Es bliebe mancher stehn

und las die Überschrift mit spöttlichem Gehön'.

Hier hänget unser Ruhm, hier leidet unser Prangen,

hier kranket unser Arzt, durch den wir Heil erlangen!

Ist das der Wunderbaum? ist diß das werthe Holz,

darauf wir Christen sein so prächtig und so stolz?

Der Even erster Wundsch, des Abrahams Verlangen,

die Hoffnung Isaaks, den Jacob hat umbfangen,

die Himmelsleiter die, der Trost der Köninge,

hängt hier in Schmach, in Angst, in Schmerz, in Ach, in Weh.

Es kunte niemand nicht ein Beileid mit ihm haben,

das war die doppelt' Angst. Maria sampt dem Knaben

beweinten Freund und Sohn. Da ist kein Jünger nicht,

kein Petrus ist nicht da mit seiner hohen Pflicht,

der für ihn sterben wil. Ach! wie ist dir zu Herzen,

du nie erkantes Weib, wenn du in solchen Schmerzen

hörst winseln deinen Sohn? Wie ofte zeuchstu hin

in Ohnmacht, stimmelos, erstarret, ohne Sinn.'

Hier hängt dein Wunderkind in so viel hundert Wunden,

in Ängsten über Angst, gebissen von den Hunden,

die ärger sind, als Hund'. O Weib, o armes Weib,

ietzt dringet dir das Schwert durch deine Seel und Leib?

Du niemand gleiche Frau, du must von fernen heulen.

Ach dürftestu doch nur verbinden seine Beulen!

Ach wäre dir vergunt, daß du zu guter Letzt

ihm küsstest seinen Mund, mit Thränen eingenetzt!

Was hilfts? es kan nicht sein. Du must in Jammer stehen

und zusehn, wie man spielt. Jetzt mustu gar vergehen,

weil dir dein Trost vergeht, weil er wird sinnenlos,

weil ihm die Todesangst gibt manchen harten Stoß.

O Alles, schaue zu, Jehova muß ietzt sterben,

der uns durch seinen Tod das Leben kan erwerben;

Gott röchelt, Gott erblaßt, der Herr der Herrlichkeit

muß so elendiglich ietzt enden seine Zeit.

Und nun, nun ist er hin! Das Firmament erzittert,

der Felsen Stärke springt, der große Punct erschüttert.

Nord, Osten, Süd und West, die rissen aus der Kluft,

bestürmten See und Land. Dreimal mehr in die Luft

spie Etna Feuer aus. Die Elementen dachten,

es wär ihr Ende da, des Tempels Sparren krachten,

der Teppich riß entzwei, die Gräber brachen auf.

Auf dich, o Solyme, war vieler Toten Lauf.

Ach Leben, bistu tot? ie kan denn Gott sich enden,

der Anfang anfangslos, das End' ohn' End' und Wenden?

Wie? mangelt der ihm selbst, der nichts als Alles hieß?

Ist denn die Seele hin, die uns die Seel' einblies?

O Höchster, neigst du dich? Die krausen Locken hangen,

der rosenliebe Mund, die wollustvolle Wangen

verlieren ihren Glanz, die Augen brechen ein,

die Augen, die der Welt sind mehr als Sonnenschein.

Die Hände werden welk, der Beine Mark erkaltet,

blutrünstig ist die Haut, gelifert und veraltet;

hier hängst du ausgespannt, geädert, abgefleischt,

zerstochen, strimenvoll, entleibet, ausgekreischt.

O wahrer Pelican, der seine toten Jungen

durch sein selbst Blut belebt. Uns ists durch dich gelungen,

du ehrne Schlange du, du edle Medicin,

die Leviathans Gift und Bisse nimmet hin.

O mehr als Jonathan, o treuer als Orestes,

Treu über alle Treu', hier suchstu unser Bestes

und tust dir höchstes Leid. O Priester, o Levit,

der uns, wie Aaron, beim Vater stets vertrit.

Du stirbest als ein Mensch, auf daß du überwindest

den Tod, als wahrer Gott, und daß du, Schiloh, bindest

den starken Cerberus, so steigstu in die Gruft

und stürmest kecklich zu auf Plutos schwarze Kluft.

Du starker Simson du, du Löw' aus Juda kommen,

wie hat doch deine Kraft so gar bald abgenommen?

O Stern, wo ist dein Glanz? O Schatz, wo ist dein Gold?

O Herr, ist das dein Ehr'? O Arzt, ist das dein Sold?

Kein Tiger ist so grimm, so grausam ist kein Drache,

der einem seiner Art ein solches Quälen mache.

Der Löwe liebt den Arzt; wir Menschen sein so toll

und töten den, der uns vom Tode helfen sol.

Ihr ganz vergälltes Volk, ihr gar verstockter Sinnen,

noch tierischer als Tier, ie werdet ihr nur künnen

erkennen eure Schuld? In Gottes Sones Blut'

habt ihr den Speer genetzt, das er auch euch zu gut'

ietzt fließen läst von sich. Beherzet doch die Zeichen!

Doch ihr seid Eisenart, euch kan doch nichts erweichen.

Den Demant zwinget Blut, den Stal zerschmelzt die Glut,

kein Demant und kein Stal gleicht eurem harten Mut?

Ietzt gebt ihr Gott den Dank, wie eure Väter taten,

das ungezähmbte Volk, das Volk dem nicht zu raten,

der dich, o Israel, erlöst' aus Pharus Hand,

der dir das Rote Meer in blaches Feld gewandt

und Jordans wilde Flut, der inner vierzig Jahren

dich wie ein Adler trug. Da keine Wege waren,

kein Proviant, kein Haus, nichts als nur Wüstenei,

hielt er dich, hartes Volk, in Speis und Kleidern frei.

Die Winde musten Fleisch, die Klippen Wasser geben,

das Manna stunk euch an. Er selbst Gott, euer Leben,

stund allzeit über euch, noch fürchtet ihr ihn nicht.

Das Kalb, das war euch mehr als Gottes Wolk' und Liecht,

bis daß euch Josua in Idumeen brachte

und alles Canaan euch untertänig machte,

das Milch- und Honigland. Es war euch Niemand gleich.

Gott macht' ein großes Volk und Königreich aus euch.

Er stieß euch vielmal aus und holt' euch vielmal wieder,

so oft ihr kehrtet umb und fielet für ihm nieder.

Ihr seid der Väter Har; ihr häuft noch ihre Schuld;

ihr teufelisches Volk, solt' euch denn Gott sein huld?

So viel Prophetenblut ist noch für euch zu wenig,

ietzt tötet ihr Gott selbst, Gott selbst, Gott euren König!

O du verdamptes Volk, der euch von Anbeginn

zu seinem Reich erwählt, dem ihr stets lagt im Sinn, –

und diß noch was ihr seid, seid ihr durch seine Gnade, –

ietzt gebt ihr ihm den Lohn. Ach daß doch euer Schade

euch noch zu Herzen gieng'! iedoch ihr habt kein Herz!

Es ist euch eine Mähr, es ist euch nur ein Scherz.

Du Volk von Hagar her, du nicht der Freien Same,

du bist nicht mehr ein Volk, dein Nam' ist mehr kein Name,

du iedermannes Greul, so weit schwebt eine Wolk'

hastu kein stetes Haus, du ganz zerstörtes Volk!

Luft, Feuer, Erd' und Meer die ruf' ich an zu Zeugen,

daß ihr, Halsstarrigen, mit nichts nicht seid zu beugen,

wie Gott selbst von euch sagt. Weil ihr denn starrt so sehr,

so beug' euch dermaleins Luft, Feuer, Erd und Meer.

O Kreuz, uns nicht ein Kreuz, an dem wir können haben

für Kreuz Ergötzlichkeit, für Armut reiche Gaben,

für Bande freien Pass, für Schrecken Sicherheit,

für Helle Himmelsgunst, für Tod Unsterblichkeit.

Diß heist ja wol getauscht. Ietzt stehn des Himmels Türen

geöffnet angelweit. Gott wil uns mit sich führen

in sich und durch sich selbst. Wir sind den Engeln gleich,

ja mehr als Engel noch in unsers Heilands Reich'.

O Kreuze sei gegrüßt. Dich muß ein jeder ehren

in allem, was er tut. Du kanst den Teufeln wehren,

durch den der dich geweiht. O heilige Figur,

an der wir haben stets noch unsers Elends Cur.

Weg, Moses, mit dem Fluch! Hier hat Gesetz ein Ende,

der Decke darf man nicht, daß uns der Herr nicht blende.

Hier ist des Lebens Buch, das neue Testament;

Jehova selbst ist hier, den noch kein Jüde nennt.

Hin ist nun alles Leid, Gott hat nun ausgestanden,

was auszustehen war. Gebt Linderung den Banden

und zieht die Nägel aus, nehmt Gottes Körper ab,

tut ihm das letzte Recht, versenkt ihn in ein Grab.

Und Joseph, du tust wohl, daß du wilst den begraben,

durch dessen Wundergrab wir keine Gräber haben.

Weil der gestorben ist, so stirbet nun kein Christ,

weil uns der Tod ein Schlaf, das Grab ein Ruhbett ist.

Ach hätt' ich auch gelebt zu Nikodemus Zeiten,

ich hätte wollen wol des Herren Grab bespreiten

mit blauen Veiligen, das grüne Lorberlaub

hätt' ich hieher gestreut! Für Erde, Sand und Staub

hätt' ich die Rosmari und Amaranthen geben,

mit Tolpen untermengt, dir, aller Blumen Leben.

Das fremde Benzoe hätt' ich gezündet an,

und wormit sonsten man die Toten ehren kan.

Das Wündschen hilft mich nichts. Jebova, nim vor Willen,

weil ich doch meinen Wundsch kan ietzund nicht erfüllen,

nim an diß Sterbelied, nim an den Grabgesang,

den, höchster Freund, aus mir dein grimmer Tod erzwang!

Erlöser, habe Dank, Blutbürge, sei gelobet!

Ruhstifter, ruhe sanft; obgleich umb dein Grab tobet

der Wächter ohne Wacht. Schlaf ein, bis weder Tag,

noch Wacht, noch Siegel dich im Grabe halten mag!

 

10. Am Himmelfahrtstage

1634. Mai 25.

 

Fahr auf, du Siegesfürst, in aller Himmel Himmel,

und laß dich holen ein mit prächtigem Getümmel,

wie dein Triumph erheischt! Zehntausent Engel stehn,

zehnmal zehntausent stehn, bis daß du ein wirst gehn

in dein gestirntes Reich. Die lauten Cherubinen

und der gelehrte Chor der hellen Serafinen

erhöhen ihren Ton und schreien dich so an:

Triumph, Triumph, Triumph, dir, dir, dir, starker Mann,

Mensch, Gott, Immanuel! So wirstu aufgenommen,

so wartet man dir auf. Umher stehn alle Frommen,

die du hast frei gemacht, und jauchzen für der Lust,

für Lust, die keinem noch von Menschen ist bewust.

Erlöser, setze dich zu deines Vatern Rechten,

und sei hinfort, wie vor, auch gnädig deinen Knechten.

 

 

11.