Wenn er auch als berühmter Kriminalist viel mit Leuten verkehren mußte, die sich aus den unmöglichsten Gründen an ihn heranmachten, war ihm diese selbstsichere Unverfrorenheit doch ein wenig zuviel.

Mit einem Kopfnicken verabschiedete er sich und suchte ein Restaurant auf, um ein Glas Milch zu trinken und ein paar belegte Brote zu essen. Aber der Appetit verging ihm, als Mr. Hallaty wieder vor ihm auftauchte und sich einfach an seinen Tisch setzte. Er ließ Milch und Butterbrote stehen und hörte schweigend den langatmigen Ausführungen von Mr. Hallaty über Verbrechen und deren Verhütung zu.

»Ein Verbrecher müßte es schon schlau anfangen, wenn er mich täuschen wollte! Ich durchschaue die meisten Menschen auf den ersten Blick«, erklärte Hallaty und steckte sich eine dicke Zigarre an.

Mr. Reeder betrachtete angelegentlich ein Plakat mit der Aufschrift ›Rauchen verboten‹.

»Sie haben doch hoffentlich nichts dagegen, daß ich rauche?« fragte Mr. Hallaty.

»Doch, es ist mir unangenehm.«

Der andere lachte und ließ sich nicht stören.

»Ich persönlich bin davon überzeugt, daß es wenig wirklich kluge Berufsverbrecher gibt. Wenn sie an einen nur einigermaßen über dem Durchschnitt stehenden Geschäftsmann geraten, sind sie schnell mit ihrer Weisheit am Ende.«

Mr. Hallaty plauderte noch eine Zeitlang selbstgefällig weiter, bis Mr. Reeder schließlich die Geduld verlor.

»Bitte, lassen Sie mich jetzt allein. Ich möchte meine Mahlzeit gern in Ruhe beenden.«

Jetzt endlich merkte Hallaty, daß er mit seiner Unverfrorenheit zu weit gegangen war und entschuldigte sich. Rasch stand er auf und verließ das Lokal, ohne seine Tasse Tee bezahlt zu haben.

Als der Detektiv später über das Gespräch nachdachte, das er mit Mr. Hallaty geführt hatte, fiel ihm auf, daß der sich hauptsächlich danach erkundigt hatte, wie die Verfolgung von entsprungenen Sträflingen durchgeführt wurde. Zu Hause schrieb er den Namen Hallaty in ein kleines Buch, auf dessen Einband ein großes Fragezeichen stand.

Aber es schien eigentlich unmöglich, daß ein Mann, der so offen über Verbrechen sprach, selbst etwas auf dem Kerbholz hatte. Verbrecher hüteten sich für gewöhnlich, in der Öffentlichkeit aufzufallen.

Hallaty hatte gesagt, daß er der Geschäftsführer der London und Orient-Bank in Gunnersbury sei, und das stimmte auch, wie Mr. Reeder feststellen konnte. Er bewohnte ein Apartment in der Albemarle Street, fuhr seinen Wagen meist selbst, hielt sich aber einen Chauffeur und einen Diener und hatte einen großen Freundeskreis. Außerdem besaß er noch eine kleinere Wohnung in Hammersmith, wo er die meiste freie Zeit verbrachte.

Die L. und O.-Bank unterhielt eine bedeutende Niederlassung in Gunnersbury. Eine Reihe größerer Elektrizitätsgesellschaften hatte dort ihre Konten, ebenso die Gaswerke von Kelson und verschiedene andere Firmen und Fabriken.

 

Etwa einen Monat nach der Unterhaltung mit Mr. Reeder suchte Hallaty die Londoner Filiale der Ninth Avenue Bank in der Lombard Street auf. Er erklärte dort, daß einer seiner besten Kunden, ein englisch-amerikanischer Konzern, eine größere Summe in amerikanischen Banknoten brauche, und erkundigte sich, ob die Ninth Avenue Bank in der Lage wäre, den nötigen Betrag von fünfundsiebzigtausend Dollar zu liefern.

Die Angestellten der amerikanischen Bank waren sehr liebenswürdig und versicherten Mr. Hallaty, daß das Geld für ihn bereitliegen würde. Am Freitagnachmittag erschien Hallaty, zahlte die englischen Banknoten ein und erhielt das amerikanische Geld dafür.

Die Direktion der L. und O.-Bank berief am selben Nachmittag eine dringende Konferenz ein.

»Ich mache mir Sorgen wegen dieses Hallaty«, sagte der Generaldirektor. »Einer unserer Detektive hat herausgebracht, daß er ziemlich über seine Verhältnisse lebt.«

»Wie hoch ist denn sein Gehalt?« fragte einer der Anwesenden.

»Nicht ganz tausend Pfund im Jahr.«

Es folgte ein peinliches Schweigen.

»Er ist ein tüchtiger Mann, vielleicht hat er sein Geld gut angelegt.«

Die Frage wurde noch akuter, als ein Beamter erschien und dem Generaldirektor von einem Telefongespräch berichtete. Eine andere amerikanische Bank – die Dyers-Bank – meldete, daß Mr. Hallaty eben eine Summe von zehntausend Pfund in amerikanischen Banknoten umgewechselt hätte. Am Vormittag hatte er das Geschäft telefonisch vorbereitet und dabei angegeben, daß die Brite-Lite-Gesellschaft das Geld benötige. Die Leitung der Dyers-Bank hatte jedoch Verdacht geschöpft, als der Kassierer meldete, daß Mr.