Man beginnt sich zu fragen, ob man je bis zum Ende gelangen wird – und mehr noch, wie in aller Welt man zurückkommen soll. Der Schritt wird langsamer und langsamer. Auf einer Strecke von ein paar hundert Yards ist der Stollen besonders niedrig, und man muß sich kauernd vorwärts bewegen. Dann plötzlich weicht die Decke zu geheimnisvoller Höhe zurück – wahrscheinlich der Schauplatz eines früheren Felseinsturzes – und für zwanzig volle Yards kann man aufrecht stehen. Die Erleichterung ist überwältigend. Aber danach kommt wieder ein niedriger Stollen von hundert Yards und dann eine Reihe von Balken, unter denen man herkriechen muß. Man geht auf allen vieren; sogar das ist eine Erholung nach dem Gehen in der Hocke. Aber wenn man ans Ende der Balken kommt und wieder aufstehen will, merkt man, daß die Knie vorübergehend streiken und sich weigern, einen aufzurichten. Man bittet beschämt um einen Halt und sagt, man würde gern eine Minute oder zwei ausruhen. Der Führer (ein Bergmann) hat Verständnis: er weiß, daß ich nicht Muskeln habe wie er. »Nur noch vierhundert Yards«, sagt er ermutigend; er könnte genausogut sagen: nur noch vierhundert Meilen. Aber schließlich kriecht man doch irgendwie bis zum Kohleflöz. Man ist eine Meile gegangen und hat fast eine Stunde dafür benötigt; ein Bergmann würde kaum mehr als zwanzig Minuten brauchen. Einmal angelangt, muß man sich erst einmal in den Kohlestaub strecken und ein paar Minuten ausruhen, bevor man auch nur die laufende Arbeit mit einigem Verständnis betrachten kann.
Der Rückweg ist schlimmer als der Hinweg, nicht nur, weil man schon müde ist, sondern auch, weil der Weg zurück zum Schacht wahrscheinlich leicht ansteigt. Die niedrigen Stollen bringt man mit der Geschwindigkeit einer Schildkröte hinter sich, und man schämt sich nicht mehr, »Halt« zu rufen, wenn man in den Knien einknickt. Sogar die Lampe, die man trägt, wird zu einer Last, und wahrscheinlich würde man sie, wenn man stolperte, fallen lassen: woraufhin sie, wenn es eine Davylampe ist, ausginge. Den Balken auszuweichen, wird immer anstrengender, und manchmal vergißt man es. Man versucht, wie die Bergleute mit gesenktem Kopf zu gehen, und dann stößt man sich den Rücken an. Sogar den Bergleuten passiert das oft. Deshalb haben in den heißen Gruben, wo man sich kaum anders als halbnackt bewegen kann, die meisten Bergleute das, was sie »Knöpfe den Rücken runter« nennen – Schorf an jedem Rückenwirbel. Wo die Geleise abwärts führen, stellen sich die Bergleute manchmal mit ihren unten eingekerbten Holzschuhen auf die Schienen und rutschen hinunter. In Gruben, wo das »Reisen« sehr schwierig ist, haben die Bergleute Stöcke bei sich, die etwa zweieinhalb Fuß lang und unter dem Griff ausgebuchtet sind. Normalerweise hält man den Stock am Griff, und in den niedrigen Gängen läßt man die Hand abwärts in die Ausbuchtung gleiten. Diese Stöcke sind eine große Hilfe, und die hölzernen Helme – eine relativ neue Erfindung – sind ein wahrer Segen. Sie sehen wie französische oder italienische Stahlhelme aus, sind aber aus einer Art Hartholz gemacht und sehr leicht, doch so fest, daß man auch einen heftigen Schlag auf den Kopf nicht spürt. Wenn man schließlich wieder nach oben kommt, war man vielleicht drei Stunden unter Tage und ist zwei Meilen »gereist«, aber man ist erschöpfter als nach einem Fünfundzwanzig-Meilen-Marsch über Tage. Die ganze folgende Woche sind die Schenkel so steif, daß es ein recht schwieriges Kunststück ist, die Treppe hinunterzukommen; man muß sich in einer merkwürdigen Stellung seitwärts hinunterarbeiten, ohne die Knie zu beugen. Wenn die befreundeten Bergleute den steifen Gang bemerken, wird man von ihnen aufgezogen: »Na, wie wär’s, in der Grube unten arbeiten, eh?« Aber selbst ein Bergmann, der lange nicht gearbeitet hat – zum Beispiel, weil er krank war –, hat es nach der Rückkehr in die Grube während der ersten paar Tage schwer.
Es sieht vielleicht so aus, als würde ich übertreiben, aber das wird wohl keiner sagen, der je in einer altmodischen Kohlengrube gewesen ist (die meisten Kohlengruben in England sind altmodisch) und wirklich bis zum Kohleflöz gegangen ist. Aber ich möchte folgendes betonen. Dieses schreckliche Hin- und Zurückkriechen, das für jeden normalen Menschen an sich schon eine harte Tagesarbeit ist, gehört noch gar nicht zur Arbeit des Bergmanns; es ist lediglich eine Zugabe wie für den Geschäftsmann die tägliche U-Bahn-Fahrt.
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