Und seinerseits nahm Herr Thomas nie williger jede Bürde der Arbeit und Feindschaft auf sich, die ihm aus seinem Eifer für die Größe seines Königs entsprang.

Er hatte damals keinen leichten Stand, da er zum Vorteil der königlichen Rechte mit der vornehmen normännischen Pfaffheit angebunden und sich verbissen hatte. Ihr kennt diese Händel, Herr, denn sie wuchern überall. In Engelland waren sie aus den unmäßigen, von dem Eroberer an die bischöflichen Stühle geknüpften Vorrechten erwachsen. Nicht nur, wie auch anderwärts, Händel von Pfaffe mit Pfaffe wurden den königlichen Gerichten entzogen, sondern auch der von einem Pfaffen geschädigte Laie mußte den Geschorenen vor dem geistlichen Richter suchen. Da nun – in aller Einfalt geredet – keine Krähe der anderen die Augen aushackt, blieben, schwächere Dinge ungerechnet, pfäffischer Totschlag und Weiberraub ohne Ahndung, oder, schlimmer noch, wurden so sanft bestraft, daß es einem bösen Scherze glich und die ungedämpfte Brunst der Geschorenen immer weiter um sich griff.

Darüber ergrimmte mein Herr und König, denn er war im gemeinen Wesen ein gerechter Mann, und versuchte, seine Pfaffheit einzutun. Kein leichtes Werk!

Auf dem Stuhle des Primas und Erzbischofs von Canterbury, welchem der Eroberer weiland aus Staatsgründen die anderen englischen Bistümer völlig untergegeben hatte, saß damals ein trotziger Normanne, dem seine Tonsur gerade recht war, um gegen seinen Lehensherrn und König Panier aufzuwerfen. Und auch der damalige Heilige Vater in Rom – sie sagen, man habe ihn aus einem Kloster hervorgezogen, um ihn auf den Thron zu setzen, und er hätte zeit seines Lebens nicht viel von der Welt und ihren Geschäften gehalten und begriffen – nahm Partei für den normännischen Bischof, weil er überhaupt kein geistliches Recht wollte umkommen lassen. An diesen wendete sich nun der Kanzler von Engelland in zahlreichen Staatsschriften, das taube Ohr Seiner Heiligkeit bestürmend, sie möge dieser in Mutwillen ausgearteten geistlichen Gerichtsbarkeit Regeln und Schranken setzen.

Und ich sage Euch, Herr – denn ich weiß, auf welcher Seite die Chorherrn von St. Felix und Regul stehen – Gerechteres wie Schlaueres wurde nichts gegen die weltliche Gewalt der Pfaffen geschrieben und wird in Ewigkeit nicht geschrieben werden, als was dem Kanzler aus seiner geschmeidigen Feder floß. Mit keiner beleidigenden Rede oder langweiligen Beghardenpredigt verdarb er seine Sache, das ist nicht gebräuchlich im Staatsverkehr; sondern er berannte den schlichten Geist des Heiligen Vaters mit schlagenden Tatsachen. Er stieß, figürlich geredet, einen Fensterladen nach dem andern auf, so daß eine große Helle entstand und selbst ein Kind begreifen mußte: Geiz, Habsucht, Raub, Hinterlist, Unzucht und Gewalttat, wie sie die Pfaffen König Heinrichs an sich hatten, seien etwas anderes, als der reine und unschuldige Wandel des Heilands und seiner zwölf Boten.

War es auch nur, um seinen Schmerz zu verwinden, der Kanzler zog mannhaft ins Feld. Schrift, Kirchenväter, Rechtslehrer ließ er für sich streiten, und sein schärfstes Schwert war der schöne evangelische Spruch: ›Mein Reich ist nicht von dieser Welt.‹

Ich sehe die Frage auf Euern Lippen, wie mir solches zur Kenntnis kam. Hört an. Wann eine Botschaft, oder ein Staatsbrief des Kanzlers ins Lager gelangte, welche mein König zu unterzeichnen hatte – denn in Person und Kraft des Königs stritt der Kanzler mit dem Papste – ließ sich Herr Heinrich, wenn ihm gerade keiner seiner Kleriker zur Hand war, das Schriftstuck von seinem unwürdigen Knechte vorlesen. Es war ihm bewußt, daß ich in meiner Jugend auf pfäffischen Wegen gewandelt und des Lesens kundig sei; seine eigenen Augen aber, ob sie wohl noch scharf und sicher in die Ferne blickten, waren untauglich geworden, Handschriftliches zu entziffern.

Er lachte herzlich über die getroffenen Bildnisse, welche der Kanzler von seiner Pfaffheit entwarf. ›Merke, Hans, es macht ihm Kurzweil‹, sagte er wohl zu mir, ›meine Pfaffen an den Haaren zu ziehen, denn er ist ein ungläubiger Philosoph und verkappter Sarazen.‹

Auch mich hat dabei oft ein Lachen angewandelt, aber kein fröhliches. Nicht daß ich es dem Heiligen Vater mißgönnt hätte, wie er zuzeiten beschaffen ist, sondern mir schien, was meinem Herrn und Könige bei seiner treuherzigen Art gänzlich entging, unter diesem spielenden Witz brenne ein Abgrund von strafendem Ernst und dunkler Trauer.

Herr, ich konnte das Antlitz aus der Burgkapelle nicht vergessen!

Oft, wann ich etwa einen Pfeil schnitzte und dabei meinen Gedanken freien Lauf gab, fragte ich mich, ob Herr Thomas sich je wieder an den königlichen Tisch setzen und Scherzreden mit Herrn Heinrich werde wechseln können, den Hauch seines Mundes mit dem des Königes mischend. Dieser schien nicht daran zu zweifeln und mit seiner natürlichen Tapferkeit vergangene Dinge hinter sich zu werfen.

Aber ich wettete in meinem Geiste gegen ihn; denn nach dem Urteile meines Herzens ging es wider menschliche Möglichkeit.

 

Mein Herr und König saß nach beendigter Fehde auf einer seiner Burgen in der Normandie; da geschah es eines Tages, daß ich, was selten vorkam, ein müßiger Mann war und auf dem Turme mit dem Wärtel, einem guten Gesellen, plauderte. Er übergab mir eine Weile sein Amt, da ihm das Liebchen aus dem Küchengarten winkte.

Wie ich Umschau halte, erblicke ich an einem nahen Hügel eine kleine, auf den Krümmungen des Weges sich herabwindende Heerfahrt. Voran in der Abendsonne ein blitzender Gewappneter, der in das Hifthorn stößt! Das war das Löwenherz. Hinter ihm ritten seine drei Brüder und ein reisiges Gefolge. Jetzt erblick ich etwas leuchtend Weißes – den Schimmel des Kanzlers. Ein höhnisches Lachen der Sicherheit überkommt mich – ich ergreife das große Wächterhorn, erwidere Herrn Richards Ruf und begrüße den Kanzler, freilich nur mit meinem natürlichen, auf diese Entfernung nicht vernehmbaren Mundwerke, mit den frechen Worten: ›Herr Thomas, Ihr habt keines Mannes Mark in den Knochen und keines Ritters Blut in den Adern! A la bonne heure! Mich soll's nicht anfechten, wenn meinem Herrn einfällt, Euch lebendig auf dem Roste zu braten und Euch zu einem heiligen Lorenz zu machen.‹ Und mir schien, da ich das weiße Roß erblickte, der Herr und der Knecht habe von dem Kanzler nichts weiter zu befahren und auch der Himmel werde die Rache des feigen Mannes sinken lassen.

Ich eilte hinunter und beobachtete den Einzug, mich möglichst beiseite haltend.

Herr Thomas war nicht verändert, seine Gebärde so ruhig und sein Gewand so kostbar wie vordem. Der König in seiner heftigen Art stürzte den Söhnen und seinem Kanzler entgegen, nach dem er sich wohl noch mehr als nach seinen Kindern gesehnt hatte. Dieser ersparte ihm jede Scham und äußerliche Reue, er verneigte sich ehrfürchtig vor ihm und redete dann von den Knaben mit Sorgfalt und Wohlwollen, fügte aber mit milder Ruhe hinzu, seine Zeit, die wachsenden Staatssorgen, seine Reisen und Gesandtschaften, auch eine früher ihm unbekannte Müdigkeit erlaube ihm nicht länger, ihre Erziehung persönlich zu leiten, er werde ihnen berühmte Männer zu Lehrern geben, die ihn leicht entbehrlich machen würden.

Der König stand betroffen von dieser Rede und seine Kinder umringten den Kanzler und umarmten ihn mit Tränen, bittend und flehend, er möge sich ihnen nicht entziehen. Nur der kleine Hans schnitt eine vergnügte Grimasse. Da bat Herr Heinrich mit den Knaben, daß er sie nicht von sich weise.

Die beredten Lippen des Kanzlers wiederholten seine Weigerung mit neuen anmutigen Wendungen, aber seine dunkeln Augen richteten sich auf den König und schienen zu sagen: ›Grausamer Mann, du hast mich meines Kindes beraubt und verlangst, daß ich mich um die deinigen bekümmere!‹

Ich weiß nicht, ob Herr Heinrich in diesem Blicke die Wahrheit las; aber er drang nicht weiter in den Kanzler.

 

Von jener Stunde an brach Hader aus zwischen den vier Königskindern und die Liebe des Kanzlers versöhnte sie nicht denn sie waren ihm gleichgültig geworden und er überließ sie ihren Trieben.

Ich habe Euch schon erzählt, daß ich im Bogen und in der Armbrust der Lehrmeister der vier Jungherren war. Ich hatte strenges Verbot, von ihnen jemals zu weichen, oder ihnen eine Armbrust in den Händen zu lassen; denn da sie von verschiedener und unbrüderlicher Natur waren, mußte gewehrt werden daß sie nicht mit der Schießwaffe aufeinander losgingen.

Eines Tages nun, da ich mit den vier Armbrusten zu den vier Jungherren in den hintern Burghof ging, hörte ich schon von weitem zwischen dem Gebelle der Bracken Getümmel und Schlachtruf. Ich fand die Herren dort so hart ineinander verwickelt, daß ich Mühe hatte, sie zu sondern. Das Löwenherz hatte Herrn Gottfried mit der Rechten an der Kehle, mit der Linken aber Herrn Heinrich an den gekräuselten Haaren gefaßt und schüttelte beide wacker.