Neulich, als du mein Zimmer in Ordnung brachtest, lag auf meinem Sekretär ein Kreuzchen mit einer Kette; du hattest es in die Hand genommen – ich habe deine Gedanken wohl erraten, wenn ich meine, daß du es für dein Leben gern gehabt hättest.
ANNERL leise. Ja, hochwürdiger Herr, weil – weil alle Dirndln da um Kirchfeld solchene Kreuzeln trag'n.
HELL. Ich wollte dir eine Freude machen, ich habe das Kreuzchen zu mir gesteckt Zieht es aus der Tasche. ich will es dir schenken.
ANNERL. Mir? Was du gut bist – aber das Kreuzel is ja schwer Gold.
HELL. Du sollst eben nicht denken, daß es von Gold, als vielmehr, daß es ein Kreuz ist.
ANNERL. Ich denk' auch nur dran deswegen, weil du mir's schenken willst.
HELL. Nimm nur! Gibt es ihr. Es ist ein Geschmeide meiner verstorbenen Mutter.
ANNERL erschreckt. Von deiner Mutter selig? Na, da behalt's nur, das bin ich nit wert.
HELL. Ich wüßte niemanden, in dessen Händen ich es lieber sehen würde, als in den deinen.
ANNERL verwirrt und errötend. Du mußt mir aber doch recht gut sein, weil d' mir das Kreuzel gönnst?
HELL. Das kannst du noch fragen, Anne?
ANNERL sinkt mit ihrem Gesichte auf seine Hände, schluchzend. O du mein Gott und Herr!
HELL. Was ist dir, Anne?
ANNERL erhebt sich. Nichts, gar nichts!
HELL. Ich habe es dieser Tage gedacht: wenn mir nun meine Schwester am Leben geblieben wäre, wer weiß, wäre sie noch bei mir? Ein braver Mann hätte sie vielleicht von mir weg in sein Haus geführt – und da dachte ich denn auch an dich, ich dachte mir, da du dich einmal zu dienen entschlossen hast, da dir hier nichts abgehen wird, daß du bei mir bleiben wirst, daß du mich nicht verlassen wirst!
ANNERL gibt ihm die Hand. Mein Lebtag net! Kleine Pause, sie zieht ihre Hand aus der seinen. Gute Nacht, Hochwürden!
HELL. Gute Nacht!
ANNERL zurückkehrend. Und darf ich das Kreuzel offen tragen vor ganz Kirchfeld?
HELL. Gewiß! Warum fragst du?
ANNERL. Ich hab' nur g'fragt, daß ich weiß, was dir recht ist! Nach allem andern frag' ich nimmer! Recht, recht gute Nacht! Ab.
HELL. Gute Nacht, Anne!
Dritte Scene.
HELL allein. Sei mir gegrüßt, du heiliger Hauch des lange verlorenen Familienlebens, das wieder mit diesem Kinde in mein Haus gezogen ist! Wieder, wie einst in den Tagen, wo ich eifrig über meinen Studien saß, wird eine helle freundliche Stimme an mein Ohr schlagen, wieder, wenn ich das Auge von meinen Büchern hebe, werde ich in ein frisches, heiteres Antlitz blicken – und wieder werde ich wissen: ich bin nicht allein, ich muß auf der Hut sein vor mir selbst, muß jedes Fleckchen, das vielleicht dem Entfernteren unbemerkbar ist, aber in der Nähe doch übel auffällt, sorgfältig in all meinem Denken und Handeln löschen – und jenes Leben, das immer auf andere vorab Rücksicht nimmt, muß mir wieder zur zweiten Natur werden und nur wer so lebt, versteht dich, du Gott der Liebe! Und nur der, der ein Herz in den engen Grenzen seines Hauses recht erfaßt und verstehen lernt, der weiß sie alle zu fassen, alle zu verstehen, die Herzen, die in der weiten Welt pochen und hämmern, denn was auch die Welt an ihnen gesündigt, aus der Hand des Schöpfers sind sie doch gleichgeartet hervorgegangen – eine schwache zitternde Magnetnadel, über die die Ströme des Lebens hinziehen und sie vielfach ablenken, die sich aber doch nicht irre machen läßt und ihren Norden sucht ... die ewige Liebe!
Vierte Scene.
Hell. Wurzelsepp schwingt sich über den Zaun.
HELL durch das Geräusch aufmerksam gemacht, wendet sich. Wer ist da?
SEPP eine kurze Pfeife schmauchend, kommt vor. Guten Abend!
HELL. Du, Sepp!!!
SEPP immer demütig, bis die ändernde Anmerkung kommt.
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