Ich wußte nicht, warum ich es tat. Ich begehrte sie jetzt nicht, so begehrte ich sie nicht.
»Gib mir die Hand!«
Sie knipste das Licht aus und führte mich an der einen Hand, in der anderen Hand hielt ich noch immer die Kornflasche.
In der Schankstube war es völlig dunkel, ich schlich ihr nach.
Durch ein kleines staubiges Fenster fiel auf die verwinkelte enge Stiege Licht vom Mond: Ich schwankte, ich war sehr müde. Ich dachte an mein Bett daheim, an Elsabe, voller Wünsche an den weiten Weg nach Haus.
Es war alles zuviel. Der einzige Trost war die Flasche Korn in meiner Hand, sie würde mir Kraft spenden. Am liebsten wäre ich stehen geblieben und hätte schon jetzt einen Schluck aus der Flasche genommen, so müde war ich. Die Stufen knarrten, die Tür zur Kammer ächzte leise, als sie geöffnet wurde. Audi in der Kammer war Mondschein. Ein Bett, das zerwühlt war, ein eiserner Waschständer, ein Stuhl, ein Kleiderrechen an der Wand...
»Zieh dich aus«, sagte ich leise, »ich komme dann gleich.« Und mehr zu mir: »Gibt es hier Sterne?«
Ich trat ans Fenster, das den Blick in einen Obstgarten freigab.
Ich öffnete einen Flügel; lau wie eine zarte Liebkosung kam die Frühlingsluft herein, voll von Düften und sanftem Wind. Unter dem Fenster lag das schräge Teerdach eines Schuppens.
»Das ist gut«, sagte ich wieder leise, »dieses schräge Dach ist sehr gut...«
Ich konnte den Mond nicht sehen, er stand hinter dem Hausdach mir zu Häupten. Aber sein Licht erfüllte mit einem weißlichen Schein den Himmel, nur die stärksten Sterne waren zu sehen und auch sie nur matt. Ich war unzufrieden und gereizt.
»Komm schon«, rief sie ärgerlich vom Bett her. »Mach ein bißchen schnell! Denkst du, ich brauch keinen Schlaf?!« Ich drehte mich um, ich neigte mich über das Bett. Sie lag auf dem Rücken, bis zum Halse zugedeckt. Ich streifte die Decke zurück und legte einen Augenblick mein Gesicht gegen ihre nackte Brust. Kühl und fest. Sachte atmend, kühl und fest. Es roch gut - nach Haar und Fleisch.
»Mach doch zu!« flüsterte sie ungeduldig. »Zieh dich aus - laß den Unsinn! Du bist doch kein Schüler mehr!«
Mit einem tiefen Seufzer richtete ich mich auf. Ich ging an das Fenster, nahm die Flasche und schwang mich hinaus auf das Schuppendach. Ich hörte einen ärgerlichen zornigen Ruf hinter mir. Aber ich ließ mich schon hinab in den Garten.
»Besoffener alter Trottel!« rief sie oben, dann schlug das Fenster zu.
Ich stand zwischen Büschen, ich roch den Duft des Flieders.
Die Frühlingsnacht war ganz rein. Ich setzte die Flasche an den Mund und trank lange -.
Ich gehe und gehe. Ich marschiere und singe mir ein Lied dazu, eines jener Wanderlieder, die ich früher bei Ausflügen mit Magda sang. Dann humpele ich wieder lange Strecken auf schmerzenden Füßen. Ich habe mir eine Zehe an einem Stein gestoßen, mit meinen unbeschuhten Füßen ist es schlechtes Wandern. Längst sind meine Strümpfe zerrissen. Kreuze ich einen Bach, klettere die Böschung hinunter, setze mich auf einen Stein und halte die Füße ins Wasser, das mich zuerst durch seine Eiseskälte erschreckt. Dann tut es gut, und, auf einem Stein sitzend, schlafe ich ein. Ich erwache frierend, eisig, ich bin von meinem Sitz gefallen, ich wandere weiter. Je schneller ich gehe, um so länger scheint der Weg zu werden. Die Obstbäume an den Straßenrändern fliegen nur so an mir vorbei, aber ich komme nicht vorwärts.