Du bist unglücklich! Sepp, du magst in der Absicht gekommen sein, mich zu beleidigen; ich weiß von diesem Augenblicke an von nichts, als daß du unglücklich bist.
SEPP heftig. Ich brauch' dein Mitleid net!
HELL. Biete ich dir denn Mitleid allein? Sollte dir, dir allein unter Tausenden, der Trost so ganz ferne liegen, den ich dir bieten kann? O, wecke in dir nur ein Fünkchen Vertrauen! Glaube nur das, daß ich auch jenen gerne dienen will, die sich meine Feinde nennen!
SEPP. Haha, was ziehst denn so sanfte Saiten auf? – Gott bewahr' mich, daß ich je ein' Dienst von dir erbetteln müßt'! So weich du jetzt auch thust, wo du mich fangen willst – du würdest mir's doch eintränken, du würdest mir's doch nit vergessen, wo ich dich heut nacht g'habt hab'!
HELL. Rede offen, deute nicht immer an! Wo hast du mich denn heute, wo ich nicht schon gestern zu haben war? Um was bin ich über Nacht schlechter geworden in deinen Augen? Ich verstehe dich nicht.
SEPP wild. Laugn'st vielleicht, daß du der Dirn – der Ann' gut bist!
HELL sieht erschreckt auf Sepp.
SEPP kleine Pause. Du kannst's laugnen; aber du wirst's schon g'spür'n!
HELL erregt. Ich stehe deiner Verunglimpfung, solange sie mich – mich allein – betrifft, aber dies ehrliche Mädchen laß aus dem Spiel, es erfaßt mich ein heiliger Zorn –
SEPP einfallend. Is mir auch lieber, wenn d' herumschreist, dein sanfter Diskurs taugt mir schon lang nit – nur weck d'Nachbarsleut' nit, 's Dorf wird's noch zeitlich g'nug erfahr'n!
HELL. Keiner denkt im Dorfe wie du!
SEPP. Das mag sein, aber sie werd'n bald alle denken wie ich; ich fürcht' mich nit drauf, ich darf nur sagen, daß du der Ann' gut bist und sie glauben's, ohne daß s' weiter fragen, 's sein ja lauter gute Christen, ihr habt s' ja mehr 'n Satan, als unsern Herrgott fürchten g'lernt und so glaub'n s' auch eher 's Böse als 's Gute von ihr'n Nebenmenschen! Und wird mich 'leicht eins von euch Lug'n strafen? Die Anne, die mit ihr'n goldigen Kreuzel durchs Dorf statzt, g'wiß net und du, kannst du's? Dir klingt die Stimm' von dem Dirndl im Ohr wie der helle G'sang von an Waldvögerl, du schaust von deine Bücher auf nach ihrem frischen G'sichterl, du schenkst ihr das Kreuzl von deiner Mutter selig und gleichwohl du's nit haben kannst, das Dirndl, gönnst du's doch kein' andern! Du willst's halten und nit lassen für dein Lebtag! Und dö Dirn soll dir gleichgültig sein?
HELL gepreßt. Ich habe nichts mehr zu sagen – bist du zu Ende?
SEPP. Nein, mir hat's noch nit die Red' verschlag'n! – Weißt, ganz gleich hätt's ma sein können, ob du die Dirn gern oder ungern siehst, aber du warst ja im Land als ein Ausbund von Frummheit verschrieen – ich hab' an dich so wenig 'glaubt, wie an ein andern, und die Kirchfelder hab'n mir's übel g'nommen. Wahr is's, du bist der Best' g'wes'n, den s' noch in Kirchfeld g'sehn hab'n, vielleicht im ganzen Land! Du hast a wahr's Christentum in d'Gmeind' bracht, du hast ohne Schlüssel die Dorfschenk unter Tag g'sperrt, du hast den Raufteufeln auf die Tanzböd'n die Arm 'bunden, die ärgsten Lumpen haben sich g'schämt, dir und der G'meind' a Schand' z' machen und haben a öften vorm Lockteufel »kehrt euch« g'macht, du hast die Schul' brav g'halten, ja du hast die Kirchfelder dahin 'bracht durch dein Wort und durch dein' Red', daß selb'n drüber zu denken und reden ang'fangt hab'n, ich red' nix von dein' Beispiel, ich red' nix von deine Wohlthaten für die arm' Leut', ich red' nix, wie du manchem Bauer an d'Hand 'gangen, daß er mit seiner Wirtschaft vom Fleck kämma is, und keins hat g'wußt, woher d' nimmst! Soweit warst du der Erst' und der Letzt'! Aber glaubst, deswegen haben die Kirchfelder aufg'hört, die frühern zu sein? Die Lumpen sein dir aufsässig und passen dir schon lang, ob s' dir nix abg'winnen können; die dir Dank schuldig sein, die schamen sich, daß s' dich braucht hab'n und machten's gern wett, und den Frummsten bist du 'leicht noch z' streng! Kenn du die Bagasch, wie ich sie kenn'! Jetzt aber bist du da, wo ich's den Kirchfeldern unter die Nasen reiben kann, daß du nit besser bist als ein anderer, und jetzt derleb ich's, daß all das, was d' so mühselig aufbaut hast, dir über'n Kopf z'samm'purzelt, wie a Kartenhaus!
HELL. Nein, nein, nein!
SEPP. Ich bin nit so dumm, wie ich ausschau'! Und ich kenn' mich aus! Hilft dir alles nix, die Dirn is dein Unglück! Ich weiß, du planst dir jetzt tausend Ausweg, wie d' sie bei dir halten könnt'st – aber du hast nur zwei Weg' und die führ'n dich dorthin, wohin ich dir g'sagt hab', und die kann ich dir nennen! Du kannst die Dirn entweder in Unehr'n halten, dann bist du den Kirchfeldern ihr Mann nimmer, oder du kannst s' mit Herzleid fortziehn lassen, dann is dir Kirchfeld und die ganze Welt nix mehr! Du hast dein ganzes G'werk alleinig aufrecht g'halten und ob dir jetzt die andern 's G'mäuer auseinand'werfen, ob du selber die Händ' z'ruckziehst – es fallt z'samm'! Und es fallt z'samm', sag' ich dir!! Entweder in Unehr'n halten, oder mit Herzleid fahr'n lassen, kein' dritten Weg hast net! Siehst, Pfarrer, da hab' ich dich und hab' dich so sicher, daß ich dich nit einmal z' halten brauch'! Und jetzt – b'hüt dich Gott! Schwingt sich über den Zaun.
HELL ist auf einen Stuhl gesunken und hat den Kopf auf die Tischplatte gesenkt – kleine Pause – dann sich ermannend, steht er langsam auf. Und keinen dritten Weg, keinen dritten?! Geht gegen das Haus. O, diese Nacht wird kein Ende nehmen! Plötzlich innehaltend. Wie alles in mir tobt und wallt, wie mir das Blut gegen Herz und Hirn strömt! Nein! Stürzt zu einem Fenster und pocht. Brigitte, Brigitte!
BRIGITTE erscheint am Fenster. Hochwürden!
HELL. Schnell meinen Rock, meinen Hut! Dann kannst du das Thor schließen, ich komme erst mit Morgen wieder!
BRIGITTE. Um Gottes will'n, is 'leicht eins im Sterben?
HELL mit abwehrender Bewegung. Nein!
BRIGITTE. Aber, hochwürdiger Herr, du wirst doch nit jetzt in der Nacht spazier'n gehn? Denk das G'red' im Dorf, wenn dich 'leicht doch wer sieht!
HELL mit wiedergewonnener Ruhe. Nun, Alte, dann hat er einen schwachen, aber ehrlichen Mann gesehen, der sich selbst aus dem Wege geht!
Dritter Akt.
Zimmer wie im ersten Akt Verwandlung, nur Tisch und Stühle in der Mitte wegzulassen.
Erste Scene.
Annerl, nach dem Lied Brigitte.
ANNERL singt.
Lied.
A Derndl is verwichen
Hin zum Pfarrer g'schlichen:
Därf ich 's Büaberl lieb'n?
Untersteh di net, bei meiner Seel',
Wie du 's Büaberl liebst, so kommst in d'Höll'!
Is drauf voll Verlanga
Zu der Muada ganga:
Därf ich 's Büaberl lieb'n?
O, mein lieber Schatz, es is no z' fruah,
Nach zehn Jahrl'n war's a Zeit no gnua.
War in großen Nöten,
Hat 'en Vatern beten:
Därf ich 's Büaberl lieb'n?
Nit dran denken, sagt er, bitt' mir's aus,
Jag' dich auf der Stell' in d'Welt hinaus!
Wußt' nix anzufangen,
Bin zum Herrgott 'gangen:
Därf ich 's Büaberl lieb'n?
Ei ja freili, sagt er, und hat g'lacht,
Weg'n 'en Büaberl hon ich 's Derndl g'macht!
BRIGITTE scheltend. Mach fort, ich hab' noch anders für dich z' schaffen – Schand g'nug, daß man dich zu allem extra einspannen muß!
ANNERL. Ich weiß mich nicht aus mit dir, Brigitt' – sonst warst allweil freundlich und seit heut fruh bist so z'wider!
BRIGITTE. Ah, hat dir das 'leicht wer g'sagt oder merkst's von selber?
ANNERL. Du weißt nit, wie weh du mir mit solchene Reden thust.
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