Kalaf hatte sich an die Spitze der Partei der Blauen gestellt: Huktus bedachte sich also nicht lange, sich öffentlich für die Feuerfarbnen zu erklären. Der größte Teil der ältern Bonzen und Ya-faou war auf seiner Seite: und da sich bald darauf auch diejenigen unter den Großen von Scheschian, die mit der Regierung der Sultanin Lili nicht zufrieden waren, zu ihnen schlugen; so machten sie eine Gegenpartei aus, deren Absichten, Maßregeln und Bewegungen ernsthaft genug wurden, um den Staat mit gefährlichen Unruhen zu bedräuen.«

Hier läßt sich Danischmend in eine umständliche Entwicklung der verschiedenen Vorteile, Nebenabsichten und Leidenschaften ein, welche die eigentlichen Triebräder der öffentlichen Handlungen beider Parteien waren, und, wenn anders seine Erzählung zuverlässig ist, einen Beweis abgeben könnten, daß die Kunst, das Interesse der Religion und des Staats zum Deckmantel unedler Leidenschaften und eigennütziger Forderungen zu machen, nicht unter diejenigen gehöre, an deren Erfindung oder Vervollkommnung die Neuern einen gerechten Anspruch zu machen hätten.

»Bisher« (so fährt er fort) »hatte sich der geringere Teil der scheschianischen Nation in die Händel der Blauen und Feuerfarbnen (wie man die Parteien zu nennen anfing) wenig eingemischet, oder es waren doch nur wenige in ihren angeerbten Begriffen von dem großen Affen irre gemacht worden. Die meisten begnügten sich über die Neuerungen des Gorgorix und seiner Freunde den Kopf zu schütteln, und zu beklagen, daß eine so ausgemachte Sache, als der Name und die Farbe ihrer Schutzgottheit wäre, vorwitzigen Untersuchungen ausgestellt werden sollte. Aber Kalaf, dessen ungezähmter Ehrgeiz einen vollständigen Triumph verlangte, ruhete nicht, bis er auch den größern Teil des gemeinen Volkes von der Blauheit des großen Affen überzeugte. Was ihm die erwünschteste Gelegenheit dazu gab, war eine prächtige Pagode von blauem Porzellan mit goldnen Verzierungen, welche auf Veranstaltung der Sultanin Lili dem Tsao-Faou zu Ehren aufgeführt wurde. Der Eifer dieser Dame, der Nachwelt ein so schönes Denkmal ihrer Liebe für die Künste zu hinterlassen, verwandelte sich unvermerkt in einen Eifer für die Sache des blauen Affen selbst. Das Volk, unter dessen Augen dieser schöne Tempel empor stieg, wurde von den Anhängern Kalafs in rätselhaften Ausdrücken vorbereitet, außerordentliche Dinge zu erwarten. Die Blauen ließen in ihrem Gesicht und Ton eine große Zuversichtlichkeit sehen, ohne sich über die Ursache derselben zu erklären; und Huktus mit seinem Anhang zitterte ohne zu wissen wovor.

Endlich kam der Tag, welchem beide Parteien, jene mit ungeduldigem Verlangen, diese mit unruhiger Erwartung eines gegen sie geschmiedeten Anschlags, entgegen sahen; der Tag, da die blaue Pagode eingeweihet werden sollte. Sobald die Sonne aufgegangen war, führte Kalaf das versammelte Volk in einen nahe bei der Hauptstadt gelegenen Wald, der seit undenklichen Zeiten dem großen Affen heilig gewesen war. Mitten in diesem Walde war ein großer runder Platz, und in der Mitte des Platzes eine Art von Thron aufgerichtet, welchen Kalaf bestieg, um diese berühmte Anrede an das Volk zu halten, von welcher die Geschichtschreiber seiner Partei versichern, daß sie niemals ihresgleichen gehabt habe. Kalaf sagte so erhabene und unbegreifliche Dinge, es strahlte eine so ungewöhnliche Begeisterung aus seinem ganzen Wesen, der majestätische Ton seiner Stimme, die Überzeugung, womit er sprach, die Figuren, wovon er Gebrauch machte, der Strom seiner Worte, rissen die Zuhörer mit solcher Gewalt dahin, daß man ihm Beifall geben mußte, ohne das geringste von allem was er gesprochen begriffen zu haben. Die vornehmste Absicht seiner Rede war, das Volk in Erstaunen und in ein zitterndes Erwarten irgend einer wundervollen Entwicklung zu setzen. Niemals hatte ein Redner die Zauberkraft des Galimatias besser studiert als Kalaf. Die Wirkung davon starrte ihm aus jedem Aug entgegen; und um sie auf den höchsten Grad zu treiben, endigte er seine Rede mit einer feierlichen Apostrophe an den großen Affen, den er beschwor, sein Volk aus der Ungewißheit zu reißen, und durch irgend ein sichtbares Wunder zu zeigen, unter welcher Farbe ihm seine Verehrung am angenehmsten sei.

Kaum hatte Kalaf die letzten Worte ausgesprochen, so sah man auf einmal den Baum, an dessen Stamm der Thron des Oberbonzen befestiget war, in Flammen eingehüllt; und unter Blitz und Donner30 stieg vor den bestürzten Augen eines unzähligen Volkes ein großer blauer Affe herab, und setzte sich mit einer so majestätischen Miene auf dem Throne zurechte, daß die Hoffnung Kalafs selbst durch die Geschicklichkeit seines Zöglings übertroffen wurde.

Dieser Streich war, wie man leicht denken kann, entscheidend. Der hartnäckigste Anhänger des feuerfarbnen Affen sah sich gezwungen, dem Zeugnis seiner Sinne gewonnen zu geben. Sogar die Freidenker, welche bei diesem Schauspiele zugegen waren, wurden von dem allgemeinen Schwall mit fortgerissen, und die wenigen, die ihrer Vernunft noch mächtig genug blieben um durch ein so grobes Blendwerk hindurch zu sehen, waren aus kluger Furcht die eifrigsten, der Gottheit des blauen Affen zuzujauchzen. Er wurde mit einem alle Einbildung übersteigenden Triumph in seinen neuen Tempel eingeführt; und der König Azor selbst, der sich aus bloßer Gefälligkeit gegen die Launen seiner Mutter für die Meinung der Blauen erklärt hatte, konnte sich nicht erwehren, die Sultanin an der Spitze des ganzen Hofes zu begleiten, und das erste feierliche Opfer mit seiner Gegenwart zu zieren.

So schrecklich die Nachricht von dieser Begebenheit dem Bonzen Huktus und seinen Freunden war, so zeigte er doch in diesem entscheidenden Augenblicke, daß es ihm nicht an der wichtigsten Eigenschaft mangle, die zum Haupt einer Partei erfordert wird.« Außer vielen andern wohl ausgesonnenen Maßregeln, in deren Erzählung wir Danischmenden nicht folgen können, ließ er sich vornehmlich angelegen sein, den Eindruck, welchen Kalaf mit seinem blauen Affen auf den unaufgeklärten Teil der Nation gemacht hatte, von Grund aus zu vernichten. Seine Anhänger beschuldigten diesen Oberbonzen öffentlich der Zauberei, und eines geheimen Verständnisses mit den bösen Geistern. Dies war in der Tat ein Einfall, der seinem Erfinder Huktus Ehre macht. Hätten die Feuerfarbnen sich begnügt, dem Volke begreiflich zu machen, daß Kalaf ein Betrüger sei, so würden sie ihm wenig dadurch geschadet haben; denn wie schwach ist die Wirkung der Vernunft gegen Schwärmerei und Aberglauben! Aber dreist versichern, daß er die bösen Geister mit in seine Verschwörung gegen den Tsai-Faou gezogen habe, dies hieß ihm wirklich einen gefährlichen Streich beibringen. Eine solche Anklage hatte Wahrscheinlichkeit in den Augen des gemeinen Volkes: sie zog seine Neigung zum Wunderbaren auf Huktus‹ Seite; sie gab Gelegenheit zu einer unendlichen Menge unglaublicher Erzählungen, welche man, mitten unter der Versicherung daß sie unglaublich wären, begierig ausbreitete, mit selbst erfundenen Umständen glaublicher zu machen beflissen war, und zuletzt wirklich glaubte. Kurz, Huktus erhielt dadurch seine Absicht so vollkommen, daß der Pöbel in den meisten Provinzen des Reichs entschlossen war, es eher auf das äußerste ankommen zu lassen, als dem Glauben seiner Voreltern und dem feuerfarbnen Affen untreu zu werden.

»Vermutlich« (fährt Danischmend fort) »hätte Kalaf am weisesten gehandelt, wenn er diese Beschuldigungen mit kalter Verachtung angesehen, und durch eine zwar standhafte, aber ruhige und langsame Fortführung seines Plans, die Hindernisse, die er in den Vorurteilen der halben Nation fand, zu besiegen gesucht hätte. Aber sein Hochmut und seine Hitze vertrugen sich mit keinen so gelinden Maßnehmungen. Stolz auf seine Gewalt über den Geist der Sultanin Lili, welche damals noch das Steuerruder führte, und verwegen gemacht durch den schwärmerischen Eifer eines zahlreichen Anhangs, glaubte er stark genug zu sein, die Widerspenstigen durch Zwangsmittel zu unterwerfen. Eine königliche Verordnung, wovon er der Urheber war, erklärte alle diejenigen für Aufrührer, welche sich weigern würden dem blauen Affen zu huldigen. Die Bildnisse des Tsai-Faou wurden aus allen Pagoden weggeschafft, und mit andern von blauem Porzellan ersetzt, wovon in den Vorhöfen der blauen Pagode eine schöne Fabrik zum Vorteil derselben angelegt war. Alle Pagoden wurden mit Bonzen von Kalafs Anhang besetzt, und diejenigen abgedankt, welche lieber ihren Einkünften als dem feuerfarbnen Affen entsagen wollten. Diese Gewalttätigkeiten hatten den Erfolg, den ein weiserer Mann als Kalaf ihm vorher gesagt hatte, ohne Glauben zu finden. Tausend persönliche Beleidigungen, wodurch die Feuerfarbnen täglich zur Rache gereizt wurden, der Übermut, womit die Blauen, als die siegreiche Partei, mit ihren feuerfarbnen Mitbürgern verfuhren, und die öffentliche Verfolgung, welche zuletzt über diese verhängt wurde, erschöpften endlich ihre Geduld. Ganze Provinzen ergriffen die Waffen, und kündigten Azorn den Gehorsam auf, wofern er seinen Untertanen nicht zum wenigsten die Wahl lassen würde, ob sie blau oder feuerfarben sein wollten.

Zum Glück für das Reich Scheschian erfolgte um eben diese Zeit eine Veränderung bei Hofe, wodurch Lili von der Staatsverwaltung entfernt, und die schöne Alabanda, eine heimliche Gönnerin der Feuerfarbnen, die Vertraute oder vielmehr die unumschränkte Beherrscherin des Sultans Azor wurde.