Man brachte den Jungen in ein Bett im Hause, und nach einiger Zeit erlangte er das Bewußtsein wieder, jedoch nur, um in einen Zustand einzutreten, den der Doktor als schwere Hysterie bezeichnete. Er verschrieb ein starkes Sedativum und sagte nach zwei Stunden, der Patient sei nun in der Lage, nach Hause zu gehen, doch beim Gang durch die Eingangshalle kehrte der Paroxysmus des Schreckens wieder, mit vermehrter Gewalt. Der Vater sah, daß das Kind auf einen Gegenstand deutete, und hörte den alten Schrei: »Der Mann im Wald!«, und als er in die gewiesene Richtung schaute, sah er einen grotesken Steinkopf, der über einer der Türen in die Mauer eingelassen war. Anscheinend hatte der Hausbesitzer kürzlich einige Umbauten vornehmen lassen, und beim Ausheben der Fundamente gewisser Wirtschaftsgebäude waren die Arbeiter auf einen merkwürdigen Kopf gestoßen, offenbar aus römischer Zeit, der in der erwähnten Weise in der Eingangshalle angebracht worden war. Die kundigsten Archäologen der Gegend interpretieren dieses Haupt als das eines Fauns oder Satyrs.*

Aus welchem Grund nun auch immer – dieser zweite Schock schien zuviel für den kleinen Trevor, und noch zum gegenwärtigen Zeitpunkt leidet er unter einer Geistesschwäche, die kaum Aussicht auf Besserung bietet. Die Angelegenheit erregte damals einiges Aufsehen, und Helen wurde von Mr. R. genau befragt, doch ohne Ergebnis, da sie standhaft dabei blieb, sie habe Trevor nicht erschreckt oder belästigt.

Das zweite Ereignis, mit dem sich der Name dieses Mädchens verknüpft, liegt etwa sechs Jahre zurück und ist von noch ungewöhnlicherer Art.

Zu Beginn des Sommers 188 – schloß Helen besonders vertraute Freundschaft mit Rachel M., der Tochter eines wohlhabenden Bauern der Nachbarschaft. Dieses Mädchen, ein Jahr jünger als Helen, wurde von den meisten Leuten als die Hübschere der beiden angesehen, obwohl Helens Züge weicher geworden waren. Die beiden Mädchen, die bei jeder sich bietenden Gelegenheit zusammen waren, boten einen bemerkenswerten Kontrast – die eine mit ihrer helleuchtenden Olivenhaut und ihrem fast italienischen Aussehen, die andere mit dem sprichwörtlichen Rot und Weiß unserer ländlichen Gegenden. Es muß erwähnt werden, daß die an Mr. R. geleisteten Zahlungen für den Unterhalt Helens im Dorf wegen

 

* Dr. Phillips berichtet, daß er den fraglichen Kopf gesehen hat, und versichert mir, er habe noch nie so eindringlich ein Bild des konzentriert Bösen vor Augen gehabt.

 

ihrer fast übertriebenen Großzügigkeit bekannt waren, und daß allgemein der Eindruck herrschte, sie würde eines Tages eine große Summe Geldes von ihrem Verwandten erben. Die Eltern Rachels waren deshalb der Freundschaft ihrer Tochter mit dem Mädchen durchaus wohlgesonnen und ermunterten sie sogar zu dieser Vertrautheit, auch wenn sie es heute bitter bereuen. Helen hatte immer noch ihre ausgeprägte Vorliebe für den Wald, und Rachel begleitete sie bei verschiedenen Gelegenheiten, wobei die beiden Freundinnen frühmorgens aufbrachen und bis zur Dämmerung im Wald blieben. Ein-, zweimal nach solchen Ausflügen schien Mrs. M. das Wesen ihrer Tochter etwas eigentümlich; sie kam ihr matt und verträumt vor und, wie es hieß, »anders als sie selber«, aber diese Anzeichen schienen dann wohl doch nicht der Rede wert. Eines Abends jedoch, nachdem Rachel nach Hause gekommen war, hörte ihre Mutter ein Geräusch aus dem Zimmer des Mädchens wie unterdrücktes Weinen, und als sie eintrat, fand sie die Tochter halb entkleidet auf dem Bett liegen, offenkundig in größter Verzweiflung. Sobald sie ihre Mutter erblickte, rief sie aus: »Ach, Mutter, Mutter, weshalb hast du mich mit Helen in den Wald gehen lassen?« Mrs. M. war über eine solch seltsame Frage erstaunt und begann, sie auszuhorchen. Rachel erzählte ihr eine ungeheuerliche Geschichte. Sie sagte –

 

Clarke klappte abrupt das Buch zu und drehte seinen Stuhl zum Feuer. Als sein Freund eines Abends auf eben jenem Stuhl gesessen und seine Geschichte erzählt hatte, da war er von Clarke kurz nach dem nun erreichten Punkt in seiner Erzählung unterbrochen worden, der ihm das Wort in einem förmlichen Anfall des Entsetzens abschnitt. »Mein Gott!« hatte er ausgerufen. »Bedenken Sie, bedenken Sie, was Sie sagen! Es ist zu unglaublich, zu monströs, es können solche Dinge niemals auf dieser ruhigen Weltgeschehen, wo Männer und Frauen leben und sterben und kämpfen und siegen, vielleicht scheitern und an ihrem Gram zerbrechen und trauern und viele Jahre lang seltsame Schicksale erdulden, aber nicht dies, Phillips, nicht so etwas! Es muß eine Erklärung geben, einen Ausweg aus dem Schrecken. Mann, wäre solch ein Vorfall möglich, dann wäre unsere Erde ein Alptraum.«

Aber Phillips hatte seine Geschichte zu Ende erzählt, und er schloß:

»Ihre Flucht bleibt bis zum heutigen Tag ein Rätsel – sie ist im hellen Sonnenschein verschwunden, man sah sie über eine Wiese gehen, und ein paar Augenblicke später war sie nicht mehr da.«

Clarke versuchte wieder, sich einen Begriff von jenem Etwas zu machen, als er nun am Feuer saß, und wieder erschauerte sein Bewußtsein und schrak zurück, entsetzt beim Anblick so fürchterlicher, unaussprechlicher Elemente, inthronisiert sozusagen und triumphierend im Menschenleib. Vor ihm erstreckte sich weit im unklaren Dämmerlicht der grüne Höhenweg im Wald, wie sein Freund ihn beschrieben hatte: Er sah die schwankenden Blätter und die zitternden Schatten auf dem Gras, er sah das Sonnenlicht und die Blumen, und in weiter, weiter Ferne bewegten sich die zwei Gestalten auf ihn zu.