Hobbs, glaube
ich, der würde sich sehr freuen, wenn ich ihm zum Andenken an
mich eine goldne Uhr geben könnte und eine Kette daran und
eine Meerschaumpfeife. Und dann möchte ich eine Compagnie
haben.«
»Eine Compagnie?« rief Mr. Havisham.
»Jawohl, eine ganz richtige Compagnie,«
erklärte Ceddie, der ganz aufgeregt wurde, »Fackeln
und Uniformen und Gewehre und so Sachen möchte ich haben
für all die Jungens und auch für mich –
dann würden wir marschieren und ex'zieren! Das macht' ich
für mich, wenn ich reich wäre!«
Die Thür ging auf und Mrs. Errol kam wieder herein.
»Ich bedaure, so lange aufgehalten worden zu
sein,« entschuldigte sie sich gegen Mr. Havisham,
»eine arme Frau, die in großer Not ist, wollte mich
sprechen.«
»Mein junger Freund hier hat mir indessen viel
erzählt von seinen Bekannten und von dem, was er für
sie thun mochte, wenn er reich wäre.«
»Bridget gehört auch in seinen
Freundeskreis,« versetzte Mrs. Errol, »sie ist eben
bei mir gewesen, in der Küche. Die armen Leute sind
übel daran; ihr Mann hat ein rheumatisches Fieber.«
Cedrik kletterte aus seinem Lehnstuhle hervor.
»Ich glaube, ich muß auch nach ihr
sehen,« sagte er, »und nach ihrem Manne fragen. Er
ist sehr nett, der Mann, wenn er gesund ist, und hat mir einmal ein
hölzernes Schwert gemacht; er ist sehr talentvoll.«
Damit lief er zum Zimmer hinaus und Mr. Havisham erhob sich.
Er schien geneigt, eine Mitteilung zu machen, zögerte aber
noch einen Augenblick, ehe er sich an Mrs. Errol wandte.
»Vor meiner Abreise von Schloß Dorincourt
hatte ich eine Unterredung mit Mylord, in deren Verlauf er mir
verschiedene Verhaltungsmaßregeln gab. Sein Wunsch ist,
daß sein Enkel dem künftigen Leben in England und
auch der Begegnung mit ihm selbst mit Vergnügen und freudigen
Erwartungen entgegensehen solle. Er hat mir ausdrücklich
gesagt, daß ich Seine Herrlichkeit von der Umwandlung seiner
Verhältnisse in Kenntnis setzen solle und ihm mitteilen,
daß ihm Geld und jegliches Vergnügen, das seinem
Alter angemessen, zur Verfügung stehe; er hat mir
außerdem den Auftrag erteilt, jeden Wunsch des Knaben zu
erfüllen und ihm dabei zu sagen, daß es sein
Großvater sei, der ihm diese Freuden bereite. Nun bin ich mir
allerdings wohl bewußt, daß der Graf hierbei ganz
andre Dinge im Sinne hatte; wenn jedoch Lord Fauntleroy Freude daran
findet, der armen Frau zu helfen, so würde es nicht in der
Absicht meines Auftraggebers liegen, ihm dies Vergnügen zu
versagen.«
Es war das zweite Mal, daß Mr. Havisham die
Wünsche des Grafen in einer Umschreibung wiedergab. Seine
Herrlichkeit hatte gesagt: »Der Junge soll wissen,
daß ich ihm geben kann, was sein Herz begehrt; er soll merken,
was es heißt, der Enkel des Grafen Dorincourt sein. Kaufen Sie
ihm, was ihm einfällt, stecken Sie ihm die Taschen voll Geld
und sagen Sie ihm, daß es von seinem Großvater
komme.«
Die Motive dieser Großmut waren nichts weniger als
rein, und wenn es sich um ein minder liebevolles, warmherziges Kind
gehandelt hätte, würde das Experiment vielleicht
schlimm ausgefallen sein. Cedriks Mutter ahnte keinerlei Gefahr; sie
dachte einfach, daß ein einsamer, unglücklicher alter
Mann, der seinen Kindern hatte ins Grab blicken müssen, ihrem
Jungen Liebe erweisen und seine Neigungen gewinnen wollte. Dabei freute
sie sich, daß Cedrik der armen Frau sollte helfen
können, und es ward ihr leichter ums Herz bei dem Gedanken,
daß die erste Wirkung dieser seltsamen Wandlung ihres
Geschickes die sein sollte, daß ihr Kind andern helfen und
beistehen konnte, und ein warmes Rot stieg in ihr hübsches,
schmales Gesicht.
»O,« sagte sie, »das war sehr
gütig von dem Grafen, und wie wird Cedrik sich freuen! Er hing
immer sehr an dieser Bridget und ihrem Manne; die Leute sind einer
Unterstützung würdig, und es hat mir oft weh gethan,
daß ich nicht mehr geben konnte. Der Mann ist ein
tüchtiger Arbeiter, aber nun war er lange krank und hat
kostspielige Arzneien und allerhand Stärkung nötig
gehabt.«
Mr. Havisham zog seine Brieftasche hervor und öffnete
sie langsam mit einem eigentümlichen Lächeln. Er
überlegte sich im stillen, was der Graf wohl über
diesen ersten, seinem Enkel gewährten Wunsch denken werde, und
war nicht sehr im klaren, wie der mürrische, egoistische Herr
diese Deutung seines Auftrages auffassen werde.
»Ich weiß nicht, gnädige
Frau,« fuhr er fort, »ob Ihnen genau bekannt ist,
daß der Graf Dorincourt ein ungemein reicher Mann ist und
vollkommen in der Lage, jede Laune zu befriedigen. Er wäre
ohne Zweifel ganz damit einverstanden, daß Lord Fauntleroys
Einfälle ausgeführt werden. Darf ich Sie bitten, ihn
hereinzurufen, ich werde ihm fünf Pfund für die Leute
geben.«
»Fünfundzwanzig Dollar!« rief Mrs.
Errol. »Das ist ja ein Vermögen für die
Frau, das kann ich kaum glauben!«
»Glauben Sie es immerhin und gewöhnen Sie
sich an den Gedanken, daß im Leben Ihres Knaben ein Wendepunkt
eingetreten ist, und daß von jetzt ab viel Macht in seine
Hände gegeben sein wird.«
»Ach, und er ist noch so jung – noch solch
ein ganzes Kind! Wie soll ich ihn lehren, sie segensreich zu
gebrauchen? Ich erschrecke fast davor – mein kleiner, guter
Herzensjunge.«
Der Advokat hatte abermals das Bedürfnis, sich zu
räuspern, es war merkwürdig, wie der
ängstliche, schüchterne Blick dieser braunen Augen
sein verknöchertes Herz rührte.
»Wenn ich aus der Unterredung, die ich heute
früh mit Lord Fauntleroy gehabt, schließen darf,
gnädige Frau, so möchte ich vorhersagen, daß
der künftige Herr von Dorincourt mindestens ebensoviel an
andre als an seine Person denken wird. Er ist freilich nur ein Kind,
aber meiner Ansicht nach, in dem Punkte zuverlässig.«
Die Mutter ging, Cedrik zu holen, und brachte ihn ins
Wohnzimmer. Vor der Thüre hörte Mr. Havisham ihn laut
reden.
»Entzündlichen Rheu'tismus hat er,«
sagte er, »und das ist eine besonders schreckliche Art von
Rheu'tismus, Und er denkt immer an die Hausmiete, die nicht bezahlt
ist, und Bridget sagt, das mache die Entzündlichkeit viel
schlimmer. Pat könnte eine Stelle kriegen in einem Laden, aber
er hat keine anständigen Kleider.«
Das kleine Gesicht war noch ganz bekümmert, als er
hereinkam; offenbar thaten ihm seine Schützlinge sehr leid.
»Herzlieb sagt, Sie wollen etwas von mir,«
wandte er sich an Mr.
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