Und wenn sie fechten wollen, was sie freilich nicht alle tun möchten, da sie sich von ihren Feinden, den Mingos, haben zu Weibern machen lassen - aber wenn sie fechten, dann schaut euch einen Delawaren oder Mohikaner an, wenn ihr einen Krieger sehen wollt.«
»Genug«, sagte der Major ungeduldig; »ich will nicht den Charakter eines Mannes untersuchen, den ich kenne und der euch fremd sein muß. Ihr habt aber noch meine Frage nicht beantwortet, wie weit wir von der Hauptarmee in Fort Edward entfernt sind.«
»Das wird davon abhängen, wer euer Führer ist.«
»Ich wünsche keinen Streit mit Worten, Freund«, begütigte Heyward. »Wenn ihr mir die Entfernung bis Fort Edward angeben und mich dahin geleiten wollt, so soll euer Dienst nicht unbelohnt bleiben.«
»Wenn ich dies wirklich tue, wie weiß ich, ob ich nicht einen Feind, einen Spion Montcalms zur Armee geleite? Nicht jeder, der englisch spricht, ist ein ehrlicher Mann.«
»Wenn Sie unter den Truppen als Kundschafter dienen, wie ich glaube, so müssen Sie das sechzigste Regiment des Königs kennen.«
»Das sechzigste! Ihr könnt mir nur wenig von den königlichen Truppen erzählen, was ich nicht schon wüßte, wenn ich auch ein Jagdkleid statt eines roten Rocks trage.«
»Gut! So müssen Sie auch den Namen des Majors von diesem Regiment kennen.«
»Den Major!« unterbrach ihn der Jäger stolz. »Wenn jemand in dieser Gegend den Major Effingham kennt, so bin ich’s.«
»Dies Regiment hat mehrere Majore, der, den Sie kennen, ist der Rangälteste. Ich spreche von dem jüngsten, der die Besatzung in William Henry befehligt!«
»Ja! Ich habe gehört, daß ein junger, reicher Mann aus einer der südlicheren Provinzen die Stelle erhalten hat. Er ist jung - offenbar zu jung, um einen solchen Rang zu behaupten. Doch soll er ein erfahrener und tapferer Soldat sein.«
»Was er auch immer sein mag, er spricht jetzt mit Ihnen, und so haben Sie keinen Feind zu fürchten.«
Falkenauge betrachtete Heyward einen Augenblick mit Erstaunen; dann zog er seine Mütze und antwortete noch immer zweifelnd: »Ich habe gehört, daß ein Trupp diesen Morgen aus dem Lager zum Seeufer aufgebrochen ist.«
»Sie haben recht gehört; allein ich zog einen näheren Weg vor, der Kenntnis des Indianers vertrauend.«
»Und er täuschte euch und entwich dann?«
»Keins von beiden, denn er befindet sich noch hinter uns.«
»Ich hätte Lust, mich nach der Kreatur umzusehen. Ist es ein echter Mingo, so erkenn’ ich ihn an dem durchtriebenen Blick und an der Gesichtsbemalung«, erwiderte der Kundschafter, während er an Heywards Pferd vorüber seitwärts dem Gebüsch zuschritt. Er traf einige Schritte weiter die Frauen, die den Ausgang der Unterhaltung ungeduldig und nicht ohne Besorgnis erwarteten. Hinter diesen hatte sich der Läufer an einen Baum gelehnt und behielt bei der strengen Prüfung Falkenauges eine feste, unveränderte Miene. Doch war sein Blick so düster und wild, daß er Furcht einflößen konnte. Als der Jäger sich zurückwendend bei den Frauen vorbeikam, blieb er einen Augenblick stehen, um sie bewundernd zu betrachten. Er beantwortete das Lächeln und Nicken Alices mit einem offenbar vergnügten Blick. Dann schritt er auf Heyward zu. »Ein Mingo ist und bleibt ein Mingo, und da ihn Gott einmal so geschaffen hat, so können ihn weder die Mohikaner noch irgendein anderer Stamm verändern.« Bei diesen Worten nahm er wieder seinen früheren Platz ein. »Wären wir allein«, sagte er, »könnt’ ich euch zum Fort Edward in zwei Stunden führen, denn so weit liegt es nur von hier. Aber mit den Damen ist es unmöglich.«
»Weshalb denn? Sie sind ermüdet, aber es kommt ihnen auf einen Ritt von einigen Meilen nicht an.«
»Es ist unmöglich!« wiederholte der Kundschafter entschlossen. »Ich würde, wenn die Nacht einbricht, nicht eine Meile weit in diesen Wäldern in Gesellschaft jenes Roten gehen, und wenn ich dabei das beste Gewehr in den Kolonien gewinnen könnte. Sie wimmeln von versteckten Mingos, und euer zweideutiger Mohikaner weiß sie gut zu finden.«
»Denken Sie so?« flüsterte Heyward und beugte sich in dem Sattel vor. »Ich gestehe, ich bin auch nicht frei von Argwohn geblieben. Eben weil ich ihn im Verdacht hatte, wollte ich ihm nicht länger folgen und ließ ihn hinter mir.«
»Ich weiß, daß er ein Betrüger ist, seitdem ich ihn sah!« entgegnete der Kundschafter, den Finger bedächtig an die Nase legend. »Der Dieb lehnt am Fuß eines jungen Baumes, den Sie dort über die Gebüsche hervorragen sehen. Sein rechter Schenkel läuft in gerader Linie mit dem Stamm des Baumes und -«, fügte er auf sein Gewehr klopfend hinzu, »ich kann ihn von hier zwischen dem Knöchel und dem Knie mit einem einzigen Schuß lahm machen. Ging ich zu ihm zurück, so würde er etwas Verdächtiges ahnen und wie ein erschrecktes Wild zwischen den Bäumen verschwinden.«
»Ich wünsche nicht, daß Sie es tun. Er kann unschuldig sein. Wenn ich indes von seiner Verräterei überzeugt wäre -«
»Man kann sicher auf die Schurkerei eines Mingo rechnen«, sagte Falkenauge, seine Büchse unwillkürlich erhebend.
»Halt!« unterbrach ihn Duncan Heyward, »tun Sie es nicht! - Wir müssen einen anderen Plan finden - wenn ich auch glaube, daß der Schurke mich getäuscht hat!«
Der Jäger schien einen Augenblick zu überlegen und winkte dann seinen beiden roten Gefährten. Sie sprachen eifrig miteinander in der Delawarensprache. Gleich darauf verschwanden die beiden Indianer auf entgegengesetzten Seiten des Pfades mit so vorsichtigen Bewegungen, daß ihre Schritte unhörbar waren.
»Jetzt gehen Sie zurück«, sagte der Jäger darauf zu Heyward, »und halten Sie den Burschen im Gespräch fest; diese Mohikaner werden ihn fangen, ohne ihm die Schminke zu verderben.«
»Nein«, entgegnete der Major stolz, »ich will ihn selbst unschädlich machen.«
»Pah! was können Sie zu Pferd gegen einen Indianer in dem dichten Buschwerk?«
»Ich werde absteigen.«
»Glauben Sie, der Verräter würde darauf warten? Reiten Sie also hin und sprechen Sie offen mit ihm und tun Sie so, als ob Sie ihn für einen Freund halten.«
Heyward sah ein, daß er den Plan annehmen mußte. Die Sonne war bereits verschwunden, und die Wälder wurden plötzlich düster. Er war jetzt sehr besorgt und verließ den Kundschafter ohne Antwort, während der sogleich ein lautes Gespräch mit dem Psalmensänger anfing.
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