»Hören Sie einmal, Eau douce«, fuhr der Kundschafter fort und lachte in seiner geräuschlosen Weise, »wollen wir nicht den Charakter dieses Burschen auf die Probe stellen und ihn über die Wasserfälle schießen lassen?«

»Und was soll mittlerweile die schöne Nichte anfangen?«

»Nun - nun - ihr darf kein Leid geschehen; sie muß jedenfalls um die Fälle zu Fuß gehen, aber Sie und ich wollen diesen atlantischen Meermann auf die Probe stellen, und dann werden wir alle bekannter miteinander. Wir werden sehen, ob sein Feuerzeug auch wirklich Feuer gibt, und er kann auch lernen, wie man es an der Grenze treibt.«

Jasper Western lächelte; denn er war einem Scherz nicht abgeneigt, und die Altklugheit Caps hatte ihn auch ein wenig verdrossen. »Das Mädchen könnte vielleicht erschrecken«, sagte er aber vorsichtig und besorgt.

»Sie? Gewiß nicht - sie hat durchaus nichts von einem furchtsamen Mädchen. Überlassen Sie also mir die Sache, Eau douce; ich will sie allein ins Werk setzen.«

»Sie nicht, Pfadfinder; Sie würden beide ertrinken lassen. Wenn das Kanu über die Fälle geht, muß ich darin sein.«

»Gut - mag’s so sein! Wollen wir die Pfeife zum Abschluß unseres Handels rauchen.«

Western lachte und nickte. Die Gesellschaft hatte inzwischen das Kanu erreicht.

Drittes Kapitel

 

Alle Wasser, die sich auf der südlichen Seite des Ontario in den See ergießen, sind im allgemeinen schmal, langsam und tief. Es gibt jedoch einige Ausnahmen, denn mehrere Flüsse haben Stromschnellen, und zu diesen letztem gehörte der Oswego, auf dem die Gesellschaft reisen wollte. Der Oswego wird aus dem Zusammenfluß des Oneida und des Onondaga gebildet, die beide ihren Ursprung den Seen verdanken. Er verfolgt etwa fünfzehn Kilometer weit seinen Weg durch ein wellenförmiges Land, bis er den Rand natürlicher Terrassen erreicht. Über diese stürzt er sich in eine etwa drei bis fünf Meter tiefer gelegene Ebene, durch die er seinen Lauf mit der dem tiefen Wasser so eigenen, stillen und heimlichen Art langsam fortsetzt, bis er im Ontario seinen Weg endet. Das Kanu, in dem Cap und seine Begleiter vom Fort Stanwix, dem letzten militärischen Posten am Mohawk, gereist waren, lag an der Seite dieses Flusses. Alle stiegen sofort ein, Pfadfinder ausgenommen, der auf dem Land blieb, um das leichte Fahrzeug abzustoßen.

»Richten Sie das Boot stromaufwärts, Jasper«, rief der Jäger dem jungen Schiffer zu, der Pfeilspitze das Ruder abgenommen hatte und den Platz des Steuermanns einnahm, »und lassen Sie es mit dem Strom gehen! Sollten die Mingos uns verfolgen, so werden sie nicht vergessen, im Schlamm nach Spuren zu suchen und werden glauben, wir seien stromaufwärts gegangen.«

Diese Weisung wurde befolgt, und indem er dem Kanu einen kräftigen Stoß gab, sprang Pfadfinder selbst mit solcher Leichtigkeit hinein, daß er das Gleichgewicht des Bootes nicht störte. Sobald das Fahrzeug die Mitte des Flusses erreicht hatte, wurde es gewendet und begann nun geräuschlos den Strom hinabzugleiten. Das Boot, in dem Cap und seine Nichte sich für ihre gewagte Reise eingeschifft hatten, war eines jener aus Rinde gebauten Kanus, wie sie die Indianer zu fertigen gewohnt sind, und die durch ihre Leichtigkeit und Schnelligkeit vortrefflich für die Flüsse geeignet sind. Charles Cap und Pfeilspitze hatten es oft, wenn es ausgeladen war, viele hundert Schritt getragen. Es war jedoch lang, und für ein Kanu ziemlich breit. Mabel und ihr Onkel hatten gelernt, sich soweit in seine Bewegungen zu schicken, daß sie ihre Sitze ruhig behaupteten. Das hinzugekommene Gewicht der drei Führer überstieg keineswegs die Tragfähigkeit des Bootes. Es war gut gearbeitet, die Planken waren schmal und mit Fellen zusammengehalten. Cap hatte seinen Sitz auf einer niedrigen, schmalen Bank, in der Mitte des Kanus, die Große Schlange kniete nahe bei ihm. Pfeilspitze und sein Weib saßen vor den beiden. Mabel lehnte sich halb auf einen Teil ihres Gepäcks hinter ihrem Onkel, während Pfadfinder und Eau douce aufrecht standen, der eine vorn, der andere hinten. Beide führten ihre Ruder in langen, geräuschlosen Schlägen. Die Unterhaltung wurde leise geführt. Der Oswego war an dieser Stelle tief und dunkel und nicht sehr breit. Seine düster aussehenden Wasser wanden sich durch überhängende Bäume, die an einzelnen Stellen fast das Licht des Himmels verdeckten. Hier und da lag ein halbgefallener Riese des Waldes beinahe schräg über dem Fluß, und man mußte ihn vorsichtig umfahren.

»Ich sehne mich manchmal wieder nach Frieden«, sagte Pfadfinder, »wo man durch den Wald streifen kann, ohne andere Feinde als wilde Tiere aufzusuchen. Manchen Tag habe ich und die große Schlange glücklich und zufrieden an den Ufern der Ströme zugebracht. Ich bin überzeugt, des Sergeanten Tochter hält mich nicht für einen Jäger, der gern auf menschliche Wesen Jagd macht?«

»Ich glaube nicht, daß mein Vater Sie dann gesandt hätte«, antwortete das junge Mädchen lächelnd.

»Sicher nicht; der Sergeant ist ein gefühlvoller Mann, und manchen Marsch und manch Gefecht haben wir bestanden - Schulter an Schulter, wie er es nannte -, obgleich ich immer meine Glieder freihalte, wenn ich einem Franzosen oder einem Mingo nahe bin.«

»Sie sind also der junge Freund, von dem mein Vater sooft schrieb.«

»Sein junger Freund - der Sergeant ist fast dreißig Jahre älter als ich und um ebensoviel besser.«

»Nicht in den Augen seiner Tochter vielleicht, Freund Pfadfinder«, rief Cap, dessen Lebensgeister aufzuleben begannen, als er wieder Wasser um sich fühlte, »die Jahre, die Ihnen fehlen, werden in den Augen von Mädchen mit ungefähr neunzehn Jahren nicht immer für einen Vorzug gehalten.«

Mabel errötete und wandte ihr Gesicht ab. Gerade in diesem Augenblick kam ein dumpfer, schwerer Laut den Fluß herauf.