Reeder zu seiner Überraschung feststellte.

Der Polizist sah es auch, runzelte die Stirn und zog sein Notizbuch heraus. Sorgfältig verglich er die Züge des Toten mit einer Personalbeschreibung, aber dann schüttelte er enttäuscht den Kopf.

»Ich dachte zuerst, daß es sich um jemand handelt, der gesucht wird …«

»Meinen Sie Mr. Reigate?«

»Ja, aber der kann es nicht sein. Mr. Reigate ist dunkelblond, hat dichte Augenbrauen und einen dunklen Schnurrbart.«

Der Morgenrock war so gut wie neu, und der Schlafanzug bestand aus feinster Seide. Sie durchsuchten die Taschen, und der Polizist zog aus einer einen versiegelten Briefumschlag.

»Den werde ich verwahren und auf dem Revier abgeben …«, erklärte er, stolz auf seinen Fund, als ihm Mr. Reeder den Brief einfach aus der Hand nahm. Zum größten Schrecken des Polizisten erbrach er die Siegel, öffnete den Umschlag und holte den Inhalt heraus. Es waren fünfzig Banknoten zu je hundert Dollar.

»Hm!« machte Mr. Reeder und kratzte sich am Kopf.

Woher mochte der Mann gekommen sein? Wie kam er in diesem Aufzug auf die Straße?

Mr. Reeder brachte die nächste Stunde damit zu, Antwort auf diese Fragen zu suchen, doch hatte er dabei wenig Glück.

Ein Zeitungsjunge hatte gesehen, wie der Mann auf dem Gehsteig entlanglief. Seiner Meinung nach war er aus der Malpas Road eingebogen – einer Straße, die mit der Brockley Road parallel läuft. Ein Verkehrsschutzmann beobachtete ihn dann, wie er über die Straße lief und kopflos den einzelnen Wagen auszuweichen versuchte. Der Chauffeur eines Lieferautos dagegen versicherte, er habe ihn auf der anderen Straßenseite gesehen und erklärte, der Mann wäre in der entgegengesetzten Richtung gelaufen. Keiner aber konnte eine genaue Beschreibung des Motorradfahrers liefern.

Um zehn Uhr am gleichen Abend versammelten sich die führenden Beamten von Scotland Yard in Mr. Reeders Wohnung. Die Fingerabdrücke des Toten waren bereits mit den Karteien verglichen worden, aber man hatte nichts finden können. Das einzige Erkennungszeichen an der Leiche war ein Muttermal unterhalb des linken Ellbogens, ungefähr so groß wie eine Stachelbeere.

Der Chef von Scotland Yard schüttelte den Kopf.

»So etwas habe selbst ich noch nicht erlebt! Meine Beamten haben in allen Häusern der Umgebung nachgefragt – schließlich kann der Mann in seinem Schlafanzug ja nicht von weither gekommen sein – aber es wird niemand vermißt. Was halten Sie von der Sache, Mr. Reeder? Sie haben doch die Leiche bereits untersucht?«

Mr. Reeder nickte.

»Und konnten Sie sich eine Meinung bilden?«

Der Detektiv zögerte.

»Bevor ich mich äußere, möchte ich mich eigentlich noch mit einer gewissen jungen Dame unterhalten. Leider hat sie kein Telefon – aber ich habe einen Wagen hingeschickt, um sie zu holen.«

»Und wer ist diese junge Dame?«

»Miss Reigate, die Schwester des Toten.«

Es klingelte an der Haustür, und er ging selbst hinunter, um zu öffnen. Es war Miss Reigate, und er führte sie in das kleine Wohnzimmer, das im Erdgeschoß lag.

»Ich muß eine Frage an Sie stellen – und ich wäre sehr froh, wenn Sie mir die richtige Antwort geben könnten. Hat Ihr Bruder irgendwelche besonderen Merkmale, an die Sie sich erinnern?«

Sie nickte lebhaft.

»Ja, er hat ein kleines Muttermal am Unterarm – gleich unterhalb des Ellbogens. Es hat vielleicht einen Zentimeter Durchmesser.«

»Am linken Arm?« fragte Mr. Reeder schnell.

»Ja. Aber warum wollen Sie das wissen? Ist irgend etwas passiert?«

»Ich fürchte – ja«, entgegnete Mr. Reeder freundlich und erzählte ihr, was er vermutete. Sie war fassungslos und ließ sich schluchzend in einen Sessel sinken. Kopfschüttelnd überließ er sie der Obhut seiner Haushälterin und ging in sein Arbeitszimmer zurück, wo er den Beamten von Scotland Yard mitteilte, was er eben erfahren hatte.

»Es war mir von Anfang an klar, daß die Haare gefärbt worden sind.