Verstoßen bin ich gar.
Was noch das Größest ist, die Feinde seh' ich stellen
auf allen Seiten auf, wie sie nur mögen fällen
mein abgeseelte Seel'. Hier lauren sie und dort
und reden wider mich nur lauter Schadenswort
und bergens listiglich. Ich aber muß nicht hören,
muß wie ein Tauber sein, darf ihren Rat nicht stören,
ganz einem Stummen gleich, der sich nicht schützen kan,
wenn ihm zur Ungebühr ein Schimpf wird angetan.
Auf dich, Herr, Herr, auf dich harr ich in diesen Nöten!
du, mein Gott, wirst ja nicht mich gar so lassen töten.
Erhör', erhöre mich, auf daß ich ihrer Rott',
im Fall mirs übel geht, nicht gar muß sein ein Spott!
Wenn dein Verhängnüß mich ließ auf dem Glatten wanken,
hilf Gott, was würden sie nicht haben für Gedanken,
wie würden sie sich doch hoch rühmen wider mich!
Es ist kein mühsamer, kein ärmer Mensch, als ich.
Ich bin zu steter Angst und Leiden nur geboren.
Mein Schmerz ist immer neu. Herr, nimb doch du zu Ohren
mein heiser Notgeschrei! Dir beicht' ich meine Schuld,
ich sorge stets für sie. Herr, habe doch Geduld,
und töte mich nicht gar! Sie, meine Feinde, leben
und trutzen auf die Macht. Sie seh' ich oben schweben
und größer sein als ich, die mich, weiß nicht, warumb
aus selbstgefastem Haß und Gramsein rennen umb,
die mir für Segen Fluch, für Gutes Böses gönnen.
Herr, wirstu länger auch dem Übel zusehn können?
Ach eile, weil die Not ietzt in dem Höchsten ist,
weil du mein' ein'ge Hülf' und starker Beistand bist!
4. Der 51. Psalm
Ein Psalm Davids, vorzusingen, da der Prophet Nathan zu ihm kam, als er war zu Bath Seba eingangen
Du Güt' und Gnade selbst, Gott, sei mir Sündern gnädig,
und sprich mich meiner Schuld in Hulden quit und ledig!
Herr, wasche du mich wol von meiner Missetat!
du hast für meinen Kot bei dir das rechte Bad.
Ich sehe für und für vor mir mein Unrecht schweben,
ich wil dir dessen nur ein klar Bekentnüß geben
und sagen frei heraus, daß ich dein Sünder bin.
Denn dieser Ausspruch sieht auf deine Gottheit hin,
daß du bleibst ewig wahr und allzeit rein zu finden.
Ich kan es leugnen nicht, ich bin ein Mensch, in Sünden
empfangen und geborn. Der Eltern schnöde Lust
hat mir auch angekleckt den bösen Kot und Wust.
Dir aber, Herr, gefällt die Wahrheit, die verborgen
in deinem Herzen liegt. Du kanst, Herr, für mich sorgen.
Du zeigest mir den Weg, der zu der Weisheit führt,
der auch sonst heimlich ist, den nie kein Heide spürt.
Nimb einen Ysoppusch, entsündige mein Leben!
Du kanst alleine mir die rechte Lauge geben,
die Seel' und Leib beglänzt, gleich als der Sehen Liecht,
die truckne Flut, der Schnee, mit seinem Schein hinsticht.
Laß mich von lautrer Lust und Wonne hören sagen,
daß der Gebeine Mark, die du so sehr zuschlagen,
einst wieder werde froh! Vertilge meine Schuld,
verbirge dich vor ihr und sei mir wieder huld!
Gott, schaffe du in mir ein neues reines Herze
und gib mir einen Geist, der nicht im Glauben scherze
und wanke hin und her! Verwirf mich nicht von dir
und nimb, o Vater, nicht den werthen Geist von mir!
Laß deine Hülfe mich zu aller Zeit erquicken,
und dein beherzter Geist laß in mir nicht ersticken
des Glaubens schwache Frucht! Herr, tröste, tröste mich!
Enthalte du mich, Herr, so bin enthalten ich!
Drumb wil ich deinen Weg die Übeltäter lehren,
daß sich die Sünderzunft zu dir sol müssen kehren.
Gott, der du stets mein Gott und frischer Heiland bist,
nimb meine Blutschuld hin, die mir das Leben frißt,
errette mich von ihr, so sol dein recht Gerichte
von mir gepriesen sein durch dieser Zungen Früchte.
Herr, öffne mir den Mund, brich meiner Lippen Schloß,
so sol dein Ruhmb und Lob auf Erden werden groß,
so weit man Menschen kent. Könt' Opfer dir gefallen,
so brächte selbtes dir ich wol für andern allen.
Könt' ein gebrantes Vieh vor dir sein angenehm,
so wär ich fornen vor, wenn man zum Brennen käm'.
Herr, dieses wilstu nicht. Ein leidzerknirschtes Herze,
ein reugeängster Geist, ein Sinn voll wahrem Schmerze,
der von der Sünden rührt, das ist, Herr, deine Lust!
Kein Räucherwerk verdunst der Sünden Stank und Wust,
kein Bocksblut söhnt Gott aus. Tue wol nach deiner Gnade
uns und der Zionsburg! Jerusalems ihr Schade
müß einst erbarmen dich! Bau ihre Mauren auf,
die so zerschellet sind durch manchen Sturmeslauf,
wenn sie bekrieget ward! Alsdenn wird man dir können
ein rechtes Opfer tun nach deinem Wundsch und Sinnen,
alsdenn wird oft ein Schaf dir werden ganz verbrant
und bluten manches Tier von deines Priesters Hand.
5. Der 102. Psalm
Ein Gebet des Elenden, so er betrübt ist und seine Klage vor dem Herrn ausschüttet
Herr, höre mein Gebet, und laß mein sehnlichs Schreien
zu dir und vor dich ein! Verbirge nicht vom Neuen
dein Antlitz erst für mir! Neig', Herr, dein leises Ohr,
vernimb, was in der Not ich dir ietzt bringe vor!
Denn meine Tage sind als wie ein Rauch vergangen,
der eh zerfleucht, als kömpt. Die dürren Beine hangen
und sind ganz ausgebrant. Mein Herz ist wund und matt
wie ein verschmachter Halm, der nicht mehr Nahrung hat.
Ich bin verduttet ganz, daß ich auch kan vergessen
das grauerliche Brot und ekle Kost zu essen.
Die Backen trucknen aus, die Schläfe fallen ein,
ich bin durch steten Harm nur worden Haut und Bein.
Gleich als der Pelikan im wüsten Rohre schreiet
und wie ein wilder Kauz, der sich zu machen scheuet
aus seiner öden Statt, gleich wie ein Vogel girrt,
wenn ihm sein Ehgemahl vom Garn' erhaschet wird,
der stets sein Einsamsein ruft aus auf allen Bäuen:
so bin anietzo ich. Man schmäht mich stets vom Neuen.
So oft es taget nur, so tritt mein Feind vor mich,
kühlt seinen Mut an mir und lästert trotziglich.
Ich bin sein Spott und Schwur. Wo ist mein erstes Tischen?
Asch' eß ich ietzt für Brot. Mit Thränen muß ich mischen
den ungeschmacken Trank, weil du so zornig bist
und deine Dräuung mir das Mark und Seele frißt.
Du hubest mich empor hoch über alle Großen.
Wie hastu mich denn ietzt zu Boden so gestoßen?
Mein ganzer Lebenslauf gleicht einem Schatten nur,
der, wenn der Körper weicht, verlässet keine Spur.
Bei Zusehn schwind' ich ab, der Lenden Mark verrinnet,
und ich dorr aus, wie Gras, das man am Warmen sönnet.
Was bin ich gegen dir, du starker Zebaoth?
Du bleibest ewig Herr und ohne Wandel Gott,
dich ändert keine Zeit, du Herrscher aller Zeiten.
Dein ist die Ewigkeit, du Prinz der Ewigkeiten.
Wenn dieses Ganze denn die Glut wird äschern ein,
so wird doch für und für noch dein Gedächtnüß sein.
Ach! mache dich doch auf und hilf mir ärmsten Armen,
wenn deines Zions Drangs du dich noch kanst erbarmen,
so mache dich doch auf! Ietzt ist es hohe Zeit,
daß du ihr gnädig seist und werfest ab ihr Leid.
Die reife Stund' ist da. Denn wir, wir deine Knechte,
sehn gerne, daß einmal sie käme doch zu Rechte,
daß ihre Stein' und Kalk nur würden zugericht,
daß man sie führet' auf, damit in deiner Pflicht
das unbekehrte Wild, die Heiden möchten leben
und alle Könige dem Namen Ehre geben,
der aller Ehren wert, daß Zion sei erbaut,
und daß man Gott allda in seiner Hoheit schaut.
Der Unterdrückten Wundsch, das auserpreßte Flehen
hört er, läßt keinen Man nicht hülflos von ihm gehen,
der ihm nur trauen kan. Er wendet sich zu dir,
verschmäht nicht, was du ihm in deiner Not trägst für.
Das werd' in ewige Demanten eingegraben,
was wir für einen Gott an unserm Gotte haben!
In Bücher müsse diß geschrieben werden ein,
die keine Zeit befrißt, daß auch, die nach uns sein,
das ungeborne Volk, den Herren loben mügen
und sich vor dessen Macht und Ehre willig schmiegen,
der von der heilgen Höh' auf dieses Tiefe schaut,
daß er das arme Volk, das seiner Gnade traut,
und hart umbfesselt ist, aus seinen Ketten reiße,
und den geschwornen Tod der Seufzenden zerschmeiße;
daß Zion predige, wie man Gott ehren soll',
und ganz Jerusalem sei seines Ruhmbes voll
wenn das bewohnte Rund, wenn alle Königreiche,
so dieser Boden hält, beisammen sein zugleiche,
und einen solchen Dienst dir werden stellen an,
den nur das werthe Volk, das du liebst, leisten kan.
Er, dieser große Herr, erschöpfet meine Kräfte,
und treibet oft im Tun zurücke mein Geschäfte,
verkürzet meine Tag'. Ich flehe stets an ihn:
nimb, mein Gott, mich doch nicht in besten Jahren hin,
und wenn ich halbalt bin! Du bist der Zeit Verwalter,
doch außer aller Zeit. Du weißt von keinem Alter,
bleibst immer, wer du bist. Du gründetest vorhin
der Erden großen Punct. Dein weisheitreicher Sinn
gab alle Himmel an. Jedoch die festen Werke
und was zusammenzwingt der Elementen Stärke,
daß nichts nicht leer muß sein, die werden untergehn,
und du wirst unbewegt in deinen Kräften stehn.
Sie werden allesampt durch letzten Sturm zerreißen
und wie ein alt Gewand und böses Kleid verschleißen;
Jehovah, aber du bleibst immer, wie du bist,
umbschreibest dich durch dich. Die Ewigkeit, Herr, ist
bloß deines Endes Ziel. Laß deiner Knechte Kinder
auch bleiben stets vor dir! Ihr Same sei nichts minder,
als unsrer Väter war, von dir gebenedeit,
und breche, wie vor sie, durch alle böse Zeit.
6. Der 130.
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