Auf einer Jungfrauen Absterben

Was soll man ferner tun? Sie ist nunmehr vorbei,

das liebe schöne Kind. Die Augen sind entzwei;

diß ist der letzte Hauch, in dem die fromme Seele

aus ihrem Miethause, des keuschen Leibes Höhle,

in ihr recht' Vaterland, den hohen Himmel, reist.

Diß, was hier hinterbleibt und auf die Erde weist,

ihr wolgeschmückter Leib, will hin, woher er kommen,

in seiner Mutter Schoß. Es hat zu sich genommen

ein iedes seinen Teil. Ihr bleichen Eltern ihr,

ihr klagt nun gar zu spat! Vor war sie noch allhier,

vor war man noch in Furcht, sie würde nicht genesen;

itzt steht sie nicht mehr auf. Er ist nun da gewesen,

der Leibes Gast, der Geist. Itzt hilft kein Weinen nicht,

kein Bitten, keine Buß', und was man sonst verspricht

in einer solchen Angst. Sie hat den Wundsch erfüllet,

der doch auch eure war. Ihr Leid ist ganz gestillet

und eures hebt sich an. Stillt aber eures auch,

daß sie recht ruhen mag! Beweist der Christen Brauch,

der zwar den frühen Tod der Seinen heißt betauren,

nicht aber trostlos läßt auch mitten in dem Trauren!

Sie unterscheiden wol, was ihr und Gottes ist,

der mehr als Seines nichts hinwieder ihm erkiest,

zur Unzeit und zur Zeit. Was er zuvor verborget,

das fodert er mit Recht'. Ein heidnisch Herze sorget,

spricht: Einem, der jung stirbt, dem ist der Himmel Feind.

Nicht so! Wer zeitlich fält, mit dem ist Gott mehr Freund.

Die Liebe haßt Verzug: ie bälder Einer stirbet,

ie lieber ist er Gott. Was aber hier verdirbet,

der Leib, die Zier, die Kunst und was man sonsten liebt

(darinnen euer Kind euch billich mehr betrübt,

dieweil sie fertig war), das folgt der Flut der Zeiten.

Gott aber wird den Leib hinwieder zubereiten,

daß er soll ewig sein, da denn die Kunst und Zier,

die nicht kan untergehn, wenn wir sind nicht mehr wir,

in den verklärten Leib wird wieder eingegossen,

daß sie gleich ewig sein. Indeß habt ihr genossen

 

der zwar wol kurzen Zeit, da eure Tochter euch

von Herzen hat erfreut. Sie war an Schönheit reich,

an vielen Gaben hold, der Rehen zu vergleichen,

der weisen Künstlerin, ein ausgestecktes Zeichen

der angewandten Zucht. Vollkommen war sie schon,

ob sie gleich war ein Kind. Drum muß sie jung davon.

Ein Obst, das balde reift, wird zeitlich abgenommen.

Wir sind von wilder Art. Gönnt ihr, zu was sie kommen,

und wisset, daß die Zeit, die sie, als wie man schätzt,

allhier zu kurz gelebt, die Ewigkeit ersetzt!

 

 

5. Auf eines Kindes Ableben

Wo ist der Gärten Pracht, der Blumen Königin,

der Augen liebe Lust, die Anemone hin,

die so nur gestern noch in ihrem Purpur-Munde

und keuschem Angesicht' allhier zugegen stunde?

Wo ist denn heut' ihr Schmuck, ihr wollustvolles Häupt

und mit einander sie? Sie ist schon abgeleibt.

Hier steht ihr grüner Fuß, der Stengel, noch zu schauen,

der schon auch matt und welk. Hier siehst du, was zu trauen,

Mensch, auf dein Leben ist! Der, den man itzt begräbt,

das herzeliebe Kind, hat neulich noch gelebt,

und itzt, itzt starb es hin! Es war wie eine Blume,

wo nur nicht leichter noch, mit seiner Schönheit Ruhme.

Hier liegt sein leerer Leib; ihr Stengel steht noch hier.

Bald wird der Keins mehr sein. Beklagt es doch mit mir!

Was hilft es Menschen sein, was liebe Blumen küssen,

wann sie sind schöne zwar, doch balde nichts sein müssen!

6. Anagramm

 

1630 November 19.

 

Johan Herman Schein

(pro a. pon. e.)

Schein ein hoher Man.

 

Oder:

Johan Herman Schein

(pro a. it. pon. e.)

Schein ein hoher Nam.

 

Vor sprach ein Iederman, als du noch hier kuntst sein:

Schein ist ein hoher Man, Schein ist ein hoher Name;

ietzt spricht man, weil dich Gott zu sich zu nehmen kame:

Schein war ein hoher Nam, ein hoher Man war Schein.

Ich aber spreche drauf: War Schein ein hoher Man,

war Schein ein hoher Nam', als Schein nur schien auf Erden,

wie viel ein höhrer Man und Name wird Schein werden,

nun Erd' und Himmel er zugleich bescheinen kan!

 

 

7. Auf H. Georg Glogers Med. Cand. seliges Ableben

1631 October 16.

 

O Liebster, was bedeut das ungewohnte Röcheln,

die Furcht der heißen Brust, der matten Lungen Fecheln,

das so geschwinde keicht? Ach! wo, wo läßt du dich,

dein' Augen, deinen Mund, und was noch mehr, wo mich?

mich, deinen andern Dich? So bistu nun geflogen,

du schöne Seele du, und läßt unnachgezogen

den Leib, dein schönes Kleid, das mit so schöner Pracht

der Tugend war gestückt und sauber ausgemacht!

Du Mund, den Venus selbst in ihre Nectar tauchet,

und dem die Gratien ihr Holdsein eingehauchet,

ihr Augen, die ihr mich durch euer freundlich Sehn

zur Gegenliebe zwingt, nun ists um euch geschehn

und auch um euren mich! Vor hab' ich finden können

noch meinen Landsman, dich, du Labsal meiner Sinnen!

Ein Freund zwar, hoff' ich wol, mir anzutreffen ist:

so einer nimmermehr, wie du gewesen bist.

An dir hab' ich gehabt, ach! ach! gehabt den Zeugen

von meiner Poesie, wie sehr sie umzubeugen

der hagre Neid erkühnt, wie schlim er auf sie sieht!

Durch dich verlacht' ich ihn: du hubst mir das Gemüt'

ie mehr zum Ewigsein.