Psalm
Ein Lied im höhern Chor
Aus diesem tiefen Schlund', aus dieser schwarzen Gruft,
hab' ich so oft und oft, o Herr, zu dir geruft:
Ach Vater, höre mich! ach laß dein' Ohren merken
auf meines Flehens Stimm'. Herr, so du nach den Werken
mit uns verfahren wilst, uns unsre Missetat
und Sünde rechnen zu, so man verübet hat,
Herr, Herr, wer wird vor dir in seinem Tun bestehen?
Wir müssen allesampt auf eins zu scheitern gehen.
Du aber, Gott, vergiebst, daß man dich fürchten sol,
und so kan mancher noch vor dir bestehen wol,
der nur frisch aus bekennt und Gnad' umb Recht begehret,
das ihm denn, milder Herr, von dir stracks wird gewehret.
So kan man selig sein. Ich harre meines Herrn,
und meine Seele harrt. Der frische Saft und Kern,
den sein Wort in sich hat, heißt so mich auf ihn hoffen.
Diß Wohnhaus meiner Seel' halt' ich dem Herren offen
nicht an dem Tage nur. Wenn noch die dicke Nacht
umb mein Gemach ist her und eh die Sonn' erwacht,
so denk ich schon an ihn und warte mit Verlangen
auf ihn und seinen Trost. Ganz Israel sol hangen
mit seinen Hoffnungen und Seufzen, Herr, an dir,
denn blos bei dir allein ist Gnade für und für.
Du bist die Gnade selbst. Wol! hoffet all' ihr Frommen,
wir wollen doch durch ihn zur alten Freiheit kommen!
Erlösung hat er gnung. Und er, der treue Gott,
wird Jacob machen los von aller Schuld und Not.
7. Der 143. Psalm
Ein Psalm Davids
Herr, Herr, erhöre mich und nimb mein Flehen an.
So was vor dir dein Recht und Wahrheit gelten kan,
so schaffe mir auch Recht. Doch führ nicht ins Gerichte
mich, deinen Sündiger. Was hält wol das Gewichte
für Unschuld deinem Satz? Und wenn die große Welt
auf einen blachen Platz dir vor die Augen stellt'
ihr ungezähltes Volk, so würd' in solchen allen
ja nicht auf einen nur dein rechtes Urteil fallen,
daß er sei ohne Schuld. Diß bitt' ich nur allein,
daß ich des Feindes Spiel so gar nicht möge sein.
Denn er verfolget mir aufs äußerste mein Leben,
ich muß in steter Furcht für seinem Trutzen schweben.
Für ihm verkriech' ich mich, ich bin sein ewger Raub.
Ereilet er mich denn, so wirft er mich in Staub
und in ein finster Loch, da mich kein Liecht bestralet,
ich bin den Todten gleich. Wenn er so hoch herpralet,
so ängstet sich mein Geist. Mein Herze wird verzehrt,
daß er ohn' Unterlaß so grimmig an mich fährt,
daß ich so hülflos bin. Denk ich denn an die Werke
die du vorhin getan durch deiner Hände Stärke,
so tret' ich auch vor dich und bringe sie dir für,
und bitte, daß du auch so wollest helfen mir.
Ich strecke Nacht und Tag zu dir die lassen Arme,
nach dir, Herr, durstet mich in diesem dürren Harme,
wie ein entsaftet Land, das sich zum Himmel neigt,
und der erzürnten Burg die tiefen Risse zeigt,
gleich einem Seufzenden. Merk auf, Herr, Herr, erhöre!
erschein', erscheine bald in deiner großen Ehre,
eh mir der Geist entwischt, der nicht herwiederzeucht,
wenn er uns einmal nur durch unsre Lippen fleucht!
Verbirg dein Antlitz nicht, du Sonne meiner Seelen!
sonst werd' ich denen gleich, so in die schwarze Hölen
des Todes fahren ab, als wie in einen Schacht,
ohn' alle Wiederkunft, und sind in langer Nacht.
Herr, säume dich doch nicht! Laß deine frühe Gnade
mir bald zu wissen tun, und daß ich auf dem Pfade,
den du wilst, geh' herein, so mache mir ihn kund!
Nach dir Herr, Herr, nach dir seufz' ich mit Seel und Mund'.
Ich hoffe bloß auf dich. Gott, du bist mein Erretter,
und meiner Zuflucht Schutz entgegen alle Spötter,
die mir den Tod gedräut. Ich steife mich auf dich,
und achte sie für nichts. Hinwieder, lehre mich
nach deinem Willen tun, denn du bist mein Regierer!
Dein guter werther Geist sei allezeit mein Führer
auf wolgebahnter Bahn! Verhänge, Herr, doch nicht,
daß der, so dir dein Lob des hohen Namens spricht,
fahr' unerquicket hin! Führ' aus den großen Nöten
mein' halberlegne Seel' und laß sie nicht gar töten!
Gott, weil du bist gerecht, so sihe doch darein
und laß mich Armen nicht in steter Unruh sein!
Verstöre meinen Feind von deiner Güte wegen!
Setz' ihnen dich für mich zur rechten Rach' entgegen!
Du wirst, Herr, richten wol die Seelenängster hin,
wenn du nur denken wilst, daß ich dein Knecht noch bin.
8. Das Gebet Manasse, des Königs Juda, da er zu Babel gefangen war
O Herr, du starker Gott, du Vater unsrer Väter,
und ihres Samens auch, der ein gerechter Täter
in deinen Satzen ist, der du das Firmament,
der tiefen Erde Schoß und was sich drinnen wendt,
auch was steht unverwandt, aus Nichts doch hast erfunden!
Du hast das hohe Meer durch dein Gebot erfunden,
du, Gott, verschleußst die See, als siegeltst du sie zu,
sie bricht nicht dein Pitschier. Du Herr, allein Herr du
bist schrecklich und doch gut. Dein herrlich Loh zu mehren
erschufst du diesen Bau. Dich, dich muß alles ehren.
Diß Ganz' erschrickt für dir. Wir fürchten uns erblaßt
für deiner großen Macht, die du dir geben hast.
Unträglich ist dein Zorn, den du den Sündern dräuest.
Doch deine Mildigkeit, die du hierbei verleihest,
ist mäßig ohne Maß, und zu erforschen nicht,
wie deinen grimmen Ernst die linde Gnade bricht.
Der Allerhöheste bist du allein zu nennen,
so weit die Sonne kan mit ihren Gäulen rennen
umb die gecirkte Welt! Jedoch, wie groß du bist,
so lind' und gnädig auch dein Herz, o Vater, ist.
Die Strafe trübt dich selbst, mit der du uns belegen,
uns harte Sünder, must. Drumb hastu auch hingegen
ein Vorteil auserdacht, wie du der offnen Schuld
kanst einen Durchstrich tun und wieder werden huld.
Das ist die ernste Buß', in der du uns quittirest
von aller Missetat. Weil aber du, Herr, führest
den Namen, daß du bist der Frommen Gott allein,
so kan die Buße nicht den Frommen geben sein,
wie Abram, Isaak und Jacob für dir waren,
als denen wider dich kein Feil nie widerfahren.
Ich aber habe, Herr, vor dir gesündigt sehr,
mein Unrecht überwiegt den kleinen Sand am Meer.
Ich muß gekrümmet gehn in schweren eisern Banden
und habe keine Ruh, weil ich mit meinen Schanden
erwecket deinen Zorn, da ich vor dir getan
groß' übermachte Schuld, indem ich böser Mann,
viel schweres Ergernüß und solche Greuelsünden
vorhin hab' ausgeübt. Doch so noch Heil zu finden,
so sieh, ich beuge, Herr, die Knie des Gemüts,
mein Herze neigt sich dir. Erteil mich des Beschieds,
daß ich Gnad' haben sol! Ach Herr, ich bin gefallen!
Gefallen bin ich, Herr. Nun aber, wie dem Allen,
ich kan und wil und sol es leugnen nicht für dir,
ich beichte meine Schand'.
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