Es wurde nur unterbrochen durch die leisen Stimmen der Männer, den trägen Schlag eines Waldspechts, den unharmonischen Ton irgendeiner munteren Elster oder das dumpfe Rauschen eines fernen Wasserfalls.
Diese schwachen und abgebrochenen Töne waren den Waldbewohnern bekannt und konnten ihre Aufmerksamkeit von ihrem Gespräch nicht ablenken. Während der eine von ihnen durch die rotbraune Haut und den wilden Putz deutlich als Indianer zu erkennen war, verriet trotz der rohen und fast wilden Kleidung die lichtere Gesichtsfarbe den andern als Europäer. Der Sohn der Wälder saß auf einem bemoosten Stamm, und er unterstrich seine ernste Sprache durch die ruhigen und ausdrucksvollen Gebärden der Indianer. Sein fast nackter Körper zeigte ein furchtbares Bild des Todes in weißer und schwarzer Farbe, mit der er sich bemalt hatte. Sein kahlgeschorener Kopf trug nur die Skalplocke und als einzigen Schmuck eine Adlerfeder, die über die linke Schulter herabhing. Ein Tomahawk und ein Skalpiermesser von englischer Arbeit steckten in seinem Gürtel, während ein kurzes Gewehr, eine Waffe, mit der die Weißen ihre Bundesgenossen unter den Wilden ausrüsteten, nachlässig quer über seinen entblößten Knien lag. Die gewölbte Brust, die kräftigen Glieder und die ernste Haltung dieses Kriegers zeigten höchste Lebenskraft.
Die Gestalt des Weißen verriet seit frühester Jugend ertragene Anstrengungen. Sein muskulöser Körper war eher schwach als stark; aber jeder Nerv und Muskel schien gespannt und abgehärtet durch unablässige Arbeit und im Kampf mit den Gefahren der Wildnis. Er trug die übliche Kleidung der Grenzbewohner und eine Sommermütze von glattgeschorenem Fell. In seinem Gürtel steckte ebenfalls ein Messer, jedoch keine Streitaxt. Seine Mokassins waren nach Art der Eingeborenen bunt verziert, darüber trug er Gamaschen von Bocksleder. Eine Jagdtasche und ein Pulverhorn gehörten noch zu seiner Ausrüstung, und eine lange Büchse, von den Waldbewohnern für das gefährlichste aller Gewehre gehalten, lehnte an einem jungen Stamm. Das Auge des Jägers oder Kundschafters, er konnte beides sein, war klein, lebhaft und unruhig, als ob er ein Wild ausspähe oder das plötzliche Erscheinen irgendeines verborgenen Feindes fürchte. Doch war sein Gesicht dabei ohne Verstellung und trug den Ausdruck offener Redlichkeit.
»Mein Stamm ist der Ahnherr von ganzen Völkern«, erzählte der Eingeborene. »Das Blut der Helden fließt in meinen Adern, und so soll es für immer bleiben. Die Holländer landeten und gaben meinen Landsleuten das Feuerwasser; sie tranken, bis Himmel und Erde sich zu begegnen schienen, und glaubten töricht, den Großen Geist gefunden zu haben. Damals verloren sie ihr Land. Sie wurden allmählich von dem Ufer zurückgetrieben, und ich, der ich ein Häuptling bin, habe die Sonne seitdem nie anders als durch die Bäume scheinen sehen, und noch nie habe ich die Gräber meiner Väter besucht.«
»Gräber versetzen den Geist in eine feierliche Stimmung«, entgegnete der Kundschafter bewegt, »und bestärken oft einen Menschen in seinen guten Vorsätzen. Was mich betrifft, so erwarte ich, daß meine Gebeine unbegraben bleiben, um in den Wäldern zu bleichen oder von den Wölfen umhergezerrt zu werden. Doch wo findet man deinen Stamm, der schon eine Reihe von Sommern her zu seinen Verwandten nach Delaware kam?«
»Wo man die Blüten dieser Sommer findet! Sie sind dahin, verwelkt, eine nach der andern! So sind auch alle meines Stamms, einer nach dem andern, in die Ewigen Jagdgründe hinübergegangen. Ich stehe auf dem Gipfel des Berges und muß hinabsteigen ins Tal; und wenn Unkas einst meinen Schritten folgt, so ist niemand mehr übrig von unserem Blut, denn mein Sohn ist der letzte Mohikaner.«
»Unkas ist hier«, sagte eine andere Stimme, im gleichen Gutturalton, dicht an seiner Seite. »Wer fragt nach Unkas?«
Falkenauge zog sein Messer aus der ledernen Scheide, und seine Hand fuhr bei dieser plötzlichen Unterbrechung unwillkürlich zur Büchse. Der Indianer aber saß ruhig da, ohne sein Haupt der unerwarteten Stimme zuzuwenden.
Gleich darauf ging ein junger Krieger zwischen ihnen mit geräuschlosen Schritten hindurch und setzte sich an das Ufer des reißenden Stroms. Kein Ausruf der Verwunderung entfuhr dem Vater, mehrere Minuten lang hörte man weder eine Frage noch eine Antwort. Jeder schien den Augenblick abzuwarten, wo er sprechen konnte, ohne Neugier oder Ungeduld zu verraten. Der Weiße nahm an ihrem Betragen ein Beispiel; er ließ die Hand vom Feuergewehr und blieb still und in sich gekehrt. Endlich wandte Chingachgook die Augen langsam zu seinem Sohn und fragte:
»Wagen die Mingos wieder, ihre Spuren in diesen Wäldern sehen zu lassen?«
»Ich bin ihnen auf der Fährte gewesen«, erwiderte Unkas, »und ich weiß, daß ihre Zahl so groß ist wie die Finger meiner beiden Hände; allein sie verbergen sich wie feige Memmen.«
»Die Diebe lauern auf Skalpe und auf Beute!« sagte der Jäger. »Jener geschäftige Franzose Montcalm wird seine Späher noch bis in unser Lager senden, um zu erfahren, welchen Weg wir einschlagen.«
»Es ist genug!« erwiderte der Vater, sein funkelndes Auge zur untergehenden Sonne richtend. »Sie sollen vertrieben werden wie das Wild aus den Gebüschen. Falkenauge, laß uns unser Abendbrot einnehmen und morgen den Mingos zeigen, daß wir Männer sind.«
»Ich bin bereit zu dem einen wie zu dem andern«, entgegnete der Kundschafter.
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