Ja, ja, mein guter Hell, da Sie darum bitten, so sollen Sie meinen Rat haben, so warm als er aus meinem ehrlichen alten Herzen kommt. Lächelnd. Brühwarm sollen Sie ihn haben! Hähähä ... So treten Sie doch näher.

 

Hell tritt langsam näher.

 

FINSTERBERG. Sehen Sie, ich habe früher gesagt, Sie seien kein Mann der streitenden Kirche, jetzt sag' ich Ihnen noch obendrein, Sie sind auch kein Mann der herrschenden Kirche! – Na, nur nicht verzagt, mein Sohn, ich habe Sie niedergestreckt, ordentlich niedergestreckt, aber mit diesen Händen will ich Sie wieder aufrichten ... hähähä! ... lacht nicht; Sehr jovial. lacht nicht, der Tausendelementer – hähähä! Warum nicht?

HELL. Nun, ich dächte, die Sache wäre eben zu ernst, wenn Sie über meine Zweifel mich dadurch hinausführen wollen, daß ich Sie entweder dumm oder dreist verlache, dann bin ich der Mann nicht, den Sie je aufrichten, ich bin weder zur Gleichgültigkeit, noch zur Heuchelei angethan.

FINSTERBERG verbirgt seine Verlegenheit hinter ein groteskes Gesicht, pfeift vor sich. Hüh, ist das ein ernster Ritter und noch so jung. Nun gut! Legt plötzlich das Gesicht in ernste Falten. Also, bester Herr Pfarrer, halten Sie die zwei Begriffe fest: herrschende und streitende Kirche, das führt Sie zu dem Begriffe strenger Subordination, führt Sie zu dem Begriffe eines Oberhauptes, das diese Kirche beherrscht, das sie in stürmischen Zeiten befehligt.

HELL. Ich muß gestehen, ich habe den ersten Ausdruck stets nur im Sinne der Demut und den andern im Sinne geistigen Kampfes genommen; die Macht der Kirche ist doch der Glaube und der wohnt im Menschenherzen, hier herrscht die Kirche als Friedensfürstin und hier auch ist ihr Kampfgefild gegen die finstern Leidenschaften und Laster.

FINSTERBERG. Lieber Hell, nur nicht mit Phrasen und Bildern spielen, das mag bei Ihren Bauern taugen, doch unter uns bleiben wir hübsch auf dem Boden der Wirklichkeit; die Welt ist wirklich und Gott ist wirklich. Nehmen Sie auch ja nicht bildlich, was ich spreche.

HELL. Ich habe nie noch etwas bildlich genommen, das sich nicht wirklich verwerten läßt; bei unsern heiligen Büchern, die selbst die Bildersprache führen, hab' ich mich nie bedacht, das Bild im größeren Sinne zu nehmen; denn die Deutungen, sie müssen mit den Zeiten wachsen, sonst geht's dem Occident wie dem weiten Orient, der regungslos nun vor uns liegt wie ein über seinen Bildern eingeschlafnes Kind.

FINSTERBERG für sich. Spricht famos. Das gäbe einen Frauenprediger! Laut. Vortrefflich! Nur begreif' ich nicht, wenn Sie so denken, warum Sie nicht einen Schritt weiter gehen, dann stünden Sie ja mitten auf unserem Boden, auf dem Boden der Wirklichkeit! Wer, wie Sie es im Bilde thaten, Herz und Mensch trennt, erhält eben zwei Begriffe; wir lassen sie beisammen und haben es daher mit wirklichen Menschen zu thun, die fügen sich, oder fügen sich nicht, die werden daher beherrscht oder bekämpft.

HELL im Eifer ausbrechend. Also hinweg mit allen Bildern – ich meine nicht den Bilderdienst, der auch dem Volke Greifbares bietet – hinweg damit, es spricht sich wirklich ohne sie viel leichter! Wenn's Menschen sind, die einerseits beherrscht werden oder bekämpft, so hat man anderseits nur wieder zwei Begriffe nicht zu trennen: die Kirche und die Priester – die sind eins und man hat es daher mit wirklichen Menschen zu thun, die herrschen oder bekämpfen.

FINSTERBERG erstaunt, mit freundlichem Kopfnicken. Ihr seid gelehriger, als ich sonst einen in Eurer Lage gefunden habe. – Ei, freilich, das ist die richtige Fährte. Menschen, wahrhafte Menschen sind auf beiden Seiten: die herrschenden und die beherrschten, die kämpfenden und die bekämpften.

HELL. Also Menschen auf beiden Seiten? Und jetzt erlaubt, wie halten wir denn von all diesen vielen einzelnen Personen den Irrtum ab? Bei seinem Herzen anfragen, das darf nun keiner, das ist nur ein Begriff – wo frägt er sonst nun an, und wenn ja einer ohne Irrtum wäre ...

FINSTERBERG lächelt, gewichtig. Den frägt man, eben den!

HELL. Ist der so bei der Hand? – Ich fürchte, dann fangen wir erst an die Begriffe ganz zu trennen! Wenn dort ein Herz nach Trost schmachtet, wenn hier ein Herz in wilder Leidenschaft mit sich ringt, und ich darf nicht Trost noch Frieden spenden, frei aus eigner Hand, muß erst Nachfrage halten: darf ich's auch, so wie ich's meine? Ei, dann, Herr Graf, dann könnt' es leicht geschehen, daß ohne Trost das Herz bricht, daß ohne Hilfe das Herz verdirbt – und, Herr Graf, ganz wirklich ist dann mit dem Begriff der ganze Mensch gestorben und verdorben!

FINSTERBERG trocknet sich den Schweiß. Mit Euch, lieber Pfarrer, spricht sich's doch verteufelt schwer. Ihr kommt doch immer wieder auf die Bilder zurück und Ihr malt grell. Ob Ihr trösten, ob Ihr helfen, beispringen dürft, das zu entscheiden ist in der Wirklichkeit nicht gar so schwer; Ihr müßt nur fragen, ob es auch der Sache, der heiligen Sache dient, ob Ihr so thut oder so.

HELL. Gut, aber man muß doch bei Personen fragen, ob's der Sache dient.

FINSTERBERG fährt wieder mit dem Tuche über die Stirne.