Don Lukas mußte sich unverrichteter Sache entfernen. –

Einige Tage später verbreitete sich die Kunde, daß Pepe, der Schläfer, wegen einer gegen den Grafen Antonio gerichteten falschen Anklage gefänglich eingezogen worden sei. Später hörte man, daß er auf der Galeere nach dem Präsidio Ceuta gehen werde, um Thunfische zu fangen. Ehe man ihn jedoch an die Kette schmiedete, erhielt er einen Besuch des Hauptmannes Don Lukas Despierto. Am andern Morgen war er verschwunden, wohin, das vermochte Niemand zu sagen.

II

Die Bonanza

Es war im Jahre 1830, als sich die Einwohner von Arispe, der Hauptstadt der mexikanischen Provinz Sonora, in einer nicht geringen Aufregung befanden.

Sonora, einer der reichsten Staaten der Konföderation von Mexiko, bildete damals eine der am wenigsten bekannten Gegenden Mittelamerika’s. Die Natur hat dieses Land mit außerordentlich reichen Gaben bedacht. Der durch den Pflug kaum aufgeritzte Boden bedeckt sich dort jährlich mit zwei höchst ergiebigen Ernten; die Wälder liefern einen unermeßlichen Vorrath von werthvollen Nutz-und Farbhölzern; das Thierreich bietet dem Menschen in großen Pferde-und Rinderheerden und einem beinahe unerschöpflichen Wildbestande die Befriedigung seiner ersten und letzten Bedürfnisse, und was die mineralen Verhältnisse betrifft, so konnte man vor noch nicht sehr langer Zeit an vielen Orten Gold in Menge finden, und es rivalisirte in dieser Beziehung dieses so verschwenderisch ausgestattete Land unter dem besten Erfolge mit dem heut zu Tage so vielgerühmten Kalifornien.

Viele gab es, die in Folge der Fruchtbarkeit ihrer Heerden und des jungfräulichen Bodens sich ein mehr als fürstliches Vermögen sammelten, und ebenso Viele gelangten durch die Auffindung eines einzigen Stückes gediegenen Goldes zu einem Reichthum, der allerdings meist ebenso schnell verloren ging, wie er gefunden wurde.

Wo viel Licht ist, da findet sich gewiß auch immer viel Schatten. Die Vorzüge des Staates Sonora sind mit Uebelständen gepaart, von denen sie außerordentlich beeinträchtigt werden. Ungeheure Einöden, nur dem beherzten Manne zugängig, durchziehen das Land; in den Wäldern hausen die Riesen des Raubthiergeschlechtes, und über die weiten Ebenen tummelt der unversöhnliche Indianer sein Roß, der keinen größern Reichthum kennt als denjenigen der Skalpe, die er seinem weißen Feinde abgenommen hat.

Von Zeit zu Zeit wagen sich Leute, deren alleinige Industrie in der praktischen Ausbeutung ihrer metallurgischen Kenntnisse besteht, in diese Einöden. Sich tausend Entbehrungen und Gefahren aussetzend, schlagen sie in aller Eile eine zu Tage liegende Silberader aus oder beschäftigen sich mit dem Auswaschen des goldhaltigen Sandes. Dann kommen sie, von den Indianern vertrieben und verfolgt, in die bewohnten Distrikte zurück und geben die fabelhaftesten Berichte über Schätze, die von ihnen flüchtig gesehen wurden, aber unzugänglich seien, über ungeheuer reiche Minen oder unerschöpfliche und zu Tage tretende Goldmassen zum Besten. Diese Goldsucher oder Gambusinos, wie man sie nennt, sind für die Bergwerksindustrie ganz dasselbe, was die nordamerikanischen Sauatters und Trappers für den Ackerbau und den Handel sind, und unterhalten durch ihre Erzählungen, in denen die Uebertreibung stets eine größere Rolle spielt als die Wahrheitsliebe, einen steten Durst nach Gold und ein immer reges Gelüste nach Eroberung derjenigen Länderstrecken, in denen man hofft, diesen Durst befriedigen zu können.

Zuweilen tritt ein kühner Abenteurer auf, der auf das allgemeine Verlangen nach Gold und Silber einen sanguinischen Plan erbaut; er gefällt sich in den verlockendsten Schilderungen, ist vielleicht in der glücklichen Lage, ein schweres Nugget oder sonst einen nicht ganz gewöhnlichen Fund vorzeigen zu können; andere Abenteurer gesellen sich ihm zu, junge Leute von guter Familie, die im Spiele oder durch eine sonstige Veranlassung all das Ihrige verloren haben, Männer, welche sich auf irgend eine Art und Weise mit der Justiz überworfen, Jäger und Fallensteller, welche die Gelegenheit benutzen wollen – es kommt eine Expedition zu Stande. Allein sie ist leichtsinnig unternommen oder tollkühn geleitet worden, sie verunglückt, und von den Vielen, welche ausgezogen sind, kommen kaum einige Wenige zurück, um von den Gefahren und Entbehrungen zu berichten, denen die Andern zum Opfer gefallen sind. Da wird plötzlich irgendwo wieder ein großer Fund gethan, das Fieber beginnt abermals, eine neue Expedition kommt zu Stande und – geht ganz unter denselben Verhältnissen zu Grunde.

Der größte Feind all dieser Unternehmungen ist nicht der Hunger oder der Durst, nicht der riesige Bär der amerikanischen Wälder, nicht der starke, blitzschnelle Jaguar oder das in den Sümpfen lauernde Krokodil, sondern der Indianer, der in dem Weißen nur den Räuber kennt, welcher ihn widerrechtlich aus dem Lande treibt, wo die Grabhügel seiner großen Krieger, die Wigwams seiner Stammesgenossen liegen und ungezählte Heerden ihm seit Jahrhunderten den Unterhalt gewährten. Die Stärke des Bären mit der List des Panthers vereinend, jeder Anstrengung und Entbehrung gewachsen, virtuose Reiter, wohlgeübt in jeder Art von Waffe, und im Kampfe mit dem Feinde ebensowohl zum größesten Opfer als auch zur kühnsten Kraftentfaltung bereit, sind sie Gegner, die man sich furchtbarer gar nicht zu denken vermag, und die verschwiegenen Urwälder, die unermeßlichen Savannen sind Zeugen von Heldenthaten, wie sie unsere moderne europäische Kriegführung nicht aufzuweisen vermag, und die an jene reckenhaften Kämpen erinnern, von denen uns die Sage berichtet, deren Worten wir Alten und Jungen mit fliegenden Pulsen lauschen.

Also es war im Jahre 1830, als sich die Einwohnerschaft von Arispe in einer nicht geringen Aufregung befand. Man sprach von einer Expedition, die so zahlreiche Betheiligung finden und solche Hoffnung auf Erfolg bieten sollte, wie noch keine der vorhergehenden. Der Unternehmer war ein Fremder, ein Spanier, der erst vor kaum zwei Monaten angekommen war und den Namen Don Estevan de Arechiza führte. Dieser Mann schien schon im Lande gelebt zu haben, doch hatte ihn früher noch Niemand gesehen. Topographische Kenntnisse, deren Genauigkeit nichts zu wünschen übrig ließ, und die offenbar aus bester Quelle geschöpften Anschauungen über Menschen und Dinge bewiesen, daß Sonora ihm keine Terra inkognita sei. Er mußte mit einem sehr wohlüberlegten Plane aus Europa herübergekommen sein, denn Alles, was er that, verrieth tiefes Nachdenken und einen sehr sichtbaren innern Zusammenhang. Er verfügte über ebenso bedeutende wie geheimnißvolle Hilfsquellen, denn er lebte auf einem überaus glänzenden Fuße, hielt offenes Haus, spielte sehr hoch, lieh seinen Bekannten Geld, ohne es jemals zurückzuverlangen, und kein Mensch konnte sagen, woher er das Geld nahm, um einen so ungewöhnlichen Aufwand zu bestreiten.

Er unternahm von Zeit zu Zeit eine kleine Reise, die höchstens eine Woche währte; dann zeigte er sich wieder, ohne daß man wußte, wo er gewesen war, denn seine Dienerschaft, die jedenfalls gut besoldet war, ließ über die Angelegenheiten ihres Herrn niemals Etwas verlauten. Sein vornehmes Wesen, seine Großmuth und Freigebigkeit verhalf ihm in Arispe bald zu einem gewaltigen Einflusse, so daß es ihm nicht schwer fallen konnte, eine Expedition zu organisiren, über deren eigentliches Ziel er sich allerdings noch nicht ausgesprochen hatte. Nur so viel ließ er hören, daß sie nach einem Orte gehen solle, bis zu welchem noch kein Weißer vorgedrungen sei.

Aus allen Gegenden des Landes strömten ihm Leute zu, die sich betheiligen wollten, und man erzählte sich, daß bereits achtzig entschlossene Männer nach dem Präsidio Tubac an der indianischen Grenze, das Arechiza ihnen als Sammelplatz bezeichnet hatte, unterwegs seien. Wollte man dem allgemeinen Gerüchte Glauben beimessen, so war auch der Tag bereits nahe, an welchem Don Estevan in eigener Person von Arispe abgehen wollte, um sich an ihre Spitze zu stellen.

Um diese Zeit war es, daß ein Reiter langsam durch die Straßen der Stadt geritten kam, sich angelegentlich nach der Wohnung Don Estevan de Arechiza’s erkundigte und, vor derselben angekommen, vom Pferde stieg.

Seine Kleidung bestand in einem Wammse ohne Knöpfe – einem Kleidungsstücke, welches man wie ein Hemd überwirft – und in einer weiten Hose, Beides aus gegerbtem, backsteinfarbigem Leder. Diese Hose, welche vom Knie an bis herab zur Ferse offen war, ließ das von mit figurenbedecktem Ziegenleder umgebene Bein sehen. Diese unförmlichen Stiefeln waren durch scharlachrothe Kniebänder befestigt, in deren einem ein langes Messer mit seiner Scheide stak. Eine aus rothem chinesischem Crepp bestehende Schärpe, ein großer Filzhut, welcher von einer Schnur venetianischer Perlen umgeben war, bildeten ein malerisches Kostüm, dessen Farben mit denen der Serape (Plaid), die ihm um die Schultern hing, vollständig harmonirten.

Ein Diener frug nach seinem Begehr.

»Ist Don Estevan de Arechiza zu sprechen?«

»Ich werde sehen! Wen soll ich melden?«

»Mein Name ist Petro Cuchillo

Der Diener schritt ihm voran und öffnete ihm bald den Eintritt in ein Gemach, wo sich der Mann befand, welchen er suchte.

Don Estevan schien im Begriffe gewesen zu sein, auszureiten. Er war ein Mann von etwas mehr als mittlerer Größe. Er hatte einen Dolman von dunkelblauer Farbe an, welcher reich mit seidenen Borden verziert war und durch ein weißes, mit himmelblauer Seide gesticktes Taschentuch fast ganz verdeckt wurde. Unter einem glühenden Himmel dient die Weiße dieser Art von Schärpe, pano del sol genannt, wie der Burnus der Araber dazu, die Sonnenstrahlen zurückzuwerfen.