Der Pfarrer von Kirchfeld

Anzengruber, Ludwig

Der Pfarrer von Kirchfeld

 

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Ludwig Anzengruber

Der Pfarrer von Kirchfeld

Volksstück mit Gesang in vier Akten

 

Mit Verlaub, lieber Leser!

 

Das soll keine Vorrede sein, sondern ich habe nur wenige Worte im Vorbeigehen jenen Lesern zu sagen, welchen dieses Stück schon von der Bühne herab bekannt ist, und sollte dies etwa dein Fall sein, lieber Leser, so verweile dich ein wenig bei diesen Zeilen.

Wer mit der Darstellung dieses Stückes schon vertraut ist, wird auf verschiedene Stellen stoßen, welche für ihn den Reiz der Neuheit haben werden (ob auch einen anderen, erlaube ich mir nicht zu entscheiden); dieses Plus an Worten und Gedanken ist dadurch entstanden, daß ich, unbekümmert um die Striche, welche die Censur und die Theaterregie angebracht haben, das Werk so, wie es niedergeschrieben wurde, in Druck legen ließ.

Indem ich mich solchergestalt von dem Leser auf der Schwäche litterarischer Eitelkeit ertappen lasse, kann ich es ihm um so weniger ersparen, meinen Charakter an einer anderen Stelle in den sanften Lichtern der Entsagung und des Dankes glänzen zu sehen.

Weder den Nachlesern, die das Stück schon von der Bühne her kennen, noch den Nurlesern, die es nie aufgeführt gesehen haben, wollte ich das liebe Lied: »Darf ich 's Büberl liab'n?« entziehen; die ersteren hätten es gewiß sehr vermißt, die anderen wird die Zugabe sicherlich freuen. Dieses Lied, wie alle im Stücke vorkommenden Gesänge von dem verdienstvollen Kapellmeister Adolf Müller sen. allerliebst in Musik gesetzt, ist nach der Bühnensprache eine »Einlage«; es ist nicht von mir und ferne davon, mich mit fremden Federn schmücken zu wollen, gebe ich bekannt, daß der treffliche steiermärkische Schriftsteller P.K. Rosegger es ist, welcher dieses Gedicht ersonnen und zum Frommen aller verliebten »Diandln« von der höchsten Instanz, »'n Herrgott«, die bejahende Erledigung der Frage, ob 's Büberl geliebt werden darf, erwirkt hat.

Ueber den ersten Punkt war ich dem Leser, über den zweiten mir die Aufklärung schuldig; ich darf nun wohl schweigen und dem »Pfarrer von Kirchfeld« es überlassen, seine Sache selbst zu führen; möge er das, was er von der Rampe herab Tausenden gesagt, jetzt vor dem Einzelnen im traulichen Lesezimmer wiederholen, und wenn dann für alle, alle um ihr Herz Betrogenen, mögen sie nun mit wahrer Entsagung den Gott der Liebe lehren, oder auf steilen Höhen nach Wurzeln graben, das Mitleid erwacht, dann will ich mich gerne bescheiden, daß die Furcht weggeblieben und aus der halben Tragödie – ein Volksstück geworden.

Der Verfasser.

 

 

Personen.

Graf Peter v. Finsterberg.

 

Lux, dessen Revierjäger.

 

Hell, Pfarrer von Kirchfeld.

 

Brigitte, seine Haushälterin.

 

Vetter, Pfarrer von St. Jakob in der Einöd.

 

Anna Birkmeier, ein Dirndl aus St. Jakob.

 

Michel Berndorfer.

 

Thalmüller-Loisl.

 

Der Schulmeister von Altötting.

 

Der Wirt an der Wegscheid.

 

Sein Weib.

 

Hannsl, beider Sohn.

 

Der Wurzelsepp.

 

Landleute von Altötting und Kirchfeld.

 

Kranzeljungfern.

 

Musikanten.

 

Erster Akt.

 

Jagdfanfaren, bevor der Vorhang aufgeht, schließen die Ouverture.

Dekoration: Gebirgslandschaft; Coulisse: vom Hintergrunde ansteigende Felsen, in die Seite verlaufend und praktikabel, links ein kleines Haus, durch Aushängzeichen als Wirtshaus kenntlich gemacht, ein Tisch vorne rechts nahe an der Coulisse.

 

Erste Scene.

Die Jagdfanfare setzt, während der Vorhang aufgeht, noch einmal und während die Scene frei ist und Graf Finsterberg und Lux im Hintergrunde auf den Felsen erscheinen, das zweite und letzte Mal verhallend ein.

 

LUX rauher alter Weidmann, militärische Haltung, in die Scene links weisend. Excellenzherr, dort drüben ist ein kapitaler Stand, da wechselt das Wild gerne.

FINSTERBERG graues Haar, in der Mitte gescheitelt, glattes Gesicht, hohe Binde, steif, trocken aber aristokratische Manieren, Jagdkleid, gleichfalls in die Scene links deutend. Das dort vor uns ist wohl Kirchfeld?

LUX. Zu dienen, Excellenzherr.

FINSTERBERG vorkommend. In dem Pfarrsprengel wirtschaftet ja der Hell?

LUX folgt in respektvoller Entfernung. Hm, halten zu Gnaden, aber Betonend. unser hochwürdiger Herr heißt Hell!

FINSTERBERG hustet. Ja, ja, ganz gut! Ist er Ihm auch ins Herz gewachsen, Lux?

LUX. Mir? Halten zu Gnaden, ich bin Weidmann – Forstmann – ich geb' eigentlich auf keinen was, der da in einem gemauerten Häuschen was reden will von dem, der die weite Welt erschaffen hat.

FINSTERBERG rasch sich gegen Lux wendend. Lux, was soll das gottlose Reden?

LUX. Ist nicht gottlos, halten zu Gnaden, mag wohl bloß so aussehen; in so einem Gemäuer wird mir angst und bang, wenn da einer Gott und Welt 'neinsperren will und hat kaum eine Gemeinde drin Platz, da 'raus sollten sie kommen in grünen Wald, ho, da würden sie anders reden und der hochwürdige Herr Hell, das wär' so ein Waldprediger nach meinem Herzen – halten zu Gnaden!

FINSTERBERG lächelnd. Na ja, ja, Er Waldbär! – Ihm hält man manches zu gute, nur trag' Er das nicht unter die Leute mit den Welt- und Waldpredigern und bedenk' Er, daß der Satan, wenn ihm's um Seine Seele zu thun ist, auch einen grünen Rock anzieht, und drum hol' Er sich immerhin alle Sonntag sein Stück Christentum in dem gemauerten Haus da drüben.

LUX. Thu's ohnedem, Excellenzherr, verdrießt mich auch nicht, von wegen dem hochwürdigen Herrn Pfarrer dort, dem Hell, der sagt: »Sei du brav und geh ehrlich deiner Wege, so sind's Gotteswege.«

FINSTERBERG hustet erregt. Lux, thu' Er mir das neumodische Reden ab! Merk' Er's, das leid' ich nicht! Weg und Weg das ist ein Unterschied, auf Gottes Wege glaubt jeder hinzutraben und 's gibt doch Wege, wo er vor Hindernissen nicht hingelangen kann zu ihm und mag er sonst noch so wacker ausschreiten. – Bleib' Er hübsch auf dem, den man Ihm von Kind auf gewiesen hat, und dank' Er Gott dafür, daß Ihm dies Glück geworden ist.

LUX. Thu's ohnedem – halten zu Gnaden – nur mein' ich ...

FINSTERBERG strenge. Lux, solche Leute wie Er haben nichts zu meinen; sobald sie das anfangen, hat alles Auskommen mit ihnen ein Ende. Ihr habt nichts zu meinen! Wir meinen auch nichts, wir nehmen die göttliche Weltordnung, wie sie da ist, mit allen ihren Vorteilen einerseits und all der schweren Verantwortung anderseits.

LUX hingeworfen. Ungeschaut!

FINSTERBERG. Und zu der letzteren gehört auch, daß wir die Leute, die wie Er sind, führen zu ihrem eigenen Besten, – das »Obenhinauswollen« führt zu nichts und vorgesorgt muß werden, daß ihr im alten guten Geleise bleibt, denn sieht Er, Lux, die göttliche Weltordnung bestand schon lange, länger als wir es denken können, und wird bestehen, solange es Menschen gibt. Wer sich dagegen auflehnt, dem wird's bald in seiner eignen Haut nicht wohl – warum? Er sieht, das Gebäude steht fest und ändern kann er's nicht, wie er auch dran rüttelt, und wer die andern dazu verführt, den muß man wegrücken aus deren Gemeinschaft.

LUX. Glaub's ohnedem!

FINSTERBERG nickt vor sich hin. Dabei bleib' Er, Lux, und wir bleiben die Alten! Zieht seine silberne Dose, greift bedächtig nach einer Prise. Die göttliche Weltordnung, Lux Klopft ihm gnädig auf die Achsel.