen Reizungen, in dem leichten Gewand einer Nymphe, oder in der reizenden Unordnung einer Schönen, die von ihrem Liebhaber überrascht zu werden hofft. Man konnte sich wirklich keinen angenehmern Ort träumen lassen; aber es kostete so viel, der schönen Natur diesen Sieg über ihre Nebenbuhlerin zu verschaffen, daß man sich genötigt sah einen Vorwand zu ersinnen, um die Untertanen mit einer neuen Steuer zu belegen. Auf solche Weise wurde Scheschian nach und nach mit den herrlichsten Denkmälern der üppigen Erfindsamkeit dieser Favoritin angefüllt. Die Unternehmer dieser Werke und einige Künstler, welche weniger wegen ihres vorzüglichen Talents als durch Empfehlungen und Hofränke angestellt wurden, fanden unstreitig ihre Rechnung dabei. Etliche Poeten, die um den zehnten Teil der Einkünfte eines Hofküchenschreibers gedungen waren, über alles, was der Hof tat oder getan haben wollte, Oden zu machen, posaunten und leierten von Wundern und goldenen Zeiten. Aber die Provinzen sanken zusehens in einen kläglichen Stand von Entkräftung und Verfall herab, und die Nation hatte sehr große Hoffnung, in kurzem einem Virtuoso zu gleichen, der, durch einen kleinen Verstoß gegen die Rechenkunst, in einem sehr zierlichen neu gebauten Palaste, mitten unter einer herrlichen Sammlung von Gemälden, Statuen und Altertümern – – verhungert.«

Nurmahal hielt bei diesem Absatz ein wenig ein, weil sie gewahr wurde, daß der Sultan in Gedanken vertieft schien; als dieser sich auf einmal mit einer auffahrenden Bewegung an Danischmenden wandte. »Glaubst du nicht, Danischmend«, fragte ihn Schach-Gebal, »daß die Sultanen meine Mitbrüder sehr vieles, was sie tun, unterlassen würden, wenn sie einen Freund hätten, der ehrlich genug wäre, ihnen die Wahrheit zu sagen?«

»Vielleicht«, antwortete Danischmend mit einem kaum merklichen Achselzucken. – »Vielleicht auch nicht«, – murmelte er hinten nach.

»Und warum nicht?« fragte der Sultan.

»Sire«, sagte der Philosoph, »wollen Ihre Majestät schlechterdings, daß ich Ihnen die Wahrheit sagen soll?«

»Das bedurfte, nach der Anmerkung die ich eben machte, keiner Frage«, sprach der Sultan.

»So sage ich, daß wenigstens drei gegen eins zu wetten ist, daß die meisten Sultanen weder mehr noch weniger tun würden als ihnen beliebt, wenn sie gleich den Konfucius oder Zoroaster selbst zum Freunde hätten. Denn, – gesetzt, zum Exempel, der König Azor hätte einen solchen Freund gehabt, so wäre es allezeit darauf angekommen, ob dieser den rechten Augenblick zu seiner Vorstellung gewählt hätte. Denn der geringste Umstand, ein kleiner Nebel, es sei nun in der Luft oder im Gehirne Seiner Hoheit, oder eine kleine Blähung in dem Magen Seiner Hoheit, ein kurzer Wortstreit, den Sie kurz zuvor mit Ihrer Mätresse gehabt, ein Traum oder sonst eine Kleinigkeit, die Ihren Schlummer beunruhigte, die schlimme Laune Ihres Affen, oder dir Unpäßlichkeit eines Ihrer großen Hunde, – ein einziger von tausend Umständen von dieser Wichtigkeit wäre hinlänglich gewesen, die Wirkung der besten Vorstellung zu vernichten. Doch, gesetzt der Freund hätte den günstigen Augenblick ergriffen: wie leicht konnte es ihm, bei aller Redlichkeit seiner Absicht, in dem entscheidenden Moment an der Geschicklichkeit, oder an dem Glücke fehlen, seiner Vorstellung die rechte Wendung zu geben! Wie leicht hätte ein einziges Wort, das ihm entschlüpft wäre, alles wieder verderben können, was zwanzig glückliche Vorstellungen gut gemacht hatten! Und dennoch, setzen wir abermal, es sei ihm gelungen den verlangten Eindruck auf seinen Herrn zu machen: wie bald wär es geschehen gewesen, daß dieser Eindruck, eine Viertelstunde darauf, durch eine Gegenvorstellung eines andern wohl meinenden Dieners, – oder durch einen einzigen Blick, im Notfalle durch ein einziges kleines erkünsteltes Tränchen einer geliebten Alabanda, wieder ausgelöscht worden wäre! – Ich stelle mir zum Beispiele vor, die schöne Alabanda träte gerade zur nämlichen Zeit in das Kabinett ihres Sultans, da der vorbesagte Freund es verlassen hätte; der Freund, dem wir Mut und Eifer genug leihen wollen, gegen irgend eine neue kostbare Grille, wovon die Phantasie der schönen Favoritin kürzlich entbunden worden, im Namen des gemeinen Besten Vorstellungen zu tun.

›Ich komme‹ (sagt sie mit einem Ausdruck von Vergnügen, der über ihr ganzes Gesicht einen glänzenden Reiz verbreitet), ›ich komme Ihrer Majestät einige Zeichnungen vorzulegen, und zu vernehmen, welche davon Ihren Beifall hat, um zum Modell des neuen Amphitheaters, wovon wir neulich sprachen, genommen zu werden.‹

›Lassen Sie sehen, Madam‹, sagt der Sultan mit einem Frost, den er ihr und sich selbst gern verbergen möchte.

›Sie sind wirklich alle schön; aber wie finden Sie diese? Ich gestehe, daß ich sie vorziehen würde, wenn ich zu wählen hätte. Man kann nichts Größeres, nichts Prächtigeres denken. Die Ausführung würde der Zeiten Ihrer Majestät würdig sein, welche durch so viele unnachahmliche Werke ein Wunder des spätesten Weltalters bleiben werden.‹

›Aber, meine liebste Sultanin‹ –

(hier heftet Alabanda einen aufmerksamen Blick, vermischt mit einem kleinen Zusatz von Erstaunen, auf den Sultan.)

›Ich habe Mühe‹ –

›Was fehlt Ihnen, mein liebster Sultan? Sie sehen nicht völlig so aufgeheitert aus als Sie mich diesen Morgen verließen.‹

›Ich kann es nicht von mir erhalten, Ihnen meine Ungeneigtheit zu etwas, das Ihnen Vergnügen macht, zu erkennen zu geben; und doch‹›Ich verstehe Sie nicht, Sire; erklären Sie Sich. Kann ich unglücklich genug sein etwas zu wünschen, das Ihnen unangenehm ist?‹

›Ungütige Alabanda! wurde ich wohl einen Augenblick anstehen, die ganze Welt zu Ihren Füßen zu legen, wenn ich Herr davon wäre?‹

›Vergeben Sie meiner Zärtlichkeit den Anfang eines schüchternen Zweifels‹, ruft die Dame mit einer liebkosenden Stimme, und mit einem von diesen Zauberblicken, deren Wirkung ein Liebhaber in allen Atomen seines Wesens fühlt, – indem sie ihre schönen Hände sanft auf seine Schultern drückt.

Der Sultan – wir wollen ihn, mit Ihrer Majestät Erlaubnis, so tapfer sein lassen als nur immer möglich ist – macht eine Bewegung, als ob er sich ihren Liebkosungen, aus einem Gefühl sie nicht zu verdienen, entziehen wolle, sieht sie unschlüssig an, und arbeitet mit einiger Verlegenheit endlich ein zweites Aber heraus – ›Aber, meine Schönste, wie viel meinen Sie wird die Ausführung dieses Entwurfs kosten?‹

›Eine Kleinigkeit, Sire; zwei oder höchstens drei Millionen Unzen Silbers.‹19

›Man versichert mich, daß die Ausführung des geringsten Plans ungleich höher zu stehen kommen würde; und ich gestehe Ihnen, daß verschiedene dringende Bedürfnisse meiner Provinzen‹ – –

›Dringende Bedürfnisse?‹ – ruft die Dame in einem traurigen und erstaunten Tone.