Ich bitte, steh bei mir!

vergib mir, fleh' ich, Herr! Herr, wehre dem Verderben!

Laß mich doch trostlos nicht in meinen Sünden sterben!

Herr, mildre mir die Straf', und laß sie träglich sein!

Hilf mir Unwürdigen und brich zu mir herein

mit deinem Gnädigsein! So wil ich dein Erbarmen

beloben, weil ich bin. Dich rühmet, was umbarmen

der Himmel starke Heer'. Herr, preisen sol man dich,

dich Grundbarmherzigen, wie ietzt, so ewiglich.

 

 

9. Klagegedichte
über das unschuldigste Leiden und Tod unsers Erlösers Jesu Christi

1632 März.

 

An diesem öden Ort, dahin kein Tier auch kömmet,

den Sonn' und Mon nicht weiß, da nie kein Stern nicht glimmet:

da nichts als flüchtige Narcissen gegend sind,

da stets gebücket geht der matte Hyacinth,

an diser stillen Bach, da kein Silvanus springet,

da keine Nachtigal sich in die Luft erschwinget

und singt ihr liebes Lied, da stete Demmerung

mit Nebel ist vermengt, doch stille Luft genung:

kom, kom, Melpomene, mit deiner schwarzen Schaube,

bekränzet umb das Haupt mit frischem Myrtenlaube,

bring' Harf' und Saiten mitt', und setze dich zu mir

an den Cypressenstock, der für uns stehet hier!

Du, meiner Thränen Lust, die mir noch bleibt alleine,

weil ich alleine bin, du weist, von wem ichs meine.

Setz' unser Werk hindan, das dein' und meine Zier

zu guter Letzte noch begert von dir und mir,

als sie gab gute Nacht. Und selbte zu betauren

gebührt uns ewig zwar. Doch laß uns mitte trauren

umb den, umb den so tut der größre Teil der Welt,

der ihm gleich ietzt das Grab und letzten Dienst bestellt!

Hier sind wir aus der Welt, hier ist der Ort zu klagen

den, den die tolle Welt nach so viel tausent Plagen

zum Kreuze hat verdampt, den, den die grimme Welt

vom höchsten Himmel aus bis in das Grab gefällt,

den wahren Gott aus Gott, den frommen Sündenbüßer,

den Zahler aller Schuld, den treuen Himmelschließer.

Das breite Trauerfeld, die ganze wüste Statt

klagt mit uns dessen Tod, der sie erschaffen hat.

Er war zugegen schon, eh' als die Himmel waren

und aller Zeiten Zeit. Er kam herab gefahren

aus seines Vaters Schoß und ward der Mutter Pfand,

der Mutter, der er selbst der Vater wird genant.

Er ist des Vaters Wort, dadurch er erstlich machte,

was er von Ewigkeit zu machen ihm gedachte.

Die Last, die gab er an, so Atlas auf sich trägt,

das grosse Weltgebäu und was sich drinnen regt.

Der Vater war in ihm, er war sein Bild und Wesen,

der ganzen Gottheit Glanz, von Gott ein Gott erlesen.

Er war der Söhnungsrat, als Evens Apfelbiß

uns umb den Eden bracht' und in diß Elend stieß'.

Er bote sich für uns das Lösegeld zu werden,

das niemand zahlen kunt' auf dieser breiten Erden.

Der muste selbst Gott sein, der Gott vergnügen wolt',

und in das erste Reich uns Arme setzen solt'.

Auf ihn hofft' alle Welt. Er macht' es ziemlich lange,

eh er diß Werk fieng an. Es ward den Alten bange,

es war ihr höchster Wundsch, daß der doch käm' einmal,

der ihre Seelen hielt' in steter Hoffnungsqual.

Und endlich kam er auch nach vorbestimmten Zeiten

und hielte seine Wort'. Als Feier von den Streiten

hatt' unser ganzes Rund, hieß' er sich melden an,

ohn welchen nichts, was ist, in Friede leben kan.

Die Botschaft Gabriel der Jungfrau muste bringen,

die Sohn ihn heißen solt' und ihm das Sause singen;

der Geist, der werthe Geist, der zeugt' in der die Frucht,

die keinen Man erkant, die stets gelebt in Zucht,

die Frucht, die für das Gift der ersten Frucht wird gessen.

Er kam und ward ein Kind, als iederman vermessen

sich seiner nicht versah; ob man gleich gabe für,

man warte stets auf ihn, ietzt war zu Tor und Tür.

Er ward in einen Stall verwiesen zu den Tieren,

der über alles ist. Den Wiegen solten zieren,

der ward der Krippen Last; der must in Kält' und Frost

geworfen werden hin und sein an schlechter Kost,

der Kält' und Wärme gibt, der alles reichlich speiset,

was Speise nur bedarf. Doch wird er noch gepreiset

von Tityrus Schalmei, im Fall kein Musicant'

Herodes hören wolt'. Als er kam in sein Land

und zu den Seinigen, die ihn doch nie erkanten,

ob sie Messias stets in ihren Schulen nanten,

ietzt sieht man ihn nicht an. Der muß geschätzet sein,

der vor Augustus hatt' ins Reich gesetzet ein,

der ewig freie Prinz. Er fing schon an zu leiden,

als er geboren kaum; er ließe sich beschneiden.

Des Vaters Zimmeraxt, der Mutter Näterei

erwurben ihm mit Not den halbgemachten Brei.

Am Mangel mangelts nicht: noch blieb er nicht zu Frieden

in seiner Kindheit Lenz. Er muste sein geschieden

von Freund und Vaterland. Ägyptus Hausgenoß

ist der, der alle Welt behaust in seiner Schoß.

Herodes tobte sehr, er furchte seiner Krone,

beginge Kindermord. Die List ward doch zu Hohne.

Gott fällt durch Säbel nicht. Das Kind fleucht bei der Nacht.

Tyrannen sind doch nichts vor Gott mit ihrer Macht.

Der König wurde faul, starb hin bei frischem Leben;

so ward der Kinder Tod dem rechten Tode geben.

Das Kind läßt Nilus stehn, kehrt umb nach Nazareth:

wird weiser Tag für Tag, folgt Joseph früh und spät'.

Es war sein höchste Lust, daß er zu Tempel gienge,

gab zu verstehen schon, was er an künftig fienge;

die Ceremonien hielt' er in allem mitt',

und hörte gerne zu, wenn etwa fiel ein Strit

in Glaubenssachen für. Ihr blinden Pharisäer,

und du verstocktes Volk, ihr dummen Sadducäer!

was half euch Moses Schrift und der Propheten Wort,

weil ihr erkantet nicht den wahren Lebenshort?

Er war euch untertan, doch mustet ihr ihn neiden.

Er war zwar euer Sohn, doch auch das Liecht der Heiden,

weil ihr ihn stießet aus. Was hilft euch Abraham?

Ietzt geht euch Japhet für, nun ihr seid worden Cham.

Wie ofte kam er doch in eure Synagogen,

alda ihr seiner Lehr' und Unterrichts gepflogen!

Wie war euch da zu Mut', als er, doch noch ein Kind,

mit euch befragte sich? Ihr waret sehend blind.

Der Jordan täufet' ihn, der Geist fuhr sichtbar nieder

und satzte sich auf ihn: das Zeugnüß hört' ein ieder,

das ihm sein Vater gab. Johannes weiste frei,

daß er das Gotteslamb für unsre Sünde sei.

Er trat ins Predigampt, beglaubte mit viel Zeichen

das Evangelium, er heilte manche Seuchen,

den Blinden gab er Liecht, den Tauben das Gehör',

er speiste wunderlich die Folger seiner Lehr'.

Er kostete kein Brot in zweimal zwanzig Tagen,

das Wasser war ihm Land, die See, die must' ihn tragen;

es ist ihm umb ein St, so fleuget Eolus.

Neptunus wildes Feld für ihm erstummen muß.

Er weckt den Jüngling auf, Jairus Tochter schnäubet,

und Lazarus, sein Freund, wird wieder neu beleibet,

ob er schon riechend ist, nur durch ein einzig Wort:

hier trieb er Teufel aus, den Krüppeln half er dort.

Er stieß die Wechsler aus und die des Tempels Ehren

durch Krämerei verletzt. Er kunte kräftig lehren,

er nam kein Blat fürs Maul, die Jüden schalt er frei,

und meldete sich selbst, daß er Messias sei.

Noch half es alles nichts. Ihr kuntet ihn nicht hören,

an Geistes Ohren taub, doch gleichwol auch nicht wehren.

Was wart ihr gegen Gott? Das Volk beschämet euch,

verachtet euren Bann, wird seelenfrei und reich.

Ietzt trugt ihr Steine zu und woltet ihn entleben,

ietzt stürzen von dem Fels, ietzt in die Bande geben.

Doch stricht ihr in die Luft. Wer streitet wider Gott,

der schlägt sich selbst aufs Maul und wird des Pöbels Spott.

Ihr brauchtet manchen Fund, erdachtet glatte Fragen, –

was aber ihr für Ruhm mit euch anheim getragen,

des rühmt euch jo nur nicht: es bleibet doch darbei,

der Menschen Klugheit ist für Gott nur Narrerei, –

biß daß die Zeit kam an, daß er, umb wessen willen

er kommen, führt' hinaus. Der Esel und das Füllen

bracht' ihn zu Jebus ein, daß zweierlei Geschlecht'

er zu dem Testament und neuen Rechte brächt'.

Hosanna singt man ihm, es spreitet mancher Jüde

die Palmen auf den Weg, weil kömpt der rechte Friede.

Als er zu Tische saß, erfeuchtet Haupt und Bart

das Nardenwasser dem, der vor gesalbet ward

zu dem gedritten Ampt'. Er ließ uns noch zur Letzte,

als er zum letzten sich mit seinen Jüngern setzte

und aß das Osterlamb, ein hohes Liebespfand,

ein rechtes Ostermahl, das er selbst wird genant,

das große Sacrament, da wir Gott selbsten essen

in und mit Brot und Wein. Ob schon der Feind besessen

Ischarioth, den Dieb, so würdigt' er ihn doch,

daß er ihm reichte zu den letzten Bissen noch.

Drauf wird er teuflisch ganz, steht auf bei Nacht und übet

das rechte Werk der Nacht, betrübt den, der ihn liebet,

verkäufet Gott umb Kot. Der schändliche Gewin

macht, daß der Geizhals hier gibt Seel' und Herren hin.

Jetzt geht die Marter an, jetzt muß der Heiland schwitzen,

bei frischer Lenzenluft. Er glüt für Grimmeshitzen,

darmit sein Vater brennt und wir stets schüren zu.

Die schwere Höllenangst läst ihm nicht so viel Ruh.

Der Schweiß ist nicht ein Schweiß, Blut sehn wir von ihm rinnen,

der Puls schlägt nährlich an.