Epigramma
Die, die da war allhier ein Spiegel aller Tugend,
ist mit der Frülingszeit im Früling ihrer Jugend
von uns gerissen hin, wie wann von zarter Hand
ein blaues Veiligen dem Garten wird entwandt,
wie wenn auf Phöbus Schein erfolget Regenwetter,
wie wenn ein schöner Baum verleust die grünen Blätter.
Doch Früling, Veiligen, Schein, Blätter finden sich
mit Zeit: o welche Zeit wird wiederbringen dich?
4. Der klagende Bräutigam. 1
Du, die du warest mein, mein Leben, meine Zier,
wie liegstu hier so blaß, so ganz unähnlich dir?
Die Fenster sind entzwei, der Mund, die Zung' erstarret,
die Hände hangen dir, der Leib will sein verscharret.
Wo ist, o meine Sonn', ietzt deiner Liechter Schein?
Wo ist, o meine Braut, die schöne Schönheit dein?
Die Schmerzens-Töchter mir, die Tränen, tun ausbrechen,
Herzquälen, Augenangst, Hauptschmerzen, Seitenstechen,
die stürmen alle bald einmütig zu mir ein,
wenn ich dich sehe, ja, wenn ich nur denke dein.
Dein denk' ich aber stets, drumb hab ich steten Schmerzen
in Augen, in dem Häupt', in Seiten und im Herzen;
doch kan ichs lassen nicht, ich muß dich sehen an
und denken dein, solt' ich gleich noch mehr Schmerzen han:
diß tu' ich nur darumb, daß durch solch stetes Quälen
die Seele mir vergeh' und folge deiner Seelen.
5. Der klagende Bräutigam. 2
Phöbus mit sehr großem Zagen,
weil die schöne Dafnis ward
in den Lorberbaum verkahrt,
täte Tag und Nacht sich plagen:
doch zagt Phöbus nicht so sehr,
weil ich zage noch viel mehr.
Orpheus hochgerühmbter Gaben
gosse manchen Tränenbach,
weil er (diß sein Ungemach!)
seine Liebste nicht kunt haben:
doch weint Orpheus nicht so sehr,
weil ich weine noch viel mehr.
Arcas seufzet über Maßen,
als er Juliana nicht
kont' bekommen zu Gesicht',
auf die er sich ganz verlassen:
doch seufzt Arcas nicht so sehr,
weil ich seufze noch viel mehr.
Bleibet Phöbus gleich im Zagen,
Orpheus in dem Weinen lebt,
Arcas in dem Seufzen schwebt:
Phöbus, Orpheus, Arcas klagen
alle drei doch nicht so sehr,
weil ich klage noch viel mehr.
2. Auf eines von Grünental Leichbestattung
Die Zeit, in der der Mensch sein Leben pflegt zu führen,
ist wie ein grüner Tal, den frische Blätter zieren,
da Blumen aller Art im kühlen Grunde stehn
und um den lautren Quell und stillen Bach aufgehn
in ungezählter Zahl. Itzt, wenn die Schoß der Erden
von einer manbarn Luft geschwängert pflegt zu werden,
gebiert manch schönes Kind; wenn das verlebte Jahr
ein Jüngling wieder wird, da schlägt das junge Haar
den Lindenbäumen aus. Der angenäme Reif
macht bei gesunder Nacht die schwachen Gräser steif,
die Sonne wirkt die Frucht: stets wird was Neues funden,
das Jahr ist niemals leer, es tauschet alle Stunden.
Eins kan nicht allzeit sein, wie denn auch Alles nicht.
Wenn sich der Hyacinth mit seiner Zier entbricht,
da sind die Tulpen dar. Wenn diese sind vergangen,
da stehn Paeonien und Rosen in dem Prangen.
Itzt schosset diß herfür, itzt fället jenes ab;
was Eines wieder war, das ist des Andern Grab.
Bald kömpt der fröde Herbst mit seinen kranken Lüften,
mit den er alle Zier weiß tötlich zu vergiften.
Die Schwind- und Gelbesucht greift Bäum' und Blätter an,
der Saft vertrucknet aus, der matten Erden Man,
der müde Himmel greist. Die Mutter, die veraltet,
wird runzlicht an der Haut, die Fruchtbarkeit erkaltet.
Der halb erfrorne Nord weht durch das schwache Tal,
macht das Gefelde bloß, die kranken Bäume kahl,
reißt alles mit sich hin, verbläst dem stillen Quelle
den sonst gewohnten Paß, daß er nicht von der Stelle,
nicht vor sich rinnen kan. Wo ist alsdenn die Zeit,
die Zier, die schöne Lust mit aller Fröligkeit?
So ist es auch bewandt um aller Menschen Sachen;
ihr Leben ist der Tal, der uns itzt Freude machen,
itzt Unlust geben kan. Die Blumen sind selbst sie
mit aller Zier und Pracht, da diese balde früh'
und jene spat verfällt. Hier gilt es nicht zu bauen
auf seiner Jugend Zeit. Die Jungen, wie die Grauen
sind stets dem Tode reif. Die Veilge, die schlug aus
vor sieben Tagen schon, und die kaum halb ist raus,
meit eine Sichel ab. Die flüchtigen Narcissen
sind drum geringer nicht, ob sie schon bald hin müssen,
als etwan Roßmarin, die zwar sehr lange steht,
doch, wenn der Frost beißt an, zugleich auch untergeht.
Wir haben nur ein Ziel, wie auch die Blumen haben:
es sei früh oder spat, wir werden doch vergraben
in unser Mutter Schoß. Diß fehlet uns allein,
daß wir geringer noch als alle Blumen sein.
Die Zeit, die itzt verschleißt, kan sich an sich erholen,
das Laub schlägt wieder aus, die sterbenden Violen
bekommen ihren Geist, die Wasser tauen auf.
Sind wir nur einmal hin, da gilt kein Wiederlauf,
wir bleiben, wo wir sein. Diß haben wir zu hoffen,
daß noch ein grüner Tal uns allen stehet offen,
da zwar auch Blumen sein, nicht aber die vergehn;
daselbsten sollen wir auch unvergänglich stehn,
den Amaranthen gleich. In diesen ist versetzet
auch unser Grünental; er ists, der sich ergetzet,
der fromme Gottes-Freund, in einer solchen Lust,
die er zwar oft genant, doch aber nie gewust.
Da grünt der Grünental, da wird er nicht verwelken,
gibt einen Ruch von sich, wie die gesunden Nelken,
an die Gott täglich reucht, nach welcher schönen Blum'
auch reucht des Edelen gelobter Nam' und Ruhm.
3. Über eine Leiche
Wer jung stirbt, der stirbt wol. Wen Gott zu lieben pflegt,
der wird in seiner Blüt' in frischen Sand gelegt.
Der Tod hält gleiches Recht. Wer hundertjährig stirbet,
verweset ja so bald, als der, so jung verdirbet
und besser stirbt als er. Ist der schon nicht so alt,
so hat er ja auch nicht so viel und mannigfalt
verletzet seinen Gott. Diß ists, das uns das Ende
zu machen sauer pflegt, daß man nicht reine Hände
und ein Gewissen hat, daß ihm nichts ist bewust
als treue Redligkeit. Ein Junger stirbt mit Lust,
weiß nicht, was Seelenangst und Herzensstöße heißen,
die ärger als der Krebs nach frischer Seelen beißen
und töten, eh' der Tod uns noch die Sense beut
und auf das kranke Fleisch aus vollen Kräften häut.
Im Sterben findet sichs: wie Einer hat gelebet,
so krankt, so stirbt er auch. Ein furchtsam Herze bebet
und steht in steter Angst. Wer Gott zum Freunde weiß,
dem macht kein Schrecken kalt, kein Trübsalsfeuer heiß.
So stirbt ein junger Mensch. Was ists noch zu erzählen,
mit was wir Alten sonst uns pflegen stets zu quälen,
das uns bei Tage blaß, bei Nachte bange macht?
Ein Ieder weiß für sich, wie, wo, was er verbracht,
das jener große Tag soll an die Sonne bringen,
dafür sich mancher scheut. Vor so dergleichen Dingen
sind Kinder noch befreit. Drum, blasse Mutter, denkt,
ob euch der harte Fall auch denn so billich kränkt,
als wie ihr wol vermeint! Wem fromme Kinder sterben,
der weiß, was er der Welt und Himmel läßt zu erben:
der Erden zwar den Leib, als der sie Mutter heißt,
und als sein Vaterrecht dem Himmel seinen Geist.
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