Ein breiter Krempenhut, wie er früher von Geistlichen getragen wurde, krönte die Figur und gab dem gutmütigen, doch etwas einfältigen Gesicht eine gewisse Würde. Dieser Mann ging vor dem Quartier des Generals Webb stolz unter den Dienern umher, die mit den Pferden warteten, und äußerte freimütig sein Lob oder seinen Tadel über die Tiere.
»Dies Pferd, möcht’ ich fast schließen, ist nicht von hiesiger Zucht, sondern ist aus fremden Ländern, vielleicht aus England«, sagte er mit seltsam milder und sanfter Stimme. »Ich kann bei diesen Dingen mitsprechen, und Prahlen ist meine Sache nicht. Nie habe ich ein Tier gesehen, das so völlig dem Kriegsroß in der Heiligen Schrift entsprach, von dem es heißt: ›Es wandelt daher im Tal und jauchzet in seiner Kraft, es geht den gewaffneten Männern entgegen. Es spricht unter den Trompeten: Ha! Ha! Es wittert die Schlacht von fern, den Donnerruf und das Frohlocken der Heerführer.‹ Das Geschlecht der Rosse Israels scheint sich bis auf unsre Zeit fortgepflanzt zu haben, meint Ihr nicht, mein Freund?«
Da keine Antwort auf die ungewöhnliche Anrede erfolgte, die mit lauter und wohlklingender Stimme gesprochen wurde und einige Beachtung verdient hätte, wandte sich der Sprecher, der die Heilige Schrift zitiert hatte, zu der schweigenden Gestalt des indianischen Läufers, die er verwundert betrachtete. Obgleich der Wilde ruhig und gleichgültig die Bewegung und das Geräusch ringsumher betrachtete, mischte sich doch in seine Ruhe ein mürrischer Trotz. Der Eingeborene trug die Streitaxt und das Messer seines Stammes, und doch glich er in seinem Äußern nicht völlig einem Krieger. Im Gegenteil, er schien etwas vernachlässigt wie nach großen, gerade überstandenen Anstrengungen. Die Farben auf seinem nach Art der Krieger bemalten Gesicht hatten sich verwischt und machten seine schwarzbraunen Gesichtszüge noch wilder und abstoßender. Sein Auge allein, das wie ein funkelnder Stern unter düsteren Wolken hervorblitzte, zeigte sich in seiner angeborenen Wildheit. Einen einzigen Augenblick begegnete sein forschender und doch vorsichtiger Blick dem Auge des merkwürdigen Mannes. Dann wandte er sich verächtlich ab und blickte starr ins Leere.
In diesem Augenblick entstand eine allgemeine Bewegung unter den Dienern, Frauenstimmen näherten sich, und ein junger englischer Offizier führte zwei Damen zu den Pferden. Sie schienen bereit, die beschwerliche Reise in die Wälder zu unternehmen. Die jüngste von ihnen, obgleich beide noch jung waren, ließ einen Augenblick ihr blendendweißes Gesicht sehen, das schöne goldgelbe Haar und die lichten blauen Augen, während ihr grüner Schleier in dem leichten Morgenwind zur Seite wehte. Sie dankte freundlich lächelnd dem jungen Mann, der ihr in den Sattel half. Die andere Dame war dicht verschleiert. Man ahnte unter dem Reisekostüm eine anmutige Gestalt, etwas voller nur und reifer als die ihrer Begleiterin.
Kaum waren die Damen zu Pferd, als ihr Begleiter sich gewandt in den Sattel schwang. Alle drei verbeugten sich vor Webb, der sie höflich bis zur Tür begleitet hatte, wandten ihre Pferde und ritten langsam, von ihren Dienern begleitet, zum nördlichen Tor des Forts. Sie legten diese kurze Strecke schweigend zurück. Nur als der indianische Läufer unerwartet vorbeieilte und auf der Straße voranlief, stieß die jüngere Dame einen leisen Schrei aus. Die andere lüftete in der ersten Überraschung ihren Schleier, und ein Blick von Mitleid, Verwunderung und Schrecken folgte den raschen Bewegungen des Wilden. Die Haare dieser Dame waren schwarzglänzend, doch war ihre Haut nicht brünett. Nichts Unedles lag in ihrem Gesicht, das regelmäßig, würdevoll und schön war. Sie lächelte, als bedaure sie ihre augenblickliche Vergeßlichkeit, dann brachte sie ihren Schleier wieder in Ordnung, senkte ihr Antlitz und ritt schweigend weiter, wie jemand, der, in Gedanken verloren, wenig auf das achtet, was um ihn her vorgeht.
Zweites Kapitel
Während die eine der beiden Reiterinnen tief in Gedanken verloren war, hatte sich die andere schnell von dem leichten Schreck erholt, und über ihre eigene Schwäche lächelnd, wandte sie sich scherzend zu dem jungen Mann, der ihr zur Seite ritt. »Sind dergleichen Gespenster häufig in den Wäldern, Heyward?« fragte sie. »Sollte es der Fall sein, werden Cora und ich unsern oft gerühmten Mut zusammennehmen müssen, noch ehe wir dem gefürchteten Montcalm begegnen.«
»Der Indianer ist ein Läufer unseres Heeres, und in der Meinung seines Volkes gilt er für einen Kriegshelden«, erwiderte der junge Offizier. »Er hat sich freiwillig erboten, uns auf einem wenig bekannten Pfade schneller und angenehmer zum See zu geleiten, als wenn wir der langsamen Kolonne folgten.«
»Mir gefällt er nicht«, erklärte die Dame und schien vor Schreck zurückzuschaudern. »Sie kennen ihn vermutlich, Duncan, oder würden Sie sich sonst so freiwillig seiner Führung anvertrauen?«
»Sagen Sie lieber, Alice, daß ich Sie dieser Führung nicht anvertrauen würde«, erwiderte der junge Mann mit Nachdruck. »Ich kenne ihn, sonst würde ich ihm mein Vertrauen nicht schenken, am wenigsten in diesem Augenblick. Er soll überdies aus Kanada gebürtig sein, obwohl er unsern Freunden, den Mohikanern, gedient hat, die zu den sechs verbündeten Stämmen gehören.
1 comment