Und du wirst es wieder drucken lassen? Amüsiert dich das so sehr?
JAROMIR. Ich weiß nicht, was du meinst? Es ist üblich, daß man geistige Erzeugnisse durch die Druckpresse verbreitet –
BARONIN. Natürlich, wenn man ein Autor ist –
JAROMIR. Ich weiß nicht genau, Mama, worin du das Kriterium siehst, das mich von dieser Klasse von Menschen abtrennen würde. Für die Welt bin ich nämlich ein Autor, der meines ersten Buches. Mein Roman ist sehr anerkennend besprochen worden, er hat ein gewisses Aufsehen gemacht.
BARONIN. Das Kriterium sehe ich darin, mein lieber Jaromir, daß die Berufsschriftsteller etwas erfinden, während du, der du eben keiner bist, und auch keiner zu sein verpflichtet bist, dich in deinem sogenannten Roman damit begnügt hast, dich selber und deine eigenen Gefühle und Ansichten zu Papier zu bringen, auf Draht gezogen mit Hilfe einiger Vorfälle aus deiner engeren Erfahrung, die ich weder interessant noch mitteilenswürdig finde, die aber vielleicht drei bis vierhundert Personen veranlaßt haben, das Buch zu kaufen, in der Hoffnung, in der sie dann allerdings enttäuscht worden sind, darin etwas handgreiflichere und indiskretere Details über persönliche Bekannte zu finden, als ihnen tatsächlich darin aufzustöbern gelungen ist.
JAROMIR. Ich danke dir, Mama, daß du nicht gesagt hast: Steht auf. noch handgreiflichere und indiskretere Details, aber ich glaube, das ist ein Thema, in dem wir nicht weiterkommen. Ich darf also noch einmal wiederholen, daß ich in bezug auf den Aufenthalt der Damen gar keine speziellen Wünsche habe und alles – aber alles! – deinem Gutdünken und der bewährten Umsicht und Tatkraft deines Theodor überlasse – und um halb fünf zum Tee natürlich erscheinen werde. Verneigt sich und geht ab über die Terrasse.
Sechste Szene
BARONIN vor sich. Jetzt sind wir also, da die Melanie allein kommt, plötzlich sechs zum Bridge, statt sieben. Bleibt die Wahl, ob man den Forstrat, der so laut atmet wie ein Küniglhas, oder den affektierten Bezirkskommissär ... Ruft nach links. Theodor! Erinnert sich, stampft auf den Boden, ruft. Milli!
Die Tür links wird halb geöffnet und Anna mit dem kleinen Jaromir treten ein.
DER KLEINE JAROMIR läuft hin, küßt der Baronin die Hand, sieht sich um. Wo ist denn der Onkel Ado?
BARONIN zu Anna. Was sagst du dazu, daß plötzlich der Galattis nicht mitkommt?
ANNA. Aber Mama, das haben wir ja schon vor ein paar Tagen gewußt. Hat dir denn der Jaromir –
BARONIN. Keine Silbe. Er schien sehr erstaunt darüber.
ANNA. Du mußt verzeihen, es ist seine Arbeit, die braucht ein solches Maß von Vertiefung, daß er für alle anderen Sachen zerstreut ist. Du weißt, er schreibt wieder ein Buch.
BARONIN bei ihren Gedanken. Ich hab gehört, sie bringt auch keine Jungfer mit. Es ist doch unmöglich, eine junge Frau mutterseelenallein in dem Turmzimmer wohnen zu lassen, wo weit und breit kein Mensch zu errufen ist.
ANNA. Aber der Jaromir wohnt doch jetzt oben in der Mansarde.
BARONIN. Das hör ich. Das heißt, vor zwei Minuten hab ich es gehört.
ANNA. Also, wenn sie Bedienung braucht, wird sie läuten, und wenn sie sich ängstigt, was übrigens gar nicht in ihrem Charakter liegt, so ist das Fenster von Jaromir fünf Meter von ihrem Balkon, und er hört, wenn sie noch so leise ruft – also ist kein Grund, sich über Zimmereinteilung zu beunruhigen.
Baronin wirft ihr einen Blick zu und konstatiert die völlige Harmlosigkeit von Annas Miene.
DER KLEINE JAROMIR.
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