Seine Frau war mit ihren beiden Kindern den ganzen Tag da; der größte Teil des Kochens und Wäschewaschens wurde von ihr und von Emmie, der Verlobten eines anderen Sohns, der in London war, erledigt. Emmie war ein blondes, unglücklich aussehendes Mädchen mit einer spitzen Nase, das für einen Hungerlohn in einer der Fabriken arbeitete und sich trotzdem noch jeden Abend bei den Brookers abrackerte. Wie ich erfuhr, wurde die Hochzeit immer wieder verschoben und würde vielleicht nie stattfinden, aber Mrs. Brooker hatte Emmie schon als Schwiegertochter eingespannt und nörgelte in der eigenartig wachsamen und liebevollen Art, die Kranken eigen ist, an ihr herum. Die übrige Haushaltsarbeit wurde von Mr. Brooker erledigt oder auch nicht. Mrs. Brooker stand selten von ihrem Sofa in der Küche auf (sie verbrachte die Nacht dort so gut wie den Tag) und war zu krank, um irgend etwas zu tun, außer riesige Mahlzeiten zu sich zu nehmen. Mr. Brooker kümmerte sich um den Laden, gab den Mietern ihr Essen und »machte« die Schlafzimmer. Er bewegte sich mit einer unglaublichen Langsamkeit von einer verhaßten Tätigkeit zur andern. Oft waren die Betten um sechs Uhr abends noch nicht gemacht, und zu jeder Tageszeit mußte man damit rechnen, Mr. Brooker mit einem vollen Nachttopf, den er mit dem Daumen auf der Innenseite festhielt, auf der Treppe zu begegnen. Morgens saß er mit einem Kübel schmutzigem Wasser am Feuer und schälte in Zeitlupengeschwindigkeit Kartoffeln. Ich habe nie jemanden gesehen, der mit solch einer Miene brütenden Widerwillens Kartoffeln schälen konnte. Man konnte seinen Haß auf die »verdammte Weiberarbeit«, wie er es nannte, wie einen bitteren Saft in ihm gären sehen. Er war einer jener Menschen, die ihren Verdruß unablässig wiederkäuen können.
Natürlich hörte ich, da ich oft im Hause war, alles über das Weh und Ach der Brookers, wie jedermann sie betrog und undankbar war und wie der Laden nichts einbrachte und die Pension kaum etwas. Nach lokalen Maßstäben waren sie gar nicht so schlecht dran, denn Mr. Brooker drückte sich, ich weiß auch nicht wie, um den Means Test und bezog eine Unterstützung vom P.A.C. Aber ihr Hauptvergnügen bestand darin, jedem, der zuhörte, ihr Leid zu klagen. Mrs. Brooker jammerte Stunde um Stunde, auf ihrem Sofa liegend, ein weicher Hügel aus Fett und Selbstmitleid; und sie sagte immer und immer wieder das gleiche: »Wir bekommen wohl keine Mieter nicht mehr heutzutage. Ich weiß nicht, wie das ist. Die Kutteln liegen nur da herum Tag für Tag – und es sind so herrliche Kutteln! Es ist wirklich hart, jawohl«, etc. etc. etc. Alle Klagen von Mrs. Brooker endeten mit »Es ist wirklich hart, jawohl«, wie der Refrain einer Ballade. Sicher stimmte es, daß der Laden nichts einbrachte. Er hatte das unverkennbar staubige, schmuddelige Aussehen eines Geschäftes, mit dem es abwärts geht. Aber auch wenn jemand die Stirn gehabt hätte, ihnen zu erklären, warum niemand in den Laden kam, wäre es ziemlich unnütz gewesen. Keiner der beiden war imstande zu begreifen, daß im Schaufenster liegende tote Schmeißfliegen vom letzten Jahr den Umsatz nicht fördern.
Was sie aber wirklich quälte, war der Gedanke an diese beiden Rentner, die in ihrem Haus wohnten, Raum beanspruchten, Essen verschlangen und nur zehn Shilling pro Woche abgaben. Ich bezweifle, daß sie bei den Rentnern wirklich draufzahlten, obwohl der Gewinn bei zehn Shilling pro Woche sicherlich sehr klein gewesen sein muß. Aber in ihren Augen waren die beiden alten Männer eine Art gräßlicher Schmarotzer, die sich an sie gesetzt hatten und von ihrer Wohltätigkeit lebten. Old Jack konnten sie gerade noch ertragen, weil er tagsüber meist außer Haus war, aber den Bettlägerigen, Hooker mit Namen, haßten sie wirklich. Mr. Brooker sprach seinen Namen komisch aus, ohne H und mit einem langen U – »Uuker«. Was für Geschichten habe ich nicht über den alten Hooker gehört, über seine Widerborstigkeit, die Zumutung, sein Bett machen zu müssen, seine Art, dieses nicht essen zu mögen und jenes nicht essen zu mögen, und, vor allem, die selbstsüchtige Halsstarrigkeit, mit der er sich weigerte zu sterben! Die Brookers sehnten sich recht offen nach seinem Tod.
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