Er ist ganz unfähig, Euch zu täuschen, wie die vierzig Unzen beweisen, die er mit nach Hause nimmt.«
»So hältst Du uns für Schleichhändler?«
»Nein. Sie haben ja nicht eine Spur von Waare bei sich, man müßte denn die Strickleiter, welche hier auf der Ruderbank liegt, für eine Musterprobe halten. Ich halte Sie vielmehr für einen Herrn, der in der Ensenada eine Promenade machen will, um sich die Beine ein wenig auszutreten, und da ich dies eigentlich nicht zugeben darf, so schmeichle ich mir, daß sich noch einige Unzen in Ihrer Tasche befinden.«
»Ah so! Wie viel willst Du?«
»Sie haben dem Hauptmann vierzig Unzen gegeben!«
»Zwanzig!«
»Ich an Ihrer Stelle hätte vorgezogen, vierzig zu sagen, weil dies die wirkliche Summe ist und – – –«
»Zwanzig, sage ich Dir!«
»Gut, ich bin rücksichtsvoll und werde nicht lange mit Ihnen streiten. Also zwanzig hat der Hauptmann bekommen! Ich will nicht unbescheiden sein: er ist Offizier, und ich bin nur Soldat; hätten Sie ihm vierzig gegeben, so könnte ich mich mit zehn begnügen, da er aber nur zwanzig bekommen hat, so muß ich die vierzig verlangen!«
»Schurke!«
Der Fremde war ein junger Mann von etwa fünfundzwanzig Jahren. Er hatte den bräunlichen Teint des Seemannes; dichte, dunkle Augenbrauen begrenzten eine große, knochige Stirn: die Augen, welche düster in ihren Höhlen brannten, zeigten unversöhnliche Leidenschaftlichkeit an; der nach unten gekrümmte Mund bekundete ein höhnischstolzes Wesen, und die trotz des jugendlichen Alters stark markirten Wangenfalten verliehen dem Gesichte einen arroganten, verächtlichen Ausdruck. Rachsucht und Ehrgeiz schienen die vorherrschenden Neigungen dieses Mannes zu sein. Nur die dunkeln, gelockten Haare milderten die Kälte und Strenge dieser Physiognomie um ein Weniges. Was die Kleidung betrifft, welche er trug, so bestand sie in der Uniform eines Offiziers der spanischen Marine. Bei seinem letzten Ausrufe blitzten seine Augen drohend empor und er machte eine Bewegung, als ob er aufspringen wolle.
»Bleiben Sie sitzen, Sennor, sonst schmecken Sie die Kugel! Den ›Schurken‹ will ich nicht gehört haben, aber sagen Sie das Wort nicht zum zweiten Male, denn ich bekümmere mich auch nicht darum, zu welcher Gattung von Menschenkindern Sie gehören! Vierzig Unzen also, Sennor!«
»Ich habe sie nicht bei mir!«
»Das thut mir leid um Ihretwillen, denn dann muß ich meinen Karabiner sprechen lassen oder Sie als verdächtig arretiren!«
»Warte, bis meine Leute kommen, mit deren Hülfe ich die Summe vielleicht zusammenbringen werde!«
»Ich habe nicht die mindeste Lust, mit den beiden Menschen handgemein zu werden. Steigen Sie aus und folgen Sie mir! Ich stehe hier auf Posten und habe jede mir verdächtig erscheinende Person abzuliefern.«
»Also, wenn ich zahle, so kann ich thun was mir beliebt?«
Pepe nickte.
»Vierzig Unzen!«
»Ich habe sie wirklich nicht bei mir, aber hier ist ein Ring, der das Fünffache werth ist!«
Er streifte einen Reif von seinem Finger und bot ihn dem Miquelete hin, dieser nahm und untersuchte ihn; er schien unschlüssig zu sein.
»Nimm ihn und packe Dich!« meinte der Kapitän zornig.
»Ich will es riskiren und nehme ihn für vierzig Unzen an.«
»Und nun bist Du taub, blind und stumm?«
»So weit ich es fertig bringe, ja, vorausgesetzt, daß Sie Ihre Angelegenheit in der Weise ordnen, daß ich nicht hören, sehen und reden muß!«
Pepe begab sich zu seiner Laterne zurück, in deren Scheine er den Brillanten funkeln ließ.
»Ich bin kein Kenner von solchen Dingen, aber ich glaube, daß ich ein besseres Geschäft gemacht habe, als der ehrenwerthe Don Lukas Despierto. Ist dieser Stein ächt, so will ich der Regierung des allerchristlichen Königreiches gern den rückständigen Sold schenken, obgleich ich gezwungen bin, schon morgen mit dem Frühesten über die nicht bezahlte Löhnung so laut zu schreien, daß Jedermann glauben muß, ich sei dem Hungertod nahe.«
Er streckte sich nieder und schien zu schlafen, ein aufmerksamer Beobachter aber würde bemerkt haben, daß er in der linken Faust das Messer hielt, während die rechte Hand den Karabiner umklammerte, ein sicherer Beweis, daß er keine Veranlassung zu haben glaubte, dem Kapitän mit seinen beiden Leuten ein allzu großes Vertrauen zu schenken.
Indessen saß der Erstere noch immer im Boote und erwartete die Meldung, die ihn zum Aufbruche veranlassen sollte. Da vernahm er leise, schleichende Schritte, welche sich ihm näherten.
»Jose!«
»Kapitano!«
»Du bists! Nun?«
»Alles nach Wunsch. Die Donna wacht noch, und der Knabe schläft in der Wiege.«
»So nimm die Strickleiter und komm!«
Er stieg aus dem Boote, warf dem Manne die Leiter zu und schritt voran, längs des Wassers hin, bis er an eine Felsenrinne gelangte, welche zur Höhe führte. Trotz der Dunkelheit kletterte er in derselben bis zum Schlosse empor und erreichte die Höhe an einer Stelle, über welcher sich ein Balkon befand, der auf massiven steinernen Trägern ruhte. Er blickte empor und gewahrte seinen zweiten Gehilfen, welcher auf ihn gewartet hatte.
»Fang die Leiter auf, Juan, und befestige sie an der Balustrade!«
Seinen Befehlen wurde Folge geleistet, dann erstieg er den Balkon und blickte durch die breite Glasthür desselben in ein Zimmer, welches so groß war, daß die in demselben befindliche Lampe nur eine spärliche Helle verbreitete.
An einer Wiege saß eine junge, wunderschöne Frau und blickte mit liebestrahlenden Augen auf den Knaben, welcher in derselben lag. Ein Faustschlag zertrümmerte das Glas, und im nächsten Momente stand der Kapitän in dem Zimmer. Die Dame war erschrocken aufgesprungen und starrte ihn an wie ein Gespenst, welches Furcht und Entsetzen mit sich bringt.
»Mein Gott, wer seid Ihr, was wollt Ihr!«
»Wer ich bin? Kennt Donna Luisa ihren Schwager nicht?«
»Ihren Schwa – –! Heilige Mutter Gottes, ja, er ists, Ihr seid es, Don Antonio, den wir Alle todt geglaubt haben!«
Die Gräfin befand sich in einer unbeschreiblichen Aufregung; der Graf blickte ihr mit ruhigem, höhnischem Lächeln in das bleiche Angesicht.
»Todt geglaubt, Frau Schwägerin, ja; aber das Schicksal hat es nicht ganz so schlimm mit mir gemeint, als Ihr dachtet. Ich lebe noch und muß Euch um Verzeihung bitten, daß ich den Versuch wage, Euch von meinem Dasein zu überzeugen.«
»Dann danke ich Gott mit Euch, der Euch so gnädig beschützt und glücklich zurückgeführt hat! Aber sagt, wo Ihr Euch bis hierher befunden habt, da nicht die kleinste Kunde von Euch zu uns gelangte!«
»Ich war nach Kuba beordert, wurde aber von einer französischen Flottille eingeholt und geentert. Der Widerstand war vergebens, man brachte mich nach Martinique, wo es mir später gelang, mit verschiedenen Leidensgefährten mich einer dort vor Anker liegenden Brigg zu bemächtigen, deren Bemannung wir niederstießen und dann in See gingen. Von da an kreuzte ich in den Gewässern von Mittel-und Südamerika, machte manchen guten Fang und kehre nun zurück, um die Früchte meines Seeglückes zu genießen.«
»Ich heiße Euch herzlich willkommen in der Heimath, Don Antonio! Aber warum kommt Ihr zu so ungewöhnlicher Stunde und auf einem so auffälligen Wege nach Schloß Elanchovi?«
»Errathet Ihr dies nicht, meine theure Donna?«
Sie blickte bei dem Tone dieser Worte mit schärferem Auge in sein Angesicht; sie fand auf dasselbe nur Haß und Tücke geschrieben und bebte in ihrem Innern.
»Was soll ich rathen, Don Antonio?«
»Daß Ihr mir im Wege seid, Ihr und der Knabe hier, der mir mein Erbe nimmt, welches Jahrhunderte lang sich vergrößert hat und mich zum reichsten Manne des Königreichs machen würde, wenn mein Bruder sich nicht von Eurer Stimme hätte bethören lassen. Ich bin gewohnt, den Besitz der Mediana als den meinigen anzusehen und werde keinen einzigen Augenblick lang von dieser Gewohnheit lassen.«
»Höre ich recht! Ist es möglich, daß – – –«
»Ihr hört ganz recht,« fiel er ihr in die Rede, »und Alles ist möglich, wenn ich es will. Ich komme zu so später Stunde und auf diesem ungewöhnlichem Wege zu Euch, um am hellen Tage als der einzige Mediana meinen Einzug auf Schloß Elanchovi halten zu können. Was mir im Wege ist, trete ich unter die Füße, und Ihr seid mir im Wege, Ihr und Euer Kind!«
Mit von dem Entsetzen vergrößerten Augen starrte sie ihn an; sie konnte nur schwer begreifen, welche Absicht ihn, den Bruder ihres verstorbenen Mannes, zu ihr führte, dann aber zog es blitzschnell durch ihre Seele, daß sie sich und ihren kleinen Fabian zu schützen habe, und mit einigen raschen Schritten eilte sie zur Klingel. Aber ehe sie den Glockenzug in Bewegung zu setzen vermochte, stand der Fürchterliche neben ihr und streckte sie mit einem einzigen Schlage seiner Faust besinnungslos zu Boden.
»Jose! Juan!«
Die beiden Männer traten vom Balkon herein. Ihren Zügen war der ächte Korsarenstempel ausgedrückt, sie mußten zu jeder That fähig sein, von welcher sie Lohn erwarten konnten.
»Das Weib hat es mir leicht gemacht. Schafft sie in das Nebenzimmer und gebt ihr den Dolch, aber gut und sicher, dafür ist Alles, was Ihr hier findet, Euer Eigenthum!«
Die Untergebenen ergriffen die Gräfin und schleppten sie fort. Der Graf bog sich über den Knaben nieder und betrachtete die Züge des schlummernden Kindes.
»Er hat die Züge der Mediana und ist der Sohn meines Bruders. Dieses Weib war mir fremd, ich darf ruhig an ihren Tod denken, ihn aber werde ich leben lassen. Wenn er nie erfährt, wo er geboren wurde, wird er mir vollständig unschädlich sein.«
Juan und Jose traten wieder ein; der Erstere zeigte den vom Blute der Gräfin gerötheten Dolch vor und wischte die zweischneidige Klinge an der weißseidenen Decke der Wiege ab.
»Dürfen wir nun zugreifen, Sennor?«
»Nehmt, was Euch gefällt; nur macht so schnell wie möglich und sucht Euch nichts Unnützes aus. Das Boot ist klein und vermag nicht viel zu fassen!«
»Und das Kind?«
»Nehme ich mit.
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