Geh! Fort! mit Eile!

 

Ariel ab.

 

Erwach', mein Herz! Erwach'! Hast wohl geschlafen:

Erwach'!

MIRANDA.

Das Wunderbare der Geschichte

Befing mit Schlaf mich.

PROSPERO.

Schüttl' ihn ab! Komm, laß uns

Zu Caliban, dem Sklaven, gehn, der nie

Uns freundlich Antwort gibt.

MIRANDA.

Er ist ein Bösewicht,

Den ich nicht ansehn mag.

PROSPERO.

Doch, wie's nun steht,

Ist er uns nötig; denn er macht uns Feuer,

Holt unser Holz, verrichtet mancherlei,

Das Nutzen schafft. He, Sklave! Caliban!

Du Erdkloß, sprich!

CALIBAN drinnen.

's ist Holz genug im Hause.

PROSPERO.

Heraus! sag' ich: es gibt noch andre Arbeit.

Schildkröte, komm! Wann wird's?

 

Ariel kommt zurück in Gestalt einer Wassernymphe.

 

Ach, schönes Luftbild! Schmucker Ariel,

Hör' insgeheim!

ARIEL.

Mein Fürst, es soll geschehen.

 

Ab.[609]

 

PROSPERO.

Du gift'ger Sklav', gezeugt vom Teufel selbst

Mit deiner bösen Mutter! Komm heraus!

 

Caliban kommt.

 

CALIBAN.

So böser Tau, als meine Mutter je

Von faulem Moor mit Rabenfedern strich,

Fall' auf euch zwei! Ein Südwest blas' euch an

Und deck' euch ganz mit Schwären!

PROSPERO.

Dafür, verlaß dich drauf, sollst du zu Nacht

In Krämpfen liegen, Seitenstiche haben,

Die dir den Odem hemmen; Igel sollen

Die Nachtzeit durch, wo sie sich rühren dürfen,

An dir sich üben; zwicken soll dich's dicht

Wie Honigzellen, jeder Zwick mehr stechen

Als Bienen, die sie baun.

CALIBAN.

Ich muß zu Mittag essen. Dieses Eiland

Ist mein, von meiner Mutter Sycorax,

Das du mir wegnimmst. Wie du erstlich kamst,

Da streicheltest du mich und hielt'st auf mich,

Gabst Wasser mir mit Beeren drein und lehrtest

Das große Licht mich nennen und das kleine,

Die brennen tags und nachts; da liebt' ich dich

Und wies dir jede Eigenschaft der Insel:

Salzbrunnen, Quellen, fruchtbar Land und dürres.

Fluch, daß ich's tat, mir! Alle Zauberei

Der Sycorax, Molch, Schröter, Fledermaus befall' Euch!

Denn ich bin, was Ihr habt an Untertanen,

Mein eigner König sonst; und stallt mich hier

In diesen harten Fels, derweil Ihr mir

Den Rest des Eilands wehrt.

PROSPERO.

Du lügnerischer Sklav',

Der Schläge fühlt, nicht Güte! Ich verpflegte,

Kot wie du bist, dich menschlich; nahm dich auf

In meiner Zell', bis du versucht zu schänden

Die Ehre meines Kindes.

CALIBAN.

Ho, ho! Ich wollt', es wär' geschehn. Du kamst

Mir nur zuvor, ich hätte sonst die Insel

Mit Calibans bevölkert.[610]

PROSPERO.

Schnöder Sklav',

In welchem keine Spur des Guten haftet,

Zu allem Bösen fähig! Ich erbarmte

Mich deiner, gab mir Müh', zum Sprechen dich

Zu bringen, lehrte jede Stunde dir

Dies oder jenes. Da du, Wilder, selbst

Nicht wußtest, was du wolltest, sondern nur

Höchst viehisch kollertest, versah ich dich

Mit Worten, deine Meinung kund zu tun.

Doch deiner niedern Art, obwohl du lerntest,

Hing etwas an, das edlere Naturen

Nicht um sich leiden konnten: darum wardst du

Verdienterweis' in diesen Fels gesperrt,

Der du noch mehr verdient als ein Gefängnis.

CALIBAN.

Ihr lehrtet Sprache mir, und mein Gewinn

Ist, daß ich weiß zu fluchen. Hol' die Pest Euch

Fürs Lehren Eurer Sprache!

PROSPERO.

Fort, Hexenbrut!

Schaff Holz her, und sei hurtig, rat' ich dir,

Um andres noch zu leisten! Zuckst du, Unhold?

Wenn du versäumest oder ungern tust,

Was ich befehle, foltr' ich dich mit Gichtern,

Füll' dein Gebein mit Schmerzen, mach' dich brüllen,

Daß Bestien zittern vor dem Lärm.

CALIBAN.

Nein, bitte!

 

Beiseit.

 

Ich muß gehorchen; seine Kunst bezwänge

Wohl meiner Mutter Gott, den Setebos,

Und macht' ihn zum Vasallen.

PROSPERO.

Fort denn, Sklav'!

 

Caliban ab.

Ariel kommt unsichtbar, spielend und singend. Ferdinand folgt ihm.

 

Ariels Lied

ARIEL.

Kommt auf diesen gelben Strand!

Fügt Hand in Hand!

Wann ihr euch geküßt, verneigt

(Die See nun schweigt):

Hier und dort behende springt,[611]

Und den Chor, ihr Geister, singt!

Horch! Horch!

ZERSTREUTE STIMMEN.

Wau! Wau!

Es bellt der Hund:

ZERSTREUTE STIMMEN.

Wau! Wau!

Horch! Horch!

Der Hahn tut seine Wache kund,

Er kräht: Kikiriki!

FERDINAND.

Wo ist wohl die Musik? In der Luft? Auf Erden? –

 

Sie spielt nicht mehr: – sie dienet einem Gott

Der Insel sicherlich. Ich saß am Strand

Und weint' aufs neu' den König, meinen Vater:

Da schlich sie zu mir über die Gewässer

Und lindert' ihre Wut und meinen Schmerz

Mit süßer Melodie; dann folgt' ich ihr,

Sie zog vielmehr mich nach. Nun ist sie fort;

Da hebt sie wieder an.

ARIEL singt.

Fünf Faden tief liegt Vater dein:

Sein Gebein wird zu Korallen;

Perlen sind die Augen sein:

Nichts an ihm, das soll verfallen,

Das nicht wandelt Meereshut

In ein reich und seltnes Gut.

Nymphen läuten stündlich ihm,

Da horch! ihr Glöcklein – Bim! Bim! Bim!

CHOR.

Bim! Bim! Bim!

FERDINAND.

Das Liedlein spricht von meinem toten Vater.

Dies ist kein sterblich Tun; der Ton gehört

Der Erde nicht: jetzt hör' ich droben ihn.

PROSPERO.

Zieh' deiner Augen Fransenvorhang auf

Und sag, was siehst du dort?

MIRANDA.

Was ist's? Ein Geist?

O Himmel, wie's umherschaut! Glaubt mir, Vater,

's ist herrlich von Gestalt; doch ist's ein Geist.

PROSPERO.

Nein, Kind, es ißt und trinkt, hat solche Sinne

Wie wir ganz so. Der Knabe, den du siehst,

War bei dem Schiffbruch, und entstellt' ihn Gram,

Der Schönheit Wurm, nicht, nenntest du mit Recht[612]

Ihn wohlgebildet. Er verlor die Freunde

Und schweift umher nach ihnen.

MIRANDA.

Nennen möcht' ich

Ein göttlich Ding ihn: nichts Natürliches

Sah ich so edel je.

PROSPERO beiseit.

Ich seh', es geht

Nach Herzenswunsch. Geist! lieber Geist! Dafür

Wirst in zwei Tagen frei.

FERDINAND.

Gewiß die Göttin,

Der die Musik dient. – Gönnet meinem Wunsch

Zu wissen, ob Ihr wohnt auf dieser Insel;

Wollt Anleitung mir geben, wie ich hier

Mich muß betragen; meiner Bitten erste,

Zuletzt gesagt, ist diese: schönes Wunder,

Seid Ihr ein Mädchen oder nicht?

MIRANDA.

Kein Wunder,

Doch sicherlich ein Mädchen.

FERDINAND.

Meine Sprache! Himmel!

Ich bin der Höchste derer, die sie reden,

Wär' ich, wo man sie spricht.

PROSPERO.

Der Höchste? Wie?

Was wärst du, hörte dich der König Napels?

FERDINAND.

Ein Wesen, wie ich jetzo bin, erstaunt,

Daß du von Napel redest. Er vernimmt mich;

Ich weine, daß er's tut; ich selbst bin Napel

Und sah mit meinen Augen, ohne Ebbe

Seitdem, den König, meinen Vater, sinken.

MIRANDA.

O welch ein Jammer!

FERDINAND.

Ja glaubt es mir, samt allen seinen Edlen,

Der Herzog Mailands und sein guter Sohn

Auch unter dieser Zahl.

PROSPERO.

Der Herzog Mailands

Und seine beßre Tochter könnten leicht

Dich wider legen, wär' es an der Zeit. –

 

Beiseit.

 

Beim ersten Anblick tauschten sie die Augen.

Mein zarter Ariel, für diesen Dienst

Entlass' ich dich. – Ein Wort, mein Herr! Ich fürchte,

Ihr habt Euch selbst zu nah getan: ein Wort![613]

MIRANDA.

Was spricht mein Vater nur so rauh! Dies ist

Der dritte Mann, den ich gesehn; der erste,

Um den ich seufzte. Neig' auf meine Seite

Den Vater Mitleid doch!

FERDINAND.

Oh, wenn ein Mädchen,

Und Eure Neigung frei noch, mach' ich Euch

Zur Königin von Napel.

PROSPERO.

Sanft, Herr! Noch ein Wort! –

 

Beiseit.

 

Eins ist des andern ganz: den schnellen Handel

Muß ich erschweren, daß nicht leichter Sieg

Den Preis verringre. – Noch ein Wort! Ich sag' dir,

Begleite mich! Du maßest einen Namen

Dir an, der dein nicht ist; und hast die Insel

Betreten als Spion, mir, ihrem Herrn,

Sie zu entwenden.

FERDINAND.

Nein, bei meiner Ehre!

MIRANDA.

Nichts Böses kann in solchem Tempel wohnen.

Hat ein so schönes Haus der böse Geist,

So werden gute Wesen neben ihm

Zu wohnen trachten.

PROSPERO.

Folge mir! – Du, sprich

Nicht mehr für ihn, 's ist ein Verräter. – Komm,

Ich will dir Hals und Fuß zusammen schließen;

Seewasser soll dein Trank sein, deine Nahrung

Bachmuscheln, welke Wurzeln, Hülsen, die

Der Eichel Wiege sind. Komm, folge!

FERDINAND.

Nein!

Ich widerstehe der Begegnung, bis

Mein Feind mich übermannt.

 

Er zieht.

 

MIRANDA.

O lieber Vater,

Versucht ihn nicht zu rasch! Er ist ja sanft

Und nicht gefährlich.

PROSPERO.

Seht doch! will das Ei

Die Henne meistern? Weg dein Schwert, Verräter!

Du drohst, doch wagst du keinen Streich, weil Schuld

Dir das Gewissen drückt. Steh nicht zur Wehr!

Ich kann dich hier mit diesem Stab entwaffnen,

Daß dir das Schwert entsinkt.[614]

MIRANDA.

Ich bitt' Euch, Vater!

PROSPERO.

Fort! Häng' dich nicht an meinen Rock!

MIRANDA.

Habt Mitleid!

Ich sage gut für ihn.

PROSPERO.

Schweig'! Noch ein Wort,

Und schelten müßt' ich dich, ja hassen. Was?

Wortführerin für den Betrüger? Still!

Du denkst, sonst gäb' es der Gestalten keine,

Weil du nur ihn und Caliban gesehn.

Du töricht Mädchen! Mit den meisten Männern

Verglichen, ist er nur ein Caliban,

Sie Engel gegen ihn.

MIRANDA.

So hat in Demut

Mein Herz gewählt; ich hege keinen Ehrgeiz,

Einen schönern Mann zu sehn.

PROSPERO zu Ferdinand.

Komm mit! Gehorch'!

Denn deine Sehnen sind im Stand der Kindheit

Und haben keine Kraft.

FERDINAND.

Das sind sie auch:

Die Lebensgeister sind mir wie im Traum

Gefesselt. Meines Vaters Tod, die Schwäche,

So ich empfinde, aller meiner Freunde

Verderben, oder dieses Mannes Drohn,

In dessen Hand ich bin, ertrüg' ich leicht,

Dürft' ich nur einmal tags aus meinem Kerker

Dies Mädchen sehn! Mag Freiheit alle Winkel

Der Erde sonst gebrauchen: Raum genug

Hab' ich in solchem Kerker.

PROSPERO.

Es wirkt. – Komm mit!

 

Zu Ariel.

 

Das hast du gut gemacht, mein Ariel! –

Folgt mir!

 

Zu Ferdinand und Miranda.

 

Zu Ariel.

 

Vernimm, was sonst zu tun ist!

 

Spricht heimlich mit ihm.

 

MIRANDA.

Seid getrost!

Mein Vater, Herr, ist besserer Natur,

Als seine Red' ihn zeigt; was er jetzt tat,

Ist ungewohnt von ihm.[615]

PROSPERO.

Frei sollst du sein.

Wie Wind' auf Bergen: tu' nur Wort für Wort,

Was ich dir aufgetragen!

ARIEL.

Jede Silbe.

PROSPERO.

Kommt, folgt mir! – Sprich du nicht für ihn!

 

Alle ab.[616]

 

Zweiter Aufzug

Erste Szene

Eine andre Gegend der Insel. Alonso, Sebastian, Antonio, Gonzalo, Adrian, Francisco und andre treten auf.

 

GONZALO.

Ich bitt' Euch, Herr, seid fröhlich: Ihr habt Grund

Zur Freude, wie wir alle. Unsre Rettung

Ist mehr als der Verlust; denn unser Fug

Zur Klage ist gemein: an jedem Tage

Hat ein Matrosenweib, der Schiffspatron

Von einem Kaufmann, und der Kaufmann selbst

Zu gleicher Klage Stoff; allein das Wunder,

Ich meine unsre Rettung, aus Millionen

Geschah's nur uns. Drum, lieber Herr, wägt weislich

Leid gegen Trost.

ALONSO.

Ich bitte dich, sei still!

SEBASTIAN. Der Trost geht ihm ein wie kalte Suppe.

ANTONIO. Der Krankenbesucher läßt ihn so noch nicht fahren.

SEBASTIAN.