Er erzählte mir oft Geschichten von Kämpfen mit wilden Pferden in engen unterirdischen Gängen. Als er hörte, daß ich Vorbereitungen träfe, in verschiedene Kohlengruben hinabzugehen, erklärte er mir geringschätzig, ein Mann von meiner Größe (sechs Fuß und zweieinhalb Zoll) würde das »Reisen« nicht schaffen; es war zwecklos, ihm zu sagen, das »Reisen« ginge besser als früher. Aber er war freundlich zu jedermann und rief uns immer ein tüchtiges »Gute Nacht, Jungens!« zu, wenn er die Treppe zu seinem Bett irgendwo unter den Dachsparren hochkletterte. Was ich an Old Jack am meisten bewunderte, war, daß er nie schnorrte. Am Ende der Woche war ihm gewöhnlich der Tabak ausgegangen, aber er weigerte sich stets, welchen von jemand anderem zu rauchen. Die Brookers hatten für die beiden Rentner bei einer Sixpence-pro-Woche-Firma eine Lebensversicherung abgeschlossen. Es wurde erzählt, man hätte sie den Versicherungsanreißer besorgt fragen hören, »wie lange Leute noch leben, wenn sie Krebs haben«.

Wie der Schotte war Joe ein großer Zeitungsleser und verbrachte fast den ganzen Tag in der öffentlichen Bibliothek. Er war der typische unverheiratete Arbeitslose, ein verloren aussehendes, unverhohlen zerlumptes Wesen mit einem runden, fast kindlichen Gesicht, auf dem ein ungezogener Ausdruck lag. Er sah eher wie ein vernachlässigter Junge aus als wie ein erwachsener Mann. Ich glaube, es ist das völlige Fehlen von Verantwortung, das so viele dieser Männer jünger aussehen läßt, als sie sind. Nach seinem Aussehen hatte ich Joe auf etwa achtundzwanzig Jahre geschätzt und war dann erstaunt, als ich erfuhr, daß er dreiundvierzig war. Er hatte eine Vorliebe für großsprecherische Phrasen und war sehr stolz auf seinen Scharfsinn, durch den er ums Heiraten herumgekommen war. Oft sagte er zu mir: »Die Ketten des Ehestands, das ist eine kolossale Sache«, und hatte offensichtlich das Gefühl, das sei eine sehr feinsinnige und weitreichende Bemerkung. Sein gesamtes Einkommen betrug fünfzehn Shilling pro Woche, und sechs oder sieben davon mußte er den Brookers für sein Bett bezahlen. Manchmal sah ich ihn, wie er sich über dem Küchenherd eine Tasse Tee machte, aber sonst verpflegte er sich auswärts; vermutlich kam es meist auf Margarinebrote und Fish-and-Chips-Päckchen heraus.

Neben den Dauermietern gab es die rasch wechselnde Kundschaft von Handelsreisenden der ärmeren Sorte, Wanderschauspielern – nichts Ungewöhnliches im Norden, weil die meisten größeren Kneipen für die Wochenenden Varieteartisten einstellen – und Zeitungsabonnentenfängern. Das war eine Art Leute, der ich vorher noch nie begegnet war. Ihre Arbeit kam mir so hoffnungslos, so entmutigend vor, daß ich mich wunderte, wie jemand sich auf sie einlassen konnte, wo es als andere Möglichkeit doch das Gefängnis gab. Sie wurden vor allem von Wochenoder Sonntagszeitungen angestellt und von Stadt zu Stadt geschickt, ausgerüstet mit Karten und Listen von Straßen, die sie jeden Tag zu bearbeiten hatten. Wenn es ihnen nicht gelang, zwanzig Abonnementsbestellungen pro Tag festzumachen, wurden sie gefeuert. Solange sie ihre zwanzig Bestellungen pro Tag schafften, bekamen sie ein schmales Gehalt, zwei Pfund pro Woche, glaube ich; für die Bestellungen über zwanzig erhielten sie eine winzige Provision. Das Ganze ist nicht so unmöglich, wie es tönt, denn in Arbeitervierteln hält sich jede Familie ein Zweipenny-Wochenblatt und wechselt es alle paar Wochen; aber ich bezweifle, daß irgendwer so einen Job lange behält. Die Zeitungen stellen verzweifelte arme Teufel ein, arbeitslose Büroangestellte, Handlungsreisende und ähnliche Leute, die sich eine Zeitlang anstrengen wie wild, um wenigstens den minimalen Absatz zu erreichen; sobald die tödliche Arbeit sie abgenützt hat, werden sie gefeuert und neue Leute eingestellt. Ich lernte zwei kennen, die von einer der berüchtigteren Wochenzeitungen angestellt worden waren. Beide waren Männer mittleren Alters, die Familien zu ernähren hatten, und der eine war schon Großvater. Sie waren zehn Stunden am Tag auf den Beinen, »bearbeiteten« die ihnen zugeteilten Straßen und waren bis spät in die Nacht damit beschäftigt, Formulare für irgendeine Gaunerei ihrer Zeitschrift auszufüllen – eines dieser Muster, bei denen man einen Satz Geschirr »geschenkt bekommt«, wenn man eine Bestellung für sechs Wochen abschließt und außerdem noch eine Postanweisung über zwei Shilling aufgibt. Der Dicke, der schon Großvater war, schlief gewöhnlich mit dem Kopf auf einem Stapel Formulare ein. Keiner von beiden konnte sich das Pfund pro Woche leisten, das die Brookers für Vollpension verlangten. Sie bezahlten eine kleine Summe für ihre Betten und machten sich in einer Ecke der Küche verschämt Mahlzeiten aus Schinken und Margarine, die sie in ihren Koffern bei sich hatten.

Die Brookers hatten Söhne und Töchter in Mengen; die meisten waren schon lange von Zuhause geflohen. Manche waren in Kanada, »auf Kanada«, wie Mrs. Brooker sich auszudrücken pflegte. Nur ein Sohn wohnte in der Nähe, ein großer, einem Schwein nicht unähnlich sehender Mann, der in einer Garage arbeitete und oft zum Essen nach Hause kam.