Schnurrbart und Augenbrauen hat man ihm abrasiert.«
»Der Tote soll Reigate sein?« fragte einer der Beamten ungläubig. »Das ist doch nicht möglich! Ich habe eine Fotografie von ihm bei mir – er ist dunkelblond! Und sein Gesicht sieht völlig anders aus!«
»Ich sagte Ihnen ja, sein Haar ist gefärbt – und zwar sehr geschickt. Abgesehen davon machen Sie sich keine Vorstellung davon, wie sehr es den Gesichtsausdruck eines Menschen verändert, wenn man ihm Augenbrauen und Schnurrbart abrasiert.«
Reeder drehte sich um und deutete auf die Dollarnoten, die auf dem Tisch lagen.
»Das alles sind Bestandteile eines einzigen großen Plans. Die Veränderungen am Gesicht Mr. Reigates, das Geld, das in seiner Tasche steckte – und ist Ihnen nicht auch an der Kleidung, die er trug, etwas aufgefallen?«
»Ein starker Kampfergeruch«, entgegnete ein anderer Beamter eifrig. »Ich habe es vorhin dem Chef gesagt. Meiner Meinung nach deutet das darauf hin, daß die Kleidungsstücke lange Monate aufbewahrt worden waren. Er hatte sich wahrscheinlich Kleider für die Flucht beschafft und sie irgendwo versteckt. Kampfer ist doch einer der Hauptbestandteile von Mottenkugeln, nicht wahr?«
Mr. Reeder nickte zuerst, schüttelte dann aber nachdrücklich den Kopf.
»Natürlich wird Kampfer zur Herstellung von Mottenkugeln verwendet. Ich bin überzeugt davon, daß der Kampfergeruch ein sehr wichtiger Hinweis ist – doch mit Ihren übrigen Schlüssen sind Sie auf der falschen Spur. Ich kann Ihnen noch nicht alles sagen, was ich vermute – über vieles bin ich mir selbst noch nicht im klaren.«
Miss Reigate erkannte ihren Bruder; seine Identität stand also einwandfrei fest. Er war durch vier Schüsse aus einem großkalibrigen Browning getötet worden.
Völlig ergebnislos blieben alle Nachforschungen nach dem Motorradfahrer. Man fand nicht den geringsten Anhaltspunkt, der einen Hinweis auf seine Person hätte geben können.
Am nächsten Morgen um neun Uhr ging Mr. Reeder mit einem Beamten in Reigates Wohnung und nahm eine peinlich genaue Haussuchung vor. Es waren im ganzen vier kleine, behaglich eingerichtete Räume, dazu Küche und Bad.
Reigate hatte das größere der beiden Schlafzimmer benutzt. In einer Ecke stand ein kleiner Schreibtisch, an dem er wahrscheinlich seine Privatgeschäfte erledigt hatte.
Daß er im Grunde seines Wesens ein sehr ordentlicher Mensch gewesen war, bewies die Tatsache, daß er über alle seine Spekulationen genau Buch geführt hatte. Neben Stapeln von unwichtigem Aktenmaterial fand Reeder in der letzten Schublade schließlich eine Stahlkassette. Sie war verschlossen, hatte aber ein verhältnismäßig unkompliziertes Schloß, das der Detektiv mit Hilfe eines Sortiments von Nachschlüsseln bald öffnen konnte. Zwei Lebensversicherungspolicen und ein kleines Notizbuch lagen in der Kassette. Das Notizbuch enthielt genaue Angaben über Reigates Privatvermögen. Außerdem fand er einen versiegelten Briefumschlag, machte ihn auf und nahm zwei Yaleschlüssel heraus, die an einem Stahlring hingen. Reeder verglich sie miteinander und sah, daß sie zu verschiedenen Schlössern gehörten. Das war aber auch alles. Wofür sie bestimmt waren, ließ sich aus keinem Anhaltspunkt ersehen.
Reeder zog ein starkes Vergrößerungsglas aus der Tasche, untersuchte die Schlüssel genau und kam schließlich zu der Folgerung, daß sie noch nie benützt worden waren.
Der Boden der Kassette war mit einem Stück schwarzen Filz bedeckt. Reeder hob es hoch und fand darunter ein Blatt Papier, das von einem Notizbuch stammte. In einer schönen, regelmäßigen Handschrift standen verschiedene Notizen darauf; einzelne Worte waren mit roter Tinte unterstrichen. Auf der Rückseite war eine Liste von Straßennamen aufgeführt; neben jedem Namen stand eine Zeitangabe. Mr. Reeder sah, daß die Zeitangaben zwischen zehn Uhr morgens und vier Uhr nachmittags schwankten.
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