Ich hab's ja g'wußt, daß d' mich doch kennst, wenn ich auch in kein' Kirchen komm!

HELL. Was führt dich noch so spät hierher?

SEPP. Ich bin eigentlich schon lang da – seit nachmittag schleich' ich da um'n Pfarrhof und seit einer Viertelstund' lieg' ich da hinterm Zaun.

HELL. Du horchtest, spioniertest? Pfui!

SEPP. Aus Zeitlang!

HELL gelassen. Wenn ich das gelten lasse, was weiter führt dich dann zu mir?

SEPP. Nichts – nichts – nur bedanken will ich mich, weil ich mich da hinterm Zaun so gut unterhalten hab'!

HELL. Du hast dich auf krummen Wegen, mit hinterlistigen Worten an mich herangeschlichen ... Sepp, du hast nichts Gutes im Sinn.

SEPP auflachend. Haha! Du bist schlau!

HELL. Als Freund der offenen That und der offenen Rede fasse ich dich denn gerade an, wo ich dich treffe und frage dich: Warum beobachtest du mein Thun und Lassen heimlich und versteckt? Was kommst du wie ein Dieb in der Nacht in mein Haus?

SEPP gehässig. Weil ich dein Feind bin!

HELL. Mein Feind? Du irrst!

SEPP. Ich weiß recht gut, wen ich mein' – und ich sag' dir's ja, daß ich dich mein'!

HELL. Mein Feind! So habe ich denn einen Feind? Ich hätte das nicht gedacht! Was für Ursache habe ich dir je gegeben, mein Feind zu sein? – Sepp, du thust unrecht, auch dann unrecht, wenn du – wie ich fürchte – nur der Feind des Kleides bist, das ich trage.

SEPP. Drüber woll'n wir nit streiten, du tragst es ja ein mal doch das G'wand.

HELL. Das Kleid macht nicht den Mann – und nicht darauf kommt es an im Leben, was wir sind, sondern wie wir es sind.

SEPP. Das glaub' ich selber! Mit dem G'wand aber mußt du das sein, was ich mein' und so bin ich schon recht! Mit Schadenfreude. Ja, Pfarrer, du mußt's sein – mußt, wenn d' gleich nit wolltest – mußt, ob dir's jetzt 's Herz abdrucken will, oder ob du in Boden 'neinstampfst ... du mußt!

HELL. Mensch, was liegt auf dem Grunde deiner Seele? Woher dieser gehässige, feindselige Jubel?

SEPP. Weil mich's freut. Ein' von euch da zu sehn, wo ich vor zwanzig Jahren mich g'wunden hab' wie ein Wurm. Damals bin ich auf die Knie g'leg'n vorm Pfarrer und hab' g'sagt: Herr! Das Derndl is mir in d'Seel' g'wachsen, wann's a a Lutherische is; unser Herrgott, der mir 's Herz in d'Brust geb'n hat, wird wissen, wie das hat g'schehn können. Gebts mich z'samm' mit ihr! Die Höll' hat er ledig auf mich loslassen – 's ganze Dorf aufg'hetzt wider mich – und mein' eigene Mutter von mir abg'red't – na, und wie die kommen is und g'sagt hat: »Sepp, thu's um mein' Seel'nruh net!« da hab' ich's sein lassen. Freilich hat 's Herz in mir aufg'schrien: »So is's Gotts Will net, daß der Mensch elend sein soll!« – aber ich hab' ihm g'sagt, es soll still sein, und seit der Zeit hat's nindascht mehr dreing'red't. Recht stad is's in mir word'n, ich hab' mein G'werk auf'n Nagel g'hängt, bin da 'naufkraxelt auf die Berg', recht hoch, wo's a so still und kalt is und bloß, daß ich mein' Gedanken auskomm', hab' i mir a Arbeit g'macht und Wurzel und Kräuter g'sammelt und so is aus'm Gerber- der Wurzelsepp word'n; – mein' Mutter hat den Jammer mit ang'schaut, helfen hat s' net könna, das hat s' g'wußt; sie hat g'wart' und g'wart', ob ich nit amol doch mit ein' freundlichen G'sicht hoamkomm' vom Gebirg. »Lachst denn gar nimmer, Sepp?« so hat s' g'fragt in die erst' Wochen a paarmal, dann mit der Zeit all' Tag und so fragt s' noch heut – nach zwanzig Jahr'n – sie hat sich hintersinnt. Fährt sich mit dem Aermel über die Augen, dann heftig. Weg'n mir 'leicht? Ich denk', das alles g'hört auf ein' andern sein Konto! Seit damals bin ich in keiner Kirch'n mehr g'wes'n und mein' Mutter – die erst aus Angst um mich und dann von selb'n z' Haus blieb'n is – geht a in keine und so sein wir a recht ordentliche Familie word'n! Freilich, a Müh' kost's schon, bis's einer so weit bringt, aber ich hab's so weit 'bracht, und jetzt, jetzt probier's du auch, Pfarrer!

HELL ergriffen.