Sie werden mich auslachen, alle, alle, meine Frau zuerst... Ich habe viele Fehler
gemacht, Magda wird sie mir alle vorhalten. Du weißt doch, Magda ist meine Frau...?«
Sie sah mich unverwandt an, mit ihrem sehr weißen, wie gepuderten Gesicht, das etwas Gedunsenes
hatte; hoch und gewölbt standen in ihm über den fast farblosen Augen die dunklen Brauen.
»Aber ich kann noch Geld herausziehen, aus dem Geschäft, ein paar tausend Mark. Ich täte es
schon, um Magda zu ärgern. Magda will das Geschäft retten. Ist sie mehr als ich? Ich könnte das
Geschäft verkaufen, ich weiß auch schon an wen, es ist eine ganz junge Firma. Er würde mir zehn-,
vielleicht auch zwölftausend Mark dafür geben, wir würden auf Reisen gehen... Warst du schon
einmal in Paris?«
Sie sah mich an, keine Zustimmung oder Verneinung war auf ihrem Gesicht zu lesen. Ich redete
weiter, schneller, atemloser.
»Ich war auch noch nicht dort«, fuhr ich fort, »aber ich habe davon gelesen. Es ist die Stadt der
baumbestandenen Boulevards, der weiten Plätze, der laubigen Parks... Als Junge habe ich ein
bißchen Französisch gelernt, aber ich kam zu früh von der Schule, die Eltern hatten nicht Geld
genug. Weißt du, was das heißt: Donnez-moi un baiser, mademoiselle?«
Kein Zeichen von ihr, nicht ja, nicht nein.
»Es heißt: Geben Sie mir einen Kuß, mein Fräulein. Aber zu dir müßte man sagen: Donnez-moi
un baiser, ma reine! Reine, das heißt Königin, und du bist die Königin meines Herzens, du bist
die Königin des Giftes, das in Flaschen verkorkt wird, gib mir deine Hand, Elsabe - ich werde
dich Elsabe nennen, Königin - ich will deine Hand küssen...«
Sie goß mir das Glas voll. - »Da, trink das noch, und dann gehst du nach Hause. Genug - du hast
genug getrunken, und ich habe genug von dir. Du kannst die Flasche Korn mitnehmen, du mußt die
ganze Flasche bezahlen, zum Gaststubenpreis. Das ist kein Nepp, komm mir morgen nicht, daß ich
dich geneppt habe; du hast dir selber eingeschenkt, ich weiß nicht, wieviel...«
»Rede nicht, Elsabe«, sagte ich prahlerisch-weinerlich. »Nie würde ich so etwas tun! Was ist Geld
-!«
»Lehre du mich die Männer kennen! Wenn ihr voll und geil seid, schreit ihr: Was ist Geld?
Und am nächsten Morgen kommt ihr mit dem Gendarmen und schreit von Nepp. Der Korn und der Sekt
und meine Zigaretten - das macht zusammen...«
Sie nannte eine Summe.
»Wenn es nicht mehr ist!« rief ich wieder prahlerisch und riß meine Brieftasche hervor. »Hier
hast du -!«
Ich legte ihr das Geld hin.
»Und hier...«, ich nahm einen Hundertmarkschein und legte ihn daneben, »der ist für dich, weil
ich dich hasse und weil du mich vernichtest. Nimm ihn, nimm ihn schon. Ich will nichts von dir,
gar nichts! Geh. Ich habe dich schon so im Blut, ich kann dich nie mehr besitzen, als ich dich in
mir habe. Wahrscheinlich bist du öde und langweilig, du bist nicht von hier, natürlich aus
irgendeiner Großstadt, wo du alles gelassen hast - das sind ja nur Reste!«
Wir standen uns gegenüber, das Geld lag auf dem Tisch, das Licht war düster. Ich schwankte leise
über meinen Füßen, die fast halb geleerte Kornflasche hielt ich am Halse in meiner Hand.
Sie sah mich an.
»Steck dein Geld ein!« sagte sie flüsternd. »Nimm dein Geld vom Tisch... Ich will dein Geld
nicht... Geh...«
»Du kannst mich nicht zwingen, das Geld wieder zu nehmen, ich lasse es liegen... Ich beschenke
dich, Königin des klaren Korns, Elsabe genannt, ich gehe...«
Ich ging mühsam auf die Tür zu, der Schlüssel steckte von innen, ich mühte mich, ihn im Schloß zu
drehen...
»Du«, sprach sie dicht hinter mir, »du...«
Ich drehte mich um. Ihre Stimme war leise gewesen, aber voll und sanft, alles Spröde war aus ihr
gewichen.
»Du...«, wiederholte sie, und in ihren Augen war jetzt Farbe und Licht, »du - willst du?«
Jetzt war ich es, der sie nur schweigend ansah.
»Zieh deine Schuhe aus, sei leise auf der Treppe, die Wirtsleute dürfen dich nicht hören. Komm,
mach schnell...«
Schweigend tat ich, wie sie mir geheißen.
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