Der stechende Schmerz endete abrupt, und die Ungeheuer verschwanden spurlos im Nichts. Es war, als sei Llewellyn aus einem furchtbaren Alptraum erwacht.
Aber Llewellyn wußte recht gut, daß es kein Alptraum gewesen war. Er brauchte nur in die Gesichter der anderen Treiber am Tisch zu blicken, um zu erkennen, daß sie von ähnlichen Phänomenen geplagt worden waren. Vermutlich hatte es jeder PSI-Begabte auf Aqua gespürt. Und Llewellyn mußte auch nicht lange nach der Ursache des psionischen Schocks suchen, denn es gab keinen Zweifel, was die furchtbare Vision verursacht hatte. Kaiserkraft!
Das Trichterschiff der Grauen Garden war, Millionen Kilometer von Aqua entfernt, nach Weltraum II transitiert. Restenergie aus dem jenseitigen Kontinuum war in das Normaluniversum gesickert und hatte die von den Treibern wahrgenommenen Phänomene hervorgerufen. Wieder einmal war klar zutage getreten, welche verderblichen und verhängnisvollen Folgen der neue interstellare Raumschiffantrieb des Kaiser-Konzerns nach sich zog.
Die anderen Teilnehmer der Konferenzrunde hatten das unwillkürliche Zusammenzucken der Treiber und des Logenmeisters Valentin Claudius natürlich bemerkt. Mit kurzen Worten klärte Llewellyn die Männer über den Grund auf. Mandorla, die ehemalige Queen der Grauen Garden, die jetzt auf selten der Terranauten stand, preßte die Lippen aufeinander. Ihr schönes Gesicht, das stets kühl wie Eis wirkte, wurde dadurch noch unnahbarer.
»Wir hätten dem Gouverneur und Queen Leah Halef nicht gestatten sollen, Aqua zu verlassen«, erklärte sie ruhig.
Argan Pronk, der vierschrötige Bürgermeister der Stadt Miramar, der den Anstoß zum letzten Endes erfolgreichen Aufstand gegen die Konzilsgewalt gegeben hatte, sah die Queen forschend an.
»Was hätten wir denn Ihrer Ansicht nach tun sollen?« wollte er wissen.
»Liquidieren!« erwiderte Mandorla, ohne daß sich ein Muskel in ihrem Gesicht regte. »Damit wäre vorerst verhindert worden, daß Lordoberst Max von Valdec Kenntnis von den Geschehnissen auf Aqua bekommt. So jedoch … Sie werden sich nicht lange Ihrer Position als neuer und frei gewählter Gouverneur dieser Welt erfreuen können. Ich bin überzeugt davon, daß das Konzil die Unabhängigkeitserklärung Aquas als ungeheuerliche Herausforderung betrachten wird. Knallharte Gegenmaßnahmen dürften nicht lange auf sich warten lassen.«
»Ich sehe die Dinge nicht so pessimistisch«, entgegnete Argan Pronk. »Aqua ist ein unbedeutender Kolonialplanet am äußersten Rand des von Menschen besiedelten Raumsektors. Bis auf ein beliebtes Rauschmittel, einen entbehrlichen Luxusartikel also, hat unsere Welt nichts zu bieten, was den Aufwand einer Strafexpedition lohnen würde.«
»Es geht um das Prinzip, Pronk! Wenn das Konzil den Abfall einer Welt duldet, wird damit ein Präzedenzfall geschaffen. Andere Kolonialplaneten könnten dem Beispiel Aquas folgen. Das irdische Sternenreich wäre in seinen Grundfesten erschüttert. Und deshalb wird Max von Valdec zurückschlagen – früher oder später! Wenn wir der Queen jedoch keinen freien Abzug gewährt hätten …«
Llewellyn machte eine abwehrende Handbewegung. »Es ist müßig, darüber zu diskutieren, Mandorla. Die Rebellenbewegung und auch wir Terranauten hatten dem gestürzten Gouverneur und der Kommandeuse der Grauen Garden auf Aqua freien Abzug zugesichert. Es wäre ein nicht zu vertretender Wortbruch gewesen, wenn wir uns nicht daran gehalten hätten.«
Dazu zuckte die ehemalige Graue nur die Achseln. Sie war anderer Ansicht und machte keinen Hehl daraus. Keiner ihrer neuen Bundesgenossen konnte es ihr verübeln. Sie war durch die harte Schulung der Garden gegangen und mit einer alle Emotionen und Gefühle abtötenden Konditionierung versehen worden. Deshalb dachte sie ausschließlich in rationalen Bahnen und betrachtete alle Überlegungen und Beweggründe, die Logik und nüchternem Zweckdenken zuwiderliefen, mit augenfälliger Verachtung. Sie hatte dafür nur eins übrig: eben ein Schulterzucken.
»Im Prinzip aber muß ich Ihnen recht geben, Mandorla«, ergriff Llewellyn wieder das Wort. »Auf Dauer wird das Konzil die Unabhängigkeit Aquas bestimmt nicht hinnehmen. Ich rechne allerdings fest mit einer gewissen Galgenfrist.
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