Während der Fahrt erreicht der Käfig wohl sechzig Meilen pro Stunde, bei manchen tiefer gelegenen Gruben sogar noch mehr. Wenn man unten aus dem Käfig herausklettert, ist man ungefähr vierhundert Yards unter der Erdoberfläche. Das bedeutet, daß man einen ganz hübschen Berg über sich hat; Hunderte von Yards massives Gestein, Knochen ausgestorbener Tiere, verschiedene Erd- und Kieselschichten, Wurzeln von Pflanzen, grünes Gras, Kühe, die darauf weiden – das alles hängt einem über dem Kopf und wird nur von hölzernen Pfosten, die so dick sind wie eine Wade, abgestützt. Aber wegen der Geschwindigkeit, mit welcher der Käfig einen hinuntergebracht hat, und der völligen Dunkelheit, durch die man gefahren ist, glaubt man kaum tiefer unten zu sein als im Untergrundbahnhof von Piccadilly.

Wirklich überraschend sind dagegen die immensen horizontalen Entfernungen, die unter Tage zurückgelegt werden müssen. Bevor ich selber unten in einer Kohlengrube war, hatte ich eine vage Vorstellung vom Bergmann, der aus dem Käfig steigt und sich ein paar Yards weiter an einem Kohleflöz an die Arbeit macht. Mir war nicht klar gewesen, daß er, bevor er überhaupt zu seinem Arbeitsplatz gelangt, durch Stollen kriechen muß, die so lang sind wie der Weg von der London Bridge zum Oxford Circus. Am Anfang wird der Grubenschacht natürlich in der Nähe eines Kohlevorkommens gegraben. Aber wenn dieses Vorkommen ausgebeutet ist und man neuen Adern nachgeht, entfernen sich die Arbeitsplätze immer weiter vom Einstiegsschacht. Wenn das Kohleflöz eine Meile vom Einstiegsschacht abliegt, dürfte das eine durchschnittliche Entfernung sein; drei Meilen gelten noch als normal; es soll sogar einige Gruben geben, in denen die Entfernung fünf Meilen beträgt. Aber diese Distanzen kann man nicht mit den entsprechenden Distanzen über Tage gleichsetzen. Denn auf der ganzen Meile oder vielleicht auf den ganzen drei Meilen gibt es außerhalb des Hauptstollens (und auch dort nur selten), kaum Stellen, an denen ein Mann aufrecht stehen kann.

Was das bedeutet, merkt man erst, wenn man ein paar hundert Yards gegangen ist. Zunächst geht man leicht gebückt durch den matt beleuchteten Stollen, der acht bis zehn Fuß breit und etwa fünf Fuß hoch ist und dessen Wände aus Schieferplatten bestehen, wie die Steinmauern in Derbyshire. Alle ein oder zwei Yards stehen hölzerne Pfosten, die die Träger und Balken abstützen. Einige Balken haben sich zu phantastischen Krümmungen verzogen, unter denen man sich durchbücken muß. Gewöhnlich kann man nur schlecht gehen – über dicken Staub und scharfkantige Schieferbrocken, und wo Wasser in der Nähe ist, ist es schlammig wie auf einem Bauernhof. Außerdem ist da noch das Gleis für die Kohlewaggons, eine Art Miniaturschienen mit Schwellen im Abstand von ein bis zwei Fuß, die das Gehen mühsam machen. Alles ist grau vom Schieferstaub, und überall hängt ein staubiger, brenzliger Geruch, der wohl in allen Bergwerken der gleiche ist. Man sieht geheimnisvolle Maschinen, deren Zweck man nie begreifen wird, Bündel von Werkzeugen, die auf Drähte gezogen sind, und manchmal Mäuse, die vor dem Lampenstrahl weghuschen. Mäuse sind überraschend häufig, besonders in Bergwerken, wo Pferde eingesetzt werden oder wurden. Es wäre interessant zu erfahren, wie sie ursprünglich dahingekommen sind; vielleicht sind sie einen Schacht hinuntergefallen – es heißt ja, daß eine Maus aufgrund ihrer im Verhältnis zum Gewicht großen Oberfläche einen Sturz aus beliebiger Höhe unverletzt überstehen kann. Man drückt sich an die Wand, um den Förderwagen, die langsam in Richtung Schacht rumpeln, Platz zu machen. Die Waggons werden von einem endlosen Stahlkabel gezogen, das von oben her bedient wird. Man kriecht unter sackleinenen Vorhängen durch und kommt an dicke Holztüren, bei deren Öffnen einem heftige Zugluft entgegenschlägt. Die Türen sind ein wichtiger Teil des Ventilationssystems. Die verbrauchte Luft wird durch Ventilatoren aus dem einen Schacht gesaugt, und die frische Luft strömt dann von selbst in den andern Schacht. Sich selbst überlassen, würde die Luft den kürzesten Weg nehmen, und die tiefer gelegenen Abbaustellen blieben unbelüftet; deshalb müssen alle Abkürzungen verschlossen werden.

Am Anfang macht das gebückte Gehen irgendwie noch Spaß, aber dieser Spaß erschöpft sich rasch. Ich bin durch meine ungewöhnliche Körpergröße ohnehin im Nachteil, aber wenn der Stollen schließlich nur noch vier Fuß oder weniger hoch ist, wird das Vorwärtskommen für jeden mühsam, Zwerge und Kinder ausgenommen. Man muß sich nicht nur tief bücken, sondern gleichzeitig immer den Kopf aufrecht halten, um die Balken und Träger kommen zu sehen und ihnen auszuweichen. Deshalb hat man dauernd einen steifen Hals, aber das ist nichts im Vergleich mit den Schmerzen in den Knien und Schenkeln. Nach einer halben Meile werden sie (ich übertreibe nicht!) zu einer unerträglichen Qual.