Der Planet schien sich sozusagen nach ihren Wünschen zu formen, so lautete jedenfalls die Theorie, die von einigen Treibern unter der Führung von Zandra van Heissig und Scanner Cloud ausgearbeitet worden war. Eine Theorie, die der Exoterrestrier Cantos bestätigte, als er den Terranauten mitteilte, nach seinen Instrumenten bestände Rorqual aus keiner in Weltraum I, dem normalen Raum, vorkommenden Materie. Außerdem behauptete Cantos, Rorquals PSI-Feld müsse künstlichen Ursprungs sein. Für die am Projekt »Rorqual« Beteiligten gab es also genug zu tun.
Entsprechend lange dauerte auch die Vorbereitungsdiskussion. Gegen Mittag hatte man dann endlich die Teammitglieder zusammen und vertagte sich auf den nächsten Tag. Asen-Ger verließ gemeinsam mit David den Saal.
»Ich habe Angst, daß wir hier langsam an unserem eigenen Gerede ersticken«, knurrte David leise.
»Aber du hast diese Besprechungen doch immer befürwortet«, wandte Asen-Ger überrascht ein.
»Sie sind notwendig, damit unsere neuen Kameraden begreifen, warum wir hier sind und was wir wollen.«
»Was stört dich dann?«
Der Erbe der Macht schwieg und meinte schließlich zögernd: »Es ist die ganze Atmosphäre hier. Rorqual ist eine Idylle, hinter der etwas Böses lauert. Wir vergessen zu oft, daß wir hier mitten in Weltraum II stecken.«
Asen-Ger zuckte die Achseln. »Dafür haben wir ja heute unser Forschungsteam zusammengestellt.«
»Ich meine nicht nur die Gefahren, die uns von Rorqual selbst drohen. Wir sind hier von den Ereignissen draußen im Sternenreich abgeschnitten und fühlen uns zu sicher, weil Valdec uns nicht erreichen kann. Aber gleichzeitig werden wir immer vorsichtiger, verlieren allen Kampfmut, bis wir uns eines Tages aus unserem idyllischen Mauseloch nicht mehr heraustrauen. Und draußen werden wir langsam, aber sicher zur lebenden Legende. Du weißt ja, was man sich schon auf den Kolonien für Wunderdinge erzählt …«
»Das kann uns doch nur recht sein«, warf Asen-Ger ein.
»Warte ab, bis die Grauen Garden mit dieser Legende aufgeräumt haben. Ein paar Strafexpeditionen, und es herrscht wieder Friedhofsruhe. Und unser guter Ruf ist dann auch zum Teufel. Wir können uns nicht ewig auf den Lorbeeren von Ginger ausruhen. Ich habe Llewellyn deshalb beim Abflug gebeten, sich um Kontakt zu Rebellen unter den Kolonisten zu kümmern. Wir brauchen eine Basis auf einer Randwelt.«
»Die TASCA mit Llewellyn ist schon seit einer Woche überfällig.«
»Das heißt zwar nicht viel. Der Riemenmann hält seinen Zeitplan nie ein. Aber die TASCA kann natürlich den Garden in die Hände gefallen sein. Und dann schnappen sie die CYGNI, und dann das nächste Schiff, und irgendwann sitzen wir für immer auf dem schönen Rorqual fest. Ich will hier weg, Asen-Ger. Ich habe hier noch etwas Wichtiges zu erledigen, das mit Yggdrasils Samen zusammenhängt, aber dann will ich wieder Sterne am Himmel sehen.«
»Das mit der TASCA, die Grauen könnten sie haben, das ist doch nicht dein Ernst?«
»Natürlich nicht. Schließlich sind der Riemenmann und Mandorla an Bord. Und die beiden sind ein mörderisches Team …«
*
Eine Bombe von ungeheurer Sprengkraft schien in Llewellyns Kopf zu explodieren. Er spürte einen stechenden. Schmerz, der sich mit mörderischer Intensität in jeder einzelnen Zelle seines Gehirns manifestierte. Gleichzeitig erschien vor seinem geistigen Auge eine Lichterscheinung, die greller war als der nukleare Glutofen einer Sonne. Die Lichterscheinung war nicht formlos, ließ vielmehr die verschwommenen Konturen monströser Ungeheuer erkennen. Riesige Tatzen, Klauen und Tentakel griffen nach Llewellyn, versuchten, ihn in ihren Bann zu ziehen, ihn zu erdrosseln.
So schnell, wie sich das Unheimliche in das Bewußtsein des Riemenmanns gedrängt hatte, so schnell verflüchtigte es sich auch wieder.
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